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diesen Events nicht mehr aus wie Sarah Palin?“

      Salomé verdrehte die Augen bei Allegras Anspielung auf die erzkonservative amerikanische Politikerin. War ja klar, dass ihrer Freundin nicht entgehen würde, dass sie keine Lust mehr auf ihre amerikanische Kostümierung hatte. Viel zu lange hatte sie sich angepasst. Jetzt hatte sie Lust auf neue, individuellere Wege.

      Allegras scharfem Verstand entging selten etwas. Gerade wegen dieser außergewöhnlichen Fähigkeit hatte Salomé mehr als einmal erfolglos versucht, ihr einen hochdotierten Job in ihrer Bank schmackhaft zu machen. Damit hätte sie nicht nur eine fähige Mitarbeiterin gewonnen, sondern auch eine konstant anwesende Mitbewohnerin. Sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

      Salomé konnte nicht verstehen, weshalb jemand freiwillig das Leben führte, das Allegra sich erwählt hatte. Immer auf Abruf, als Ärztin in Krisen- und Kriegsgebieten dem unaussprechlichen Elend ausgesetzt. Niemals sesshaft sein. Keine Aussicht auf eine dauerhafte Partnerschaft. Für Letzteres war Allegra ohnehin nicht gestrickt. Das hatte nichts damit zu tun, dass sie auf Frauen stand, womit sie ganz offensiv umging. Allegra genügten heiße Affären mit gleichgesinnten Frauen, meistens der Umstände halber Krankenschwestern oder Ärztinnen, von denen sie Salomé in weinschwelgenden Nächten vorschwärmte.

      Anfangs war Salomé ein wenig geschockt gewesen, als sie von Allegras sexueller Orientierung erfahren hatte. Sie kannte Allegra schon ewig und hatte sie als beste Freundin ins Herz geschlossen. Erst nach dem Schulabschluss gestand Allegra sich ein, mit Männern nichts anfangen zu können. Sie liebte Frauen. Kaum war der Schalter einmal umgelegt, ging sie umso offener mit ihrer Neigung um. Sie flirtete, was das Zeug hielt. Kurzzeitig befürchtete Salomé, Allegra würde mehr in ihrer Freundschaft sehen. Sie wollte ihre Freundin nicht wegen unerwiderter Liebe verlieren. Allegra hatte – mal wieder – Salomés Gedanken gelesen und lauthals gelacht.

      „Zaza, glaub mir, du bist so was von nicht mein Typ!“

      Salomé hatte nur erleichtert grinsen können. Mittlerweile wusste sie, dass Allegras Puls bei zierlichen Frauen, die eine gewisse Dominanz ausstrahlten, in die Höhe schnellte.

      Fasziniert war Salomé auch davon, dass Allegra ganz uneitel war. Sie war nicht so naiv, zu glauben, dies hinge mit ihrer sexuellen Orientierung zusammen. Sie kannte keine Frau wie Allegra, die so wenig Wert auf Äußerlichkeiten legte. Der es so egal war, ob ihre Augenbrauen gezupft, die Beine rasiert waren, die Bluse farblich zum Rock passte oder die Frau am Restauranttisch nebenan ihr Lachen zu laut fand. Ein Fakt, der Inès’ Blutdruck in die Höhe treiben würde. Schließlich lebte Salomés Mutter seit ihrer Kindheit in einem engen Korsett aus „Manieren und Anstand“ und beschäftigte eine ganze Entourage, die allein für die Pflege ihrer Schönheit zuständig war. Salomé fragte sich oft, wie Inès sich eigentlich verhalten hätte, wenn Philippe und sie nicht so folgsame Musterkinder gewesen wären.

      Als Salomé Allegra das erste Mal darauf angesprochen hatte, weshalb diese Äußerlichkeiten so unwichtig für sie seien, hatte Allegra nur die Achseln gezuckt.

      „Zaza, wenn du zwei Drittel deines Lebens auf harten Pritschen und ohne fließendes Wasser verbringst und täglich Kinder in deinen Armen sterben, wird dir anderes wichtig.“

      So viel Bewunderung Salomé vor Allegras Einsatz an der Menschheit auch empfand, sie selbst konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich freiwillig diesem Elend zu stellen. Auch wenn das vollkommen oberflächlich klang. Wenn Allegra erst einmal von riesigen Insekten erzählte, mit denen sie morgens aufwachte, fand Salomé ihren vergleichsweise beschaulichen Job als Bankchefin unglaublich spannend und erfüllend.

      Leider war Allegra in letzter Zeit nur noch für Zwischenstopps zu Hause. Sie hatten sich seit Mai nicht gesehen. Wen wunderte es also, dass Salomé in diesem Augenblick unglaublich froh war, ihre vertraute Freundin wiederzuhaben. Wie sehr sie Allegra vermisst hatte! Und genau zur rechten Zeit: Endlich konnte sie mit jemandem über die verwirrenden Gefühle, die dieser Schauspieler in ihr auslöste, reden.

      Ihr Gesicht musste ihre Gedanken widergespiegelt haben, denn Allegra zog sie mit einem satten Grinsen ins Wohnzimmer.

      „Bevor ich dir auch nur ein Sterbenswörtchen von Nepal erzähle, musst du mir sagen, wie der Kerl heißt, der dir Sterne in die Augen und Schmetterlinge aufs Kleid zaubert.“

      Allegra bugsierte Salomé in Richtung Sitzlandschaft und stupste sie in die Kissen. Salomé kicherte und hob abwehrend die Hände. Allegras gespielt strenger Blick machte Leugnen zwecklos.

      „Ist ja schon okay. Es gibt gar nicht so viel zu erzählen. Ich habe auf der Sommerparty meines Vaters mit einem netten Mann getanzt, und er ist gerade in New York. Also hat er angerufen, und wir hatten einen netten Abend zusammen.“

      „Netter Mann, netter Abend?“ Allegra zog fragend ihre Brauen hoch.

      Diese waren so wildwüchsig, dass Salomé einen Moment irritiert innehielt.

      „Ja, nur nett.“

      Die Miene ihrer Freundin blieb skeptisch.

      „Kenne ich ihn?“ Salomé wollte gerade verneinen, als sie stutzte. Nate war immerhin berühmt. Weshalb sollte Allegra ihn nicht kennen?

      „Könnte sein“, gab sie daher vage zur Antwort.

      „Kannst du es ein bisschen genauer eingrenzen? Er ist also aus Manhattan?“

      Salomé schüttelte den Kopf. Unerklärlicherweise war es ihr gerade jetzt furchtbar peinlich, sich ausgerechnet in ein Hollywood-Sexsymbol verknallt zu haben. Oberflächlicher konnte es ja kaum sein.

      „Zaz, jetzt sag schon, wir sind doch hier nicht bei ‚Wer bin ich?’“

      Nervös zupfte Salomé einen Faden aus einem Sofakissen.

      „Also ... vielleicht kennst du ihn sogar. Er ist Schauspieler. Und hat gerade so einen Blockbuster-Highlander-Film im Kino.“

      Allegra runzelte nachdenklich die Stirn. Dann erhellte sich ihr Gesicht.

      „Du hast dir doch nicht etwa diesen Typen mit dem eingeölten Wahnsinnsoberkörper geschnappt, der auf jedem Plakat in der Stadt hängt und bei dem selbst ich überlege, wieder ans andere Ufer zu wechseln?“ Begeistert schlug sie auf die Sofalehne.

      Salomé räusperte sich kleinlaut. Ihr waren diese Plakate erstmals heute Nacht auf der Rückfahrt von der Gala aufgefallen. Wie blind sie gewesen war, Nate auf ihnen nicht erkannt zu haben.

      „Ich hab ihn mir nicht geschnappt. Wie ich bereits gesagt habe, wir sind nur einmal ausgegangen. Ein netter Abend, du erinnerst dich? Außerdem hat sich herausgestellt, dass er bereits vergeben ist.“

      „Er ist verheiratet?“

      Salomé zuckte die Achseln.

      „Ich weiß es nicht genau. Er hatte auf jeden Fall eine Frau dabei heute Abend.“

      „Ich dachte, du seist mit ihm ausgegangen? Und da hat er eine andere Frau mitgebracht?“ Allegra war verwirrt.

      „Nein … ja. Also, gestern ist er mit mir essen gegangen, und ich hatte das Gefühl, er wäre echt an mir interessiert. Ich habe mich gefühlt wie ein Teenager, zittrige Hände, Kribbeln im Bauch, weiche Knie ... das ganze Programm. Dann hat er kurz telefoniert und dabei verliebt ins Telefon gesäuselt, und mir ist klar geworden, dass er sicher eine andere hat. Und heute ist er als Stargast bei der Gala aufgetaucht … mit einer Frau. Die sahen so unglaublich gut aus zusammen, er Schauspieler, sie Model, das perfekte Promipaar eben.“

      „Und wie hat er sich dir gegenüber verhalten?“

      „Das war die absolute Katastrophe! Er hat sich neben mich gesetzt und sein Bein die ganze Zeit an meines gedrückt. Stell dir vor, seine Freundin sitzt gegenüber und er flirtet mit mir, als wäre sie nicht da! So ein Mistkerl! Und als ich gehen wollte, kam er sogar ohne sie zum Auto gerannt. Aber wir sind sofort weggefahren.“

      „Er ist hinter dir hergerannt? Also dann ist er sicher nicht vergeben!“ Allegra sprang begeistert auf. „Ich fasse es nicht. Jahrelang Ebbe in deinem Bett und

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