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und der Stellmacher standen aber auf der Straße und es finden sich immer Neugierige, die gern zuhören, wenn ein Fremder etwas fragt. So hatte sich auch allmählich um die Beiden eine Schaar Menschen angesammelt und unter ihnen ein kleiner Knabe auf den Niemand Acht gab. Dieser hörte einige Minuten dem Gespräch zu und eilte dann plötzlich spornstreichs davon.

      Bald darauf, als Madeleine eben schlüssig geworden und im Begriff stand umzukehren, kam der Knabe mit einer alten Frau zurück.

      »Lieber Herr,« begann die Alte, »mein Junge sagt mir, Sie wünschten ein Kabriolett zu miethen.«

      Diese einfachen Worte einer greisen, von einem Kinde geführten Frau preßten ihm heftigen Angstschweiß aus. Er glaubte die Hand wieder zu sehen, die ihn eben erst freigelassen. Sie wollte ihn jetzt wieder packen.

      »Ja wohl, gute Frau,« antwortete er, »ich brauche ein Kabriolett. Aber –« setzte er eilig hinzu – »es ist hier keins zu bekommen.«

      »Doch, doch!« erwiderte die Alte.

      »Wo denn!« fragte der Stellmacher.

      »Bei mir,« lautete der Bescheid.

      Madeleine erschrak. Die Hand des Schicksals hielt ihn wieder fest.

      Die Greisin besaß in der That in einem Schuppen eine Halbkutsche. Davon wollten aber der Stallknecht und der Stellmacher, die es ärgerte, daß der reiche Fremde ihnen entwischen sollte, nichts wissen.

      Solch' ein greulicher Rumpelkasten! Das Jammergestell ruhte auf der bloßen Achse, hatte keine Federn! Dafür freilich hingen die Sitze im Innern an Lederriemen!! Es regnete hinein. Die Räder waren vom Rost zerfressen. Das Ding würde nicht viel weiter kommen. Der Herr sollte keine Fahrt damit riskiren u.s.w., u.s.w.

      Das war Alles wahr, aber der alte Klapperkasten war ein Ding mit zwei Rädern, in dem man nach Arras kommen konnte.

      Er bezahlte, was man von ihm verlangte, ließ den Tilbury bei dem Stellmacher, bis er wiederkommen würde ihn abzuholen, hieß seinen Schimmel an die Halbkutsche spannen, stieg auf und setzte seine Reise fort.

      In dem Augenblick, wo sich der Wagen in Bewegung setzte, gestand er sich ein, daß der Gedanke, nicht weiter reisen zu können, ihm eine gewisse Freude verursacht hatte. Ueber diese Freude dachte er mit einer Art Verdruß nach und fand sie abgeschmackt. Freude über die Umkehr! Wozu? Hatte er denn die Reise nicht aus freiem Willen unternommen? Es zwang ihn ja Niemand dazu.

      Es würde doch immer das geschehen, was ihm beliebte.

      Als er zum Dorfe hinausfuhr, hörte er Jemand rufen: »Halt! Halt!« Er hielt sofort an mit einem krampfhaften, hastigen Ruck, denn vielleicht bedeutete die Verzögerung etwas Gutes.

      Es war der Junge der alten Frau.

      »Mein Herr, ich bin Derjenige, der Ihnen den Wagen verschafft hat.«

      »Nun?«

      »Sie haben mir nichts dafür gegeben.«

      Er, der sonst so bereitwillig gab, fand diese Forderung unverschämt und beinahe niederträchtig.

      »Also Du warst es? Du infamer Lümmel, Du kriegst nichts.«

      Damit peitschte er auf sein Pferd los und jagte im schnellsten Trabe davon.

      Er hatte in Hesdin viel Zeit versäumt, die er wieder einbringen wollte. Das Pferdchen besaß Courage und zog so gut, wie zwei; aber es war im Februar, es hatte geregnet und die Wege befanden sich in schlechtem Zustande. Dann war der Wagen, in dem er jetzt saß, nicht so leicht, wie der Tilbury. Außerdem eine Menge Steilungen auf dem Wege.

      Er brauchte vier Stunden, um von Hesdin nach Saint-Pol zu gelangen. In vier Stunden sechs Meilen!

      In Saint-Pol kehrte er in der ersten besten Herberge ein und ließ das Pferd in den Stall führen. Dem Versprechen gemäß, das er Scaufflaire gegeben hatte, hielt er sich, während das Pferd seinen Hafer verzehrte, in der Nähe der Krippe auf und hing trübseligen, verworrenen Grübeleien nach.

      Da kam die Frau des Gastwirtes in den Stall und fragte:

      »Will der Herr nicht frühstücken?«

      »Richtig, richtig! – Ich habe sogar ganz tüchtigen Appetit.«

      Er folgte der Wirtin, die ein munteres, vergnügtes Aussehen hatte.

      »Beeilen Sie sich,« mahnte er. »Ich habe Eile«.

      Eine dicke flamländische Magd deckte rasch den Tisch. Er sah sie mit einem Gefühl des Behagens an.

      »Das hat mir gefehlt,« meinte er. »Ich habe heute noch nicht gefrühstückt.«

      Als das Essen aufgetragen wurde, fiel er über das Brot her, aß einen Bissen davon und legte es dann langsam auf den Tisch zurück.

      »Wie kommt es, daß das Brot hier so bitter ist?« fragte er einen Fuhrmann, der an einem andern Tisch mit gutem Appetit speiste.

      Der Fuhrmann aber war ein Ausländer und verstand ihn nicht.

      Nun kehrte er in den Stall zu seinem Schimmel zurück.

      Eine Stunde später hatte er Saint-Pol hinter sich und fuhr auf Tinques zu, das von Arras nur noch fünf Meilen entfernt ist.

      Was that er während dieser Fahrt? Woran dachte er? Er sah sich, wie am Morgen, die Bäume, die Strohdächer, die Aecker an, wie sie an ihm vorüberwanderten, und die Landschaft, die an jeder Biegung des Weges eine andere wurde. Eine solche Betrachtung genügt bisweilen dem Menschen und befreit ihn fast von der Nothwendigkeit zu denken. Nichts Trübsinnigeres, nichts, das die Tiefen des Herzens stärker aufwühlt, als tausenderlei Dinge zum letzten Male sehen! Reisen heißt, jeden Augenblick an seinen Anfang und an sein Ende erinnert werden. Vielleicht beschäftigte sich sein Geist mit unbestimmten Vergleichen zwischen den Veränderungen des Horizontes und den Wechselfällen des menschlichen Lebens. Bei unserer Reise durch das Dasein sehen wir beständig alle Gegenstände uns fliehen. Helles und Dunkles wechseln mit einander ab. Man sieht etwas vorüberkommen, streckt eilig die Hände aus, es zu erfassen; jedes Ereigniß bezeichnet eine Biegung des Weges und ehe man sich dessen versieht, ist man alt geworden. Dann fühlt man einen Ruck, Alles ist finster, man erblickt ein dunkles Thor, das Pferd des Lebens, das Einen gezogen hat, bleibt stehen und ein tief vermummter Unbekannter spannt es in der Finsterniß aus.

      Es dämmerte schon, als die Kinder, die in Tinques aus der Schule kamen, den Fremden vorbeifahren sahen. Allerdings waren die Tage noch kurz zu dieser Jahreszeit. Madeleine hielt an diesem Orte nicht an. Aber als er eben im Begriff stand, aus dem Dorf hinauszufahren, richtete sich ein Chausseearbeiter, der Steine einrammte, in die Höhe und sagte:

      »Das Pferd da ist schön müde!«

      In der That ging das arme Thier nur noch im Schritt.

      »Fahren Sie nach Arras?« forschte der Arbeiter.

      »Ja.«

      »Wenn Sie Sich nicht mehr beeilen, werden Sie nicht früh ankommen.«

      Madeleine hielt an und fragte ihn:

      »Wie weit ist es noch von hier bis Arras?«

      »Beinah gute sieben Meilen.«

      »Wie so? Nach dem Postbuch sind es nur fünf und eine Viertelmeile.«

      »Ja so, Sie wissen wohl nicht, daß der Weg neu gepflastert wird? Eine Viertelstunde weiterhin ist er gesperrt. Da geht's nicht weiter«

      »Wirklich?«

      »Sie schlagen den Weg links ein, nach Caremcy, fahren über den Fluß, und wenn Sie in Camblin sind, wenden Sie Sich rechts. Dann sind Sie auf dem Wege, der von Mont-Saint-Eloy nach Arras führt.«

      »Aber es dunkelt schon: Ich werde mich verirren.« »Sie sind wohl nicht aus dieser Gegend.«

      »Nein.«

      »Na ja! Und dabei lauter Querwege. – Mein Herr, wollen Sie einen guten Rat von mir annehmen. Ihr Pferd ist müde. Kehren Sie um. In Tinques ist eine gute Herberge,

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