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      01. Endlich fertig

      März 2002 ... Das Studium der Betriebswirtschaftslehre ist vorbei und ich mag das schwere Wort Arbeit nicht, aber die Lichter der Großstadt verführten allzu sehr. Es ist schon hektisch pulsierendes Leben hier am Rhein tief im wilden Westen. Ein kleines und verstecktes Büro voller alter Akten betraute mit der Aufgabe, eine Lösung zu einem Kredit-Umsatz-Problem zu finden. Ich war neu in der Firma, neu in der Branche und ohne Berufserfahrung, aber mit Disziplin und Fleiß. Es ist tatsächlich die eigene Ordnung in den Notizen, die die erfüllende und herausfordernde Sache zum erfolgreichen Abschluss bringt. Es kann ja sein, dass die früheren Kollegen nur an ihrer eigenen Komplexität scheiterten. Was ich nicht wusste, war, dass diese Aufgabe in den damals letzten 20 Jahren tatsächlich keiner gelöst hatte. Selbst bis zu 20 Berater konnten die tatsächlich umsatz- und gewinnstarke Firma wirklich gerade so am Leben halten, wobei deren Rolle meines Erachtens zu undurchsichtig und zu unaufrichtig gewesen sein musste, da mir Jahre später bewusst wurde, wie nahe ich der recht einfachen Lösung war und wie kompliziert sich die Umsetzung in der Praxis hätte gestalten würden. Jeder hat sich sicher gefragt, warum ist eine Sache so, warum macht man das nicht anders und wieso sehe ich das nur so? Keine Sorge, das ist ein guter Hinweis. Die ersten Schritte bei einer umfassenden und verstehenden Analyse sind fragend, warum das so ist, wem das nützt, was vor sich geht und wie das hier so abläuft? Verliere dich aber nicht in einer Fragerei um seiner selbst willen. Stehe mit beiden Beinen im arbeitserfahrenen und bodenständigen Mittelstand und habe eine solide Berufserfahrung vorzuweisen. Nicht wenige Berater versagen da schon, da sie nie in der Branche oder überhaupt irgendwo jemals gearbeitet haben oder, wie in meinem Fall, frisch vom Studium kamen. Jede Firma wird im Grunde genommen gesund geboren. Es gibt ein Produkt, das gefertigt wird, das gemocht wird und das sich anfänglich gut verkauft. Mit der Zeit verändern sich aber nicht nur die Marktanforderungen, sondern auch die Unternehmung. Was vor mehr als 10 Jahren Wachstum, Wohlstand und Zukunft versprach, wirkt heute mitunter verlangsamend, fehlleitend und auflösend. Ja, Firmen ändern sich. Mitarbeiter kommen und werden, genau dann, wenn du sie am nötigsten brauchst, gehen, auch in die Rente. Praxisnahe Lösungen können in ein komplexes nicht steuerbares Geflecht von undurchsichtigen Handlungsweisen umschlagen, die eine Firma ins unbemerkte Schlingern und zum unausweichlichen Kippen bringt. Die gute und durchdachte Analyse setzt genau da an. Was war, was ist und warum war das so? Eine durchdachte Lösung wird dabei oft naheliegend, recht einfach und für jeden einleuchtend sein. Die Komplexität hat dir die Unsteuerbarkeit und damit erst die Probleme gebracht. Seht dieses Buch als unterhaltsamen Erlebnisbericht und als meine subjektive Interpretation des Mittelstands und legt die Lösungen nicht allzu schwer auf die Goldwaage.

      02. Blockheizkraftwerke

      März 2017 ... Es war der übergroße kaufmännische Leiter, der mit seinem handgenähten blauen Tweet meine ganze Aufmerksamkeit erhalten sollte. Seine Weise, mir die alltäglichen Dinge zu erklären, war bemerkenswert. Eine mittelständische Firma inmitten der grünen Landwirtschaft Niedersachsens, die sich auf die Wartung und Reparatur von Verbrennungsmotoren bis 10.000 PS spezialisiert hatte, war Jahre auf der Suche nach Gewinn und Rentabilität. Interessanterweise wusste dieser Kaufmann immer, wo sich welche Fehler in welcher Art und Umfang bei welchen Mitarbeitern befanden. Ein Blick in die Büros entschärfte die Situation und erhellte den vorliegenden Fall. Wie die Eichhörnchen saßen die lieben Leute völlig ahnungslos nebeneinander. Nicht wenige der fleißigen Anwesenden wussten nicht viel um die Profitabilität der Firma. Sie tappten schon immer im Dunkeln. Ich denke, die Probleme, warum seit Jahren keine vernünftigen Gewinne erwirtschaftet wurden und damit auch kaum Steuern zu zahlen waren, lagen direkt in den geführten Bereichen meines Gesprächspartners. Das Unternehmenscontrolling, die Produkt-Kalkulation und der EDV-Bereich, eben jene im Einfluss des allwissenden kaufmännischen Leiters, sollten meiner Meinung nach stark in Organisation, Aufgaben und Verantwortung verändert werden. Ja, ich denke, hier kann vieles zum Besseren geändert werden, denn es ist sehr hilfreich zu wissen, dass das Reparaturgeschäft ein stabiles und saisonunabhängiges Geschäft und immer ertragreich ist. Die technisch bedingten kurzen Fertigungs-, Reparatur- oder Durchflusszeiten garantieren Klarheiten. Die Quartalsergebnisse werden kaum schwanken, was sie aber taten. Jeder Monat ist ein Abbild von Jahresgewinn, Betriebsrentabilität und Fertigungsproduktivität, sowie Vorschauen, Szenarioanalysen und Trendentwicklungen, doch die Firma und ihre Beteiligungen waren nicht in einer Konzernstruktur organisiert. Gerade bei nur 400 Beschäftigten hätte sich das Niederlassungsmodell angeboten und nicht die wilden GmbH Gründungen. Dieses Vorgehen nimmt man gern, um die Gewinn- und Geldströme durch Hin- und Herschieben bei internen Verrechnungen zu verschleiern. Ich denke, dass heute keiner mehr weiß, wo welcher Ertrag entsteht. Das Reparaturgeschäft ist immer profitabel. Die Kalkulation und der Prozess der Berechnung sind relativ einfach, aber sollten in dem Beispiel ebenso zu hinterfragen sein, da sie die Quelle des Plangewinns sind, doch dieser verharrte bei um die Null. Ein vertiefter Blick in die gelebte interne Berichterstattung würde noch viel mehr offenbaren. Im Reparaturgeschäft bei Industrieanlagen gibt es meistens Kosten-plus-Gewinn Bestellungen und selten Pauschalpreise. Allein das garantiert stabile Gewinne. Aber was war die Realität? Sehr schwankende Gewinne um die Null Euro EBT. Manchmal Minus, manchmal Plus. So genau wusste das keiner. Hier merkt man eine äußerst schwache Buchhaltungsdisziplin ohne große Verantwortung, viel Chaos in den Abläufen und eine schlecht geführte interne Bestelllogistik. Ja, die Entnahmen, die Arbeit und die Auslieferungen wurden suboptimal von unfähigen Führungskräften organisiert. Dieses gewünschte Arbeiten auf Sicht bei Bodennebel und nach engen Terminen bremste die gesamte Firma aus und war sicher der Anlass, intelligente und aufbaufähige Mitarbeiter aus der Firma zu drängen. Hier wurde ein Unsinn in Reinform täglich zelebriert und nicht nur geduldet, sondern absichtlich gezielt aufgebaut, um von den eigenen fachlichen, organisatorischen und menschlichen Schwächen abzulenken. Diese reinen Führungsunzulänglichkeiten sind nicht selten anzutreffen. Erschwerend kam hinzu, dass die EDV als amateurhafte undurchsichtige Parallelorganisation mit komplexen Entscheidungswegen zu ungesund für eine einfache, aber moderne und motivierte Reparaturtruppe war. So ausgebildet die Werker, so intransparent war die EDV und deren Entscheidungsgewalt. Jeder gute Gedanke der Mitarbeiter wurde ausgebremst, nur um nicht eingestehen zu müssen, dass hier intelligente Leute am Werk waren. Diese Schwächen ließen ein sicheres Geschäft höchst instabil erscheinen und schlussendlich auch werden. Sicher könnte man hier von einer dreisten Steuerverkürzung basierend auf Korruption bei rückzahlungswilligen Lieferanten und wirtschaftlich abhängigen Mitarbeitern sprechen, doch es war etwas anderes, was man zum damaligen Zeitpunkt wollte. Diese Firma wollte nur weitere komplexe Erklärungen und wohlklingende Ausreden für die nächste jährliche Betriebsprüfung abschöpfen.

      03. Werkzeugmaschinen

      April 2017 ... Mitten im Thüringer Wald steht ein hochmoderner Maschinenbauer, der seit den 1970er Jahren eine der modernsten Fertigungsstätten Europas sein Eigen nennt und tatsächlich weltbekannt ist. Diese beschauliche und angenehme Firma hatte moderne Gebäude, neue Maschinen, klimatisierte Fertigungshallen, motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, aber eine unerklärliche sehr geringe 2% Umsatzrendite. So, jetzt ist es gut zu wissen, dass sie schlanke Methoden ohne Verschwendung in Materialeinsatz, Wegebenutzung, Fertigungs- und Verwaltungszeit, Menschen und Informationen anwendeten. Mit Lean ist eine Firma, so wie diese, damit rund zehnmal produktiver und profitabler als der normale hart arbeitende Mittelstand. Unglücklicherweise wurde diese schlanke Produktion in Philosophie (sehr wichtig), Theorie und Praxis aber nicht wirklich begriffen. Lean ist keine Software, die man aufspielt! Die Organisation und die Abläufe in der Fertigung waren perfekt, nur der große Einfluss des Alltäglichen war nicht bewusst. Das automatische Kleinteilelager war praktisch und sehr erklärbar lahmgelegt! Die Produktionsabläufe wurden viel zu komplex dargestellt und konnten nicht auf Effizienz überwacht werden! Die mit der Zeit gewachsene Komplexität, auch in der Berichterstattung, bremste vieles gut aus. Der Maschinenbau lebt vom entwickelnden Engineering. Unnütze Aktionen der Verwaltung, allgemeiner Leerlauf und nicht genutzte geistige Kapazitäten gab es reichlich. Das System war in sich zufrieden und gedanklich

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