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Gnaden einen schönen neuen Altar für das Betzimmer zu verehren; dieses Geld hatte er auch angenommen und den Armen zugewendet. Der schönste Altar, entschuldigte er sich, ist die Seele eines getrösteten Unglücklichen, der dem Herrn dankt.

      In dem Betzimmer standen zwei Betstühle aus Stroh und in seinem Schlafzimmer ein Armsessel gleichfalls mit Strohsitz. Hatte er zufällig sieben bis acht Besucher zugleich zu empfangen, den Präfekten, oder den General, oder den Stab des Regiments, das die Garnison von Digne bildete, oder Schüler des kleinen Seminars, so sah man sich genöthigt die Sessel und Stühle aus dem Wintersalon, dem Betzimmer, dem Schlafgemach zusammenzuholen. Auf diese Weise konnte man elf Stühle aufbringen.

      Es kam aber auch vor, daß Zwölf zugleich kamen. Dann verdeckte der Bischof die Verlegenheit dadurch, daß er sich mit seinen Gästen stehend unterhielt.

      Allerdings besaß er noch einen Stuhl in dem Alkoven, aber der Sitz war entzwei und es fehlte ein Bein, so daß man ihn an die Wand lehnen mußte, wenn man sich darauf setzen wollte. Desgleichen hatte noch Fräulein Baptistine in ihrem Zimmer eine sehr große Bergére, aus Holz, die vor Zeiten vergoldet gewesen und mit Pekingseide überzogen war, aber die hatte man durch das Fenster in das erste Stock hinaufwinden müssen, weil die Treppe zu schmal war. Sie konnte also nicht zur Aushülfe gebraucht werden, wenn es an Stühlen fehlte.

      Fräulein Baptistine's sehnlichster Wunsch wäre gewesen, Salonstühle u. Canapee aus gelbem Utrechter Sammt mit Rosetten geschmückt und aus Mahagoniholz, das in Form eines Schwanenhalses geschnitzt war, anschaffen zu können. Aber das hätte mindestens fünfhundert Franken gekostet, und da sie in fünf Jahren Summa Summarum nur zweiundvierzig und einen halben Franken zu diesem Zweck hatte sparen können, so gab sie den Gedanken auf. Wer erreicht denn je sein Ideal?

      Etwas Einfacheres kann man sich nicht vorstellen, als das Schlafzimmer des Bischofs: eine Glasthür nach dem Garten; ihr gegenüber das Bett: ein eisernes Hospitalbett mit einem Himmel aus grüner Serge; im Schatten des Bettes, hinter einem Vorhang, Toilettengegenstände, die noch die feinen Gewohnheiten des ehemaligen Weltmannes verriethen; zwei Thüren, die eine in der Nähe des Kamins, die andre nach dem Betzimmer; ein großer Bücherschrank; ein marmorartig angestrichner Kamin aus Holz, wo gewöhnlich kein Feuer brannte mit zwei eisernen Feuerböcken; über dem Kamin ein kupfernes, ehemals versilbertes Krucifix, das auf schäbigem Sammet befestigt und von einem früher vergoldeten Holzrahmen umgeben war. In der Nähe der Glasthür ein großer Tisch mit Tintenfaß, unordentlich hingeworfnen Papieren und dicken Büchern. Vor dem Tisch der Strohsessel. Vor dem Bett ein dem Betzimmer entlehnter Betstuhl.

      Neben dem Bett hingen auf jeder Seite zwei Porträts in ovalen Rahmen. Kleine Inschriften mit Goldbuchstaben zeigten an, daß das eine Porträt den Abt von Chaliot, Bischof von Saint-Claude, das andre den Abt Tourteau, Generalvikar von Agde, Abt von Grand-Champ, von dem Cistercienser Orden, darstelle. Diese Porträts hatte der Bischof, als er in dem Hospital Wohnung nahm, in dem ehemaligen Krankenzimmer vorgefunden und sie dort hängen lassen. Waren es doch Bildnisse von Priestern, die vielleicht dem Hospital Schenkungen gemacht hatten, zwei genügende Gründe die Portraits zu behalten. Alles, was er von diesen Prälaten wußte, war, daß der König sie an demselben Tage, dem 27. April 1785, in ihre Aemter eingesetzt hatte. Diese Notiz hatte der Bischof, als Frau Magloire die Bilder eines Tages heruntergenommen hatte, um sie abzustäuben, auf einem vergilbten, auf der Rückseite des einen Portraits aufgeklebten Stückchen Papier gefunden.

      Am Fenster hing ein Vorhang aus grobem Wollstoff, der schließlich so alt wurde, daß, um keinen neuen anschaffen zu müssen, Frau Magloire sich genöthigt sah, mitten drin eine große Naht zu machen. Diese Naht bildete ein Kreuz, und der Bischof machte oft darauf aufmerksam, mit den Worten; »Wie gut sich das ausnimmt!«

      Alle Schlafzimmer ohne Ausnahme waren wie Kasernenstuben und Hospitalsäle, weiß getüncht. Indessen fand, wie weiterhin ausführlicher erzählt werden soll, Frau Magloire unter den gestrichenen Tapeten in Baptistinens Zimmer Malereien vor. Das Gebäude war nämlich, ehe es als Hospital benutzt wurde, Rathhaus gewesen und aus jener Zeit stammte diese Verzierung des Zimmers. Der Fußboden in den Schlafkammern bestand aus rothen Ziegeln, die allwöchentlich gewaschen wurden und war vor den Betten mit Strohmatten belegt. Im Uebrigen herrschte in diesem Hause, wo zwei Frauen walteten, von oben bis unten die peinlichste Sauberkeit. Dies war der einzige Luxus, den der Bischof gestattete: »Das entzieht den Armen nichts«, sagte er.

      Indessen muß eingestanden werden, daß ihm von seinem einstigen Reichthume sechs silberne Tafelbestecke und ein Suppenlöffel übrig geblieben waren, an deren Anblick Frau Magloire Tag für Tag ihre Augen zu weiden pflegte. Und da wir den Bischof so schildern wollen, wie er war, so müssen wir noch erwähnen, daß ihm mehr als einmal das Geständniß entschlüpft war: Es würde mir schwer werden, wenn ich dem Silbergeschirr entsagen müßte.

      Außer diesem Tafelgeschirr besaß er noch zwei große Leuchter aus massivem Silber, die er von einer Großtante geerbt hatte. Diese Leuchter enthielten zwei Wachskerzen und prangten gewöhnlich auf dem Kaminsims. Hatte der Bischof einen Gast zu Tische, so zündete Frau Magloire die beiden Kerzen an und stellte die Leuchter auf den Speisetisch.

      In dem Schlafzimmer des Bischofs selbst, über dem Bett, befand sich ein kleiner Wandschrank, in dem Frau Magloire jeden Abend das silberne Tafelgeschirr verschloß. Freilich, abgezogen wurde der Schlüssel nicht.

      Den durch die schon erwähnten häßlichen Gebäude entstellten Garten durchkreuzten vier Alleen, die in der Mitte an einer Senkgrube zusammentrafen. Eine andre Allee zog sich um den Garten längs der Mauer herum. Diese Wege umschlossen vier mit Buchsbaum eingefaßte Quadrate. Auf dreien zog Frau Magloire Gemüse, das vierte Beet hatte der Bischof mit Blumen bepflanzt. Hier und da sah man auch Obstbäume. Eines Tages sagte Frau Magloire mit gutmüthiger Ironie zu dem Bischof: Ew. Bischöfliche Gnaden wissen Alles recht schön auszunutzen, haben aber doch das Beet da mit Blumen bepflanzt, die nichts einbringen. Es wäre besser, wenn Salat darauf wüchse.« Frau Magloire, entgegnete der Bischof, Sie haben da keine richtige Ansicht. Das Schöne ist ebenso nützlich, wie das Nützliche.« Dann nach einer Pause: »Vielleicht noch mehr.«

      Dieses Beet, das aus drei oder vier Rabatten bestand, beschäftigte den Bischof beinah ebenso sehr, wie seine Bücher. Er arbeitete darauf täglich ein bis zwei Stunden, gätete Unkraut aus, beschnitt die Pflanzen, grub Löcher, in die er die Schößlinge steckte u. s. w. Aber die Insekten verfolgte er nicht so eifrig, wie es ein richtiger Gärtner für wünschenswerth gehalten hätte. Mit botanischen Kenntnissen glänzen zu wollen war auch nicht seine Sache; er kannte nicht die Klassifikazionen und den Solidismus, ließ sich nie darüber vernehmen, ob er es mit Tournefort halte oder für die natürliche Methode sei, ergriff nicht Partei für die Antherenschläuche gegen die Kotyledonen, noch für Jussieu gegen Linné. Er studierte nicht die Pflanzen, sondern liebte die Blumen. Er ließ Gelehrte und Ungelehrte unbehelligt, und begoß vor allen Dingen jeden Abend im Sommer sein Beet mit einer grünen Gießkanne.

      Keine Thür im Hause war verschließbar. Die Thür des Speisezimmers, die, wie wir schon erwähnt haben, unmittelbar an den Domplatz stieß, war ehedem mit Schlössern und Riegeln versehen gewesen, wie eine Gefängnißthür. Alles dieses Eisenwerk hatte der Bischof abnehmen lassen, und seitdem blieb die Thür Tag und Nacht nur eingeklinkt. Der erste Beste, der des Weges kam, konnte sie aufmachen. Anfangs hatte diese unverschlossene Thür den beiden Frauen viel Sorge gemacht, aber der Bischof hatte gesagt: »Laßt Euch Riegel an Eure Thüren machen, wenn Ihr das wollt.« Schließlich hatten sie sich beruhigt oder stellten sich wenigstens so. Nur Frau Magloire hatte von Zeit zu Zeit noch Anwandlungen von Angst. Wie der Bischof über die Sache dachte, erhellt aus einigen Zeilen, die er in einer Bibel an den Rand geschrieben: »Der Unterschied ist der: Die Thür des Arztes soll niemals verschlossen, die des Geistlichen immerdar offen sein.«

      In einem andern Buche, das den Titel »Philosophie der medizinischen Wissenschaft« führt, hat er geschrieben: »Bin ich nicht ebenso gut ein Arzt wie sie? Auch ich habe meine Kranken; zunächst ihre, die sie Patienten nennen, und dann meine eignen, die ich die Unglücklichen nenne.«

      Und an einer andern Stelle: »Fraget nicht den, der Euch um ein Obdach bittet, nach seinem Namen. Gerade derjenige bedarf der Zufluchtstätte, dem sein Name Verlegenheiten bereitet.«

      Es

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