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Eintreffen suchte ich eine Übersicht der absatzstärksten Produktvarianten. Erfreulicherweise waren diese schon als Materialien im System angelegt und mit ihren einzelnen Verkaufspreisen beziffert, was organisatorisch sehr zu loben ist. Wer es mir nicht glaubt, kann es halten, wie er will, doch eine Firma, die täglich ums Überleben kämpft, verschenkte ganze 6,0 Mio EUR an Bruttogewinn pro Jahr und das nennen wir konkret geplanter und gezielt eingesetzter Irrsinn. Sicher war das eine grobe Berechnung von mir, doch die 6.000.000 Euro Ergebnis pro Jahr geben schon eine Hausnummer vor! Die geringe Motivation der doch ausgebildeten und erfahrenen Werkern und die unnötig hyperaktive Hektik in der Verwaltung beruhte auf der sehr irrigen Annahme, dass der globale Markt seinen Tribut fordert. Eine sehr erklärungsbedürftige und eher steuerschonende, wenn nicht gar eine korruptionsverdächtige sehr variable Preispolitik zwischen den einzelnen Auslieferungen verschenkte die Unternehmensgewinne zu den wenigen Kunden. Lieferanten, Werker und fremde Dienstleister waren dem natürlichen Kostendruck ausgesetzt, aber so, wie massiv Kosten eingespart wurden, wurden diese durch unnütze Preissenkungen an den Kunden weitergegeben. Ein neutraler Gewinn wird vor interessierten Besitzern schwer erklärbar, wenn nur minimale Änderungen in der Verkaufspreiskalkulation den Nettogewinn von 50.000 EUR auf knapp über gesunden 2.000.000 EUR erhöhen würden. Dass bei schwankenden Stahlpreisen jedes Jahr genau um die 50 TEUR Gewinn vor Steuern erreicht werden, sollte nicht nur dem Controlling und der Produktionsverwaltung, sondern auch dem Finanzamt auffallen. Eine interessante Beobachtung war, dass es kaum Nachbearbeitung oder Qualitätsmängel gab. Das Produkt selbst wurde an einem Stück mit minimalen Fertigungstoleranzen gefertigt. Einen Stapel von Ausschussware neben der Taktstraße kannte man nicht. Um die Stückkosten (angeblich) weiter zu senken, wurden in China die Rohlinge vorgefertigt, die dann in Europa endveredelt wurden, die wieder nach China zum Endkunden mit dem LKW und dem Schiff zurückgebracht wurden. Die Dauer der Fertigung betrug, inklusive Stahlbestellung, Vorfertigung in China, Transport, Endfertigung in Europa und Auslieferung wieder nach China, verständliche, weil nicht zu lange 16 Wochen. Die vertraglichen Bedingungen sahen aber sehr kundenfreundlich vor, dass die Bestellungen innerhalb einer Woche ohne Grund geändert werden konnten, sodass die aktiv gelebte Hektik in der Materialverwaltung erklärbar wurde. Eine zu hohe Arbeitslosigkeit, ein Gebäude-Leerstand von 50%, kaum Industrie in der Stadt und ein Skandal an hiesiger Polizeischule, sowie eine jüngste Massenentlassung von 30% in der Firma begünstigten die sehr demotivierenden Umstände. Die moderne Fertigung mit älteren Maschinen, aber kurzen Entscheidungswegen und einem engagierten Fertigungsmanagement konnten die bedauernswerte Gewinnsituation nicht mehr erklären. Ein für gut und gerne 6,00 EUR/Kg Produkt wurde für gerade einmal 2,40 EUR/Kg verschenkt. Das ist nicht einfach zu erklären oder schönzureden. Hier hat sich jemand ganz frech und frei an der Firmenkasse über Umwegen bedient. Als Berater sollte man loyal und verschwiegen zu seinem Kunden stehen, aber nicht als der Sündenbock dienen, der unanständig Geld aus der Firma zieht. Das Produkt war ein sehr gutes Beispiel deutscher Qualitätsarbeit mit minimalen Toleranzen im besten Finish. Die Firma hingegen war ein sehr schlechtes Beispiel des ausländisch und blind fremdfinanzierten, etwas kleinadelig, wie kleingeistig und unsozial selbstsüchtig geführten erbärmlich niedergehenden Mittelstands mitten im grünen und unberührten Herzen Deutschlands.

      11. Stahlmöbel

      Juni 2017 ... Es ist Herbst und ich muss raus in die Natur. Mitten im Schlosspark in Bad Bentheim sitze ich auf äußerst bequemem Mobiliar im geformten Stahl direkt neben dem Ententeich. Im nicht unmodischen Dienstgrün lädt es Frieden suchende Touristen und harmoniebedürftige Einheimische ein. Ich habe mir nie Gedanken gemacht, wer diese Stahlmöbel herstellt und warum diese für Stunden wirklich bequem sind und gleichermaßen zu Entspannung und angeregter Unterhaltung einladen und verführen. „Unser Controller geht in Pension. Wäre es möglich, unsere Prozesse umfangreich zu optimieren? Der Junior ist noch auf Schulung.“ Der Hinweis auf ungehinderte Entfaltung ist ein Fest für jeden freigeistigen Berater. Eine erste Inspektion des Arbeitsplatzes nebst dicken Aktenordnern und umfangreichen EDV-Systemen offenbarte schnell die Frühverrentung. Ganze fünf elektronische Programme wurden hintereinander sowie auch parallelgeschaltet. Alles basierte streng auf einem intern sehr akzeptierten Warenwirtschaftssystem, das mit einer kleinen Buchhaltungssoftware mittels MS Excel gekoppelt, ein Konsolidierungsprogramm mit Zahlen beliefert. Das wunderschöne Berichtstool lieferte dafür wirklich eindrucksvolle und verständliche Präsentationsfolien. So wie die Zahlen im System verbucht, abgestimmt und konsolidiert waren, so erschienen sie intelligent aufbereitet auf dem Monitor der Geschäftsführung. Wer hat das schon? Trotzdem empfehle ich ein modernes Enterprise Ressource Planning System. Für die Auswahl würde ich sechs Monate empfehlen, damit alle Beteiligte eingebunden und zufrieden sind, sodass die Informationswege darauf angepasst werden können. So kompliziert die EDV, so komplex waren die kostenrechnerischen Anstrengungen und umso undurchsichtiger war die Kalkulation der Produkte. Ja hier hat jemand sein Studium der Betriebswirtschaft nicht wirklich angewandt. Wir reden von teuren Möbeln, die aus lackiertem oder aus verchromten Stahl bestehen. Eine Kalkulation aus Stahl + Arbeit => Gewinn war höchst verpönt und irritierte mit Einfachheit. Jahrzehntelange Fehler in den Arbeitsabläufen, der maschinenbaugetriebenen Personalpolitik und den Investitionsbemühungen wurden nur durch ein äußerst teures aber sehr bequemes Produkt aufgefangen. Schade, dass ich nur mit dem aufgeweckten Prokuristen sprechen konnte, ich hätte gern eine Aussage vom geschäftsführenden Gesellschafter, warum ein innovatives Produkt nur 1% Umsatzrendite erwirtschaftet. Der gute Berater bietet seine Meinung zur Optimierung eines Systems und seiner Einflüsse in zum Beispiel der Vertriebs-, Produktions- und Unternehmensplanung auch unter erschwerten Bedingungen an. Wer glaubt, die EDV mal kurz zu optimieren, wird sich schnell mit tieferliegenden Fragen der Firmenpolitik konfrontiert sehen. Eines ist mir noch aufgefallen, so vorzeigbar die Möbel auch waren, so unspektakulär zeigte sich das biedere Design. Es hatte natürlich seine eigene Schönheit, doch man musste schon zweimal hinsehen. Eigentlich recht traurig zu beobachten, warum dieses nie beachtet wurde, doch ich denke, dass der Fokus auf Haltbarkeit und Bequemlichkeit gesetzt wurde und Schönheit und Eleganz nur gestört hätte, oder es gab tatsächlich nur einen Designer, der richtig gute Arbeit abgeliefert hat, aber die Vorlesung über italienisches Design unbeachtet ließ. Bei dem recht hohen Preis kann auch mal ein durchtrainierter Student von der benachbarten Fachhochschule von der Kette gelassen werden. Die tiefgrünen Parkbänke im Schlosspark sind nicht wirklich schön. Sollte viel Geld in einer Firma für Unnützes und Überflüssiges anstatt für Elegantes und Beeindruckendes zweckentfremdet werden, könnte das langsame Wachstum hart am neutralen Ergebnis gut erklärt werden. Was machen eigentlich die Werbespots der Firma? Treffen definierte Muskeln auf komfortables Metall? Nein, warum nicht? Hier muss nachgebessert werden! Der Intellekt kommt auch durch den Einsatz von Haut und Stoff. Ehrlich gesagt, für einen 300 Euro Hocker will ich eine schöne in Versen Geschichte hören. Das Möbel muss aus Italien kommen oder wirklich gut beworben werden. Hat der Personalleiter zu der interessanten Thematik Vorschläge? Es ist schon traurig, wenn man (tatsächlich) Maschinenbauer ist und gutaussehende junge Knaben einstellt. Warum werden diese nicht werbewirksam dem Publikum vorgestellt? Warum findet das Gute immer nur intern Verwendung? Tut mir leid, aber das Thema ist auch ein Personalproblem, nur schwer erklärbar und tief in der Unternehmung verwurzelt.

      12. Edelstahlabgasanlagen

      Juni 2017 ... Das hier ist ein wirklich beeindruckendes Beispiel, wie gut ausgebildete aber einfach gestrickte Leute, die das Geschäft beherrschen, von einem weltoffenen CEO innerhalb kürzester Zeit fertig gemacht worden sind. Alle waren aus demselben Dorf. Sie verkauften seit gut zehn Jahren Ersatzteile mit anständigen Gewinnen in einem hart umkämpften Markt ohne Mühe und Aufregung. Einfach so, Material kommt, Material geht, doch nun war es an der Zeit, einen Sprung nach vorn zu machen. Raus aus dem schmuddelig öligen Ersatzteilgeschäft, rein in die prestigeträchtige Neufertigung mit innovativen Ideen und exklusivem Sortiment. Die Schönen und Reichen (kein Witz) müssen bedient werden. Wo viel Geld liegt, sind die fetten Gewinne. Dort wo viel verdient wird, fängt Weltgewandtheit an und hören unsere getreidedörflichen Wurzeln auf. Ok, das dachte eigentlich kaum einer. Tatsächlich wussten nur wenige, dass ein Strategiewechsel bevorstand und ein neuer CEO gesucht wurde. Warum kann man solche Sachen

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