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es weiterhin stützte, fiel es in seine Arme. Er lächelte, und das Mädchen errötete tief. Es löste sich aus seinen Armen, und einen Augenblick sahen sie sich gegenseitig an.

      ›Das wäre eine reizende Gefängnisgenossin‹, sagte sich Fabrizzio. ›Welche Versonnenheit hinter dieser Stirn! Sie muß zu lieben verstehen!‹

      Der Wachtmeister kam gewichtig heran und fragte: »Welche von den Damen heißt Clelia Conti?«

      »Ich«, sagte das junge Mädchen.

      »Und ich«, setzte der alte Herr hinzu, »bin der General Fabio Conti, Kammerherr Seiner Hoheit des Fürsten von Parma. Ich finde es im höchsten Grade unziemlich, daß ein Mann meines Standes wie ein Dieb behandelt wird.«

      »Als Sie sich vorgestern im Hafen von Como einschifften, haben Sie da nicht den Polizeiinspektor, der nach Ihrem Paß fragte, grob abgewiesen ? Nun, heute vergilt ers.«

      »Mein Boot war schon abgestoßen. Ich hatte Eile. Ein Unwetter war im Anzug. Ein Mann ohne Uniform rief mir vom Staden zu, ich sollte in den Hafen zurückkehren. Ich habe ihm meinen Namen zugerufen und meine Fahrt fortgesetzt.«

      »Und diesen Morgen haben Sie sich aus Como gedrückt?«

      »Ein Mann wie ich braucht keinen Paß, um von Mailand aus den Comer See zu besuchen. Heute morgen sagte man mir in Como, ich werde am Tor angehalten werden. Ich bin mit meiner Tochter zu Fuß weggegangen, in der Hoffnung, auf der Straße irgendeinen Wagen zu treffen, der uns nach Mailand brächte, wo ich sicherlich meinen ersten Besuch dem Kommandierenden General mache, um mich zu beschweren.«

      Der Wachtmeister war zweifellos eine große Sorge los.

      »Sehr wohl, Herr General! Sie sind verhaftet und folgen mir nach Mailand! – Und Sie, wer sind Sie?« fragte er Fabrizzio.

      »Mein Sohn,« warf die Gräfin rasch ein, »Ascanio, Sohn des Generalleutnants Pietranera.«

      »Ohne Paß, Frau Gräfin?« fragte der Wachtmeister sehr höflich.

      »In seinem Alter hat er noch nie einen gehabt; er reist niemals allein, sondern stets mit mir.«

      Während dieses Gesprächs zeigte sich der General Conti den Gendarmen gegenüber mehr und mehr in seiner Würde gekränkt.

      »Kein Wort weiter!« rief einer von ihnen. »Sie sind verhaftet, und damit basta!«

      »Danken Sie noch Ihrem Schöpfer,« sagte der Wachtmeister, »daß wir Ihnen erlauben, sich irgendein Bauernpferd zu mieten; andernfalls marschieren Sie trotz Staub und Hitze und trotz Ihrem Range als Kammerherr von Parma ganz einfach zu Fuß zwischen unseren Pferden!« Der General begann zu fluchen.

      »Wollt Ihr wohl ruhig sein?« wiederholte der Gendarm. »Ich sehe keine Generalsuniform. Da könnte jeder kommen und sagen, er sei General.«

      Der General erboste sich noch mehr. Unterdessen hatten sich die Umstände im Wagen bedeutend gebessert. Die Gräfin behandelte die Gendarmen, als ob sie ihre Dienstboten wären. Sie gab einem einen Taler, er solle aus einem Bauerngut, das man in einer Entfernung von zweihundert Schritt liegen sah, eine Flasche Wein und vor allen Dingen frisches Wasser holen. Es war ihr auch gelungen, Fabrizzio zu beruhigen, der darauf bestanden hatte, sich in das Gehölz auf dem Hügel zu retten. »Ich habe gute Pistolen!« hatte er gesagt. Dann setzte sie bei dem wütenden General durch, daß seine Tochter im Wagen Platz nehmen durfte. Bei dieser Gelegenheit erzählte der General, der gern von sich und seiner Familie sprach, den Damen, daß seine Tochter erst zwölf Jahre alt sei; sie sei am 27. Oktober 1803 geboren, aber alle Welt halte sie für vierzehn oder fünfzehn, so gescheit sei sie.

      ›Ein ganz gewöhnlicher Mensch!‹ sagten die Augen der Gräfin zur Marchesa. Der Gräfin war es zu danken, daß die Angelegenheit nach einstündiger Verhandlung ins reine kam. Ein Gendarm, der in einem Nachbardorfe zu tun hatte, lieh dem General Conti sein Pferd, nachdem ihm die Gräfin gesagt hatte: »Sie bekommen zehn Franken dafür!«

      Der Wachtmeister ritt mit dem General weg; die anderen blieben unter einem Baum in Gemeinschaft mit vier großen Flaschen Wein, die der nach dem Gehöft entsandte Gendarm mit Hilfe eines Bauern herbeigebracht hatte. Keiner dachte mehr daran, den Sohn des braven Generals Grafen Pietranera festzunehmen.

      Nach den ersten Augenblicken, die der Höflichkeit und der Erörterung des kleinen Zwischenfalls galten, bemerkte Clelia Conti, mit welchem Anflug von Begeisterung die schöne Gräfin mit Fabrizzio sprach; sicherlich war sie nicht seine Mutter. Ihre Aufmerksamkeit wurde besonders erregt durch wiederholte Anspielungen auf etwas Heldenhaftes, Tollkühnes, im höchsten Grade Gefahrvolles, das vor kurzem stattgefunden haben mußte; aber trotz ihrer Klugheit konnte die junge Clelia nicht erraten, worum es sich handelte.

      Mit Verwunderung beobachtete sie den jungen Helden, dessen Augen noch das ganze Feuer der Tat zu sprühen schienen. Er seinerseits war ein wenig betroffen über die seltsame Schönheit des jungen zwölfjährigen Mädchens, das unter seinam Blick errötete.

      Eine Wegstunde vor Mailand sagte Fabrizzio, er wolle seinen Onkel besuchen, und verabschiedete sich von den Damen.

      »Wenn meine Sache günstig ausläuft,« sagte er zu Clelia, »so werde ich mir die schönen Gemälde in Parma ansehen, und vielleicht haben Sie dann die Gnade, sich meines Namens zu erinnern: Fabrizzio del Dongo.«

      »Ausgezeichnet!« sagte die Gräfin. »Du verstehst dein Inkognito zu wahren! Signorina, erinnern Sie sich gütigst, daß dieser Schlingel mein Sohn ist und Pietranera, nicht del Dongo heißt!«

      Abends, sehr spät, schlich sich Fabrizzio in Mailand durch die Porta Rense ein, die nach einer beliebten Promenade führt. Die Reise der beiden Diener nach der Schweiz hatte die sehr geringen Ersparnisse der Marchesa und ihrer Schwägerin erschöpft. Zum Glück besaß Fabrizzio noch ein paar Goldstücke und einen Diamanten, den man zu verkaufen beschloß.

      Die Damen waren in der ganzen Stadt beliebt und bekannt. Die angesehensten Persönlichkeiten von der österreichischen regierungstreuen Partei verwandten sich zugunsten Fabrizzios beim Baron Binder, dem Polizeidirektor. Sie sagten, sie begriffen nicht, wie man den Streich eines sechzehnjährigen Jungen ernst nehmen könne, der sich mit seinem älteren Bruder zankt und ausreißt.

      »Es ist mein Beruf, alles ernst zu nehmen«, antwortete mild der Baron Binder, ein kluger und griesgrämiger Mann. Er richtete damals die berüchtigte Mailänder Polizei ein und hatte sich verpflichtet, einer Revolution vorzubeugen wie der von 1746, die die Österreicher aus Genua verjagt hatte. Die Mailänder Polizei, die seitdem durch die Erlebnisse von Silvio PellicoSilvio Pellico (1789-1854), der Dichter der ›Francesca da Rimini‹, einer der Märtyrer des Risorgimentos. Von 1820 bis 1830 war er in Mailand, Venedig und schließlich auf dem berüchtigten Spielberg eingekerkert. Sein berühmtes Buch ›Le mie prigioni‹ (Meine Gefängnisse) ist 1833 erschienen. und Andryane so berühmt geworden ist, war nicht eigentlich grausam. Sie waltete verstandesgemäß und mitleidslos nach strengem Gesetz. Kaiser Franz II. wollte die kühne italienische Phantasie durch Schrecken lähmen.

      »Geben Sie mir«, wiederholte der Baron Binder Fabrizzios Gönnern, »einen nachweisbaren Bericht, was der junge Marchesino del Dongo Tag für Tag getan hat. Verfolgen wir ihn vom Augenblick seiner Abreise aus Grianta, vom 8. März, bis zu seiner Ankunft gestern abend hier in der Stadt, wo er sich in der Wohnung seiner Mutter verborgen hält, und ich bin bereit, ihn als den liebenswürdigsten, wenn auch übermütigsten jungen Mann in Mailand zu behandeln. Wenn Sie mir aber den Reiseweg des jungen Mannes seit seiner Abreise aus Grianta nicht Tag für Tag angeben können, ist es dann nicht meine Pflicht, ihn trotz seiner vornehmen Geburt und trotz aller Hochachtung vor den Freunden seiner Familie verhaften zu lassen? Muß ich ihn nicht in Haft behalten, bis er mir den Beweis liefert, daß er Napoleon keine Vorschläge überbracht hat von einigen Unzufriedenen, die in der Lombardei unter den Untertanen Seiner Kaiserlichen und Königlichen Majestät sein können? Beachten Sie fernerhin, meine Herren, wenn es dem jungen del Dongo gelänge, sich in diesem Punkte zu rechtfertigen, so bliebe er immerhin schuldig, ohne vorschriftsmäßig ausgestellten Paß ins Ausland gegangen zu sein, mehr noch, unter falschem Namen und indem er sich wissentlich eines Passes bediente, der einem einfachen Handwerker

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