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die Brücke zu reiten, sondern am rechten Ufer hin‹, sagte sich unser Held. ›Diese Richtung hat mir die Marketenderin empfohlen, damit ich in Sicherheit käme. Gewiß, aber wenn ich die Flucht ergreife, werde ich mich morgen darüber ärgern. Obendrein ist mein Pferd gut auf den Beinen und das des Offiziers wahrscheinlich müde. Wenn er sich unterfinge, mich absitzen zu lassen, galoppierte ich ihm davon.‹

      Mit dieser Überlegung versammelte Fabrizzio sein Pferd und ritt in kurzem Schritt heran.

      »Reiten Sie schneller, Husar!« rief ihm der Offizier im Befehlston entgegen.

      Fabrizzio ritt noch ein paar Schritte und hielt dann.

      »Wollen Sie mir mein Pferd nehmen?« rief er.

      »Fällt mir gar nicht ein. Vorwärts!«

      Fabrizzio sah den Offizier an; er hatte einen weißen Schnurrbart und das ehrlichste Gesicht von der Welt. Das Taschentuch, das seinen Arm trug, war voller Blut; ebenso hatte seine rechte Hand einen blutigen Verband. ›Aber die zu Fuß haben es auf mein Pferd abgesehen‹, sagte sich Fabrizzio; doch als er sie sich näher betrachtete, bemerkte er, daß auch sie verwundet waren.

      »Im Namen der Ehre,« sagte der Offizier, der die Abzeichen eines Obersten trug, »stellen Sie sich hier als Posten auf und sagen Sie allen Dragonern, Jägern und Husaren, die Sie zu sehen bekommen, daß der Oberst Lebaron da im Gasthof ist und ihnen befiehlt, sich unter ihm zu sammeln!«

      Der alte Oberst hatte schmerzentstellte Züge. Vom ersten Wort an hatte er unseren Helden gewonnen.

      Fabrizzio antwortete ihm verständig: »Herr Oberst, ich bin zu jung, als daß man auf mich hörte. Bitte um schriftlichen Befehl.«

      »Er hat recht«, sagte der Oberst und sah ihn wohlgefällig an. »Schreib den Befehl, Larose; du hast eine rechte Hand!«

      Ohne etwas zu sagen, zog Larose aus seiner Tasche ein kleines Merkbuch, schrieb ein paar Zeilen, riß das Blatt heraus und händigte es Fabrizzio aus. Der Oberst wiederholte seinen Befehl, indem er hinzufügte, daß er nach zwei Stunden vorschriftsmäßig durch einen der drei verwundeten Reiter von seinem Posten abgelöst werde.

      Nachdem er das gesagt hatte, ging er mit seinen Leuten in das Wirtshaus. Fabrizzio sah ihnen nach und blieb regungslos am Anfang der Holzbrücke stehen, so tief hatte ihn der düstere, wortkarge Schmerz dieser Menschen betroffen.

      ›Man möchte meinen, es seien verzauberte Geister‹, sagte er sich. Nach einer Weile faltete er das Blatt auseinander und las den folgendermaßen abgefaßten Befehl:

      ›Oberst Lebaron vom sechsten Dragonerregiment, Kommandeur der zweiten Brigade der ersten Kavalleriedivision des vierzehnten Armeekorps, befiehlt allen Reitern, Dragonern, Jägern und Husaren, nicht über die Brücke zu reiten und sich im Gasthof zum Weißen Roß an der Brücke, seinem Quartier, unter seinem Kommando zu sammeln.

      Gegeben an der Sainte-Brücke am 19. Juni 1815. Auf Befehl des am rechten Arm verwundeten Obersten Lebaron Larose, Wachtmeister.‹

      Kaum stand Fabrizzio eine halbe Stunde an der Brücke auf seinem Posten, als er sechs Jäger zu Pferd und drei zu Fuß kommen sah. Er teilte ihnen den Befehl des Obersten mit.

      »Wir kommen sogleich wieder«, erwiderten vier von den Berittenen und ritten in starkem Trab über die Brücke. Fabrizzio unterhandelte nun mit den beiden anderen. Während des Wortwechsels, der immer lebhafter wurde, überschritten die drei Unberittenen die Brücke. Einer von den beiden Berittenen, die zurückgeblieben waren, verlangte schließlich den Befehl zu sehen, und indem er ihn nahm, sagte er: »Ich will ihn meinen Kameraden zeigen. Die werden gleich umkehren. Verlaß dich drauf!«

       Damit galoppierte er von dannen. Sein Kamerad folgte ihm. Alles das geschah im Handumdrehen.

      Voller Wut rief Fabrizzio einen der verwundeten Soldaten, der an einem Fenster des ›Weißen Rosses‹ erschien. Der, ein Wachtmeister, wie Fabrizzio an seinen Tressen sah, kam heraus und rief von weitem: »Zieh den Säbel! Du stehst doch Wache!«

      Fabrizzio gehorchte. Dann meldete er: »Sie haben mir den Befehl weggenommen.«

      »Den Kerlen steckt noch die gestrige Geschichte in den Gliedern!« sagte der Wachtmeister mit finsterer Miene. »Ich will dir eine meiner Pistolen geben. Will man wieder den Übergang erzwingen, so schieße sie in die Luft ab. Ich werde kommen, oder der Oberst wird selbst erscheinen.« Fabrizzio hatte sehr wohl bemerkt, daß der Wachtmeister bei der Meldung von der Wegnahme des Befehls eine empörte Gebärde gemacht hatte. Er begriff, daß man ihm einen persönlichen Schimpf angetan hatte, und er gelobte sich, sich nicht wieder zum besten halten zu lassen.

      Mit der Sattelpistole des Wachtmeisters bewaffnet, nahm Fabrizzio seinen Posten stolz wieder ein. Da sah er sieben berittene Husaren anreiten. Er hatte sich so aufgestellt, daß er die Brücke sperrte. Er teilte ihnen den Befehl des Obersten mit. Die Reiter sind wenig erbaut darüber. Der keckste versucht durchzukommen. Fabrizzio, eingedenk einer weisen Lehre seiner Freundin, der Marketenderin, die ihm einmal gesagt hatte, man müsse stechen und nicht hauen, senkt die Spitze seines langen Pallaschs und macht Miene, dem, der den Übergang erzwingen will, einen Stich beizubringen.

      »Was, er will uns zu Leibe, der grüne Junge?« schreien die Husaren. »Als ob gestern nicht gerade genug von uns gefallen wären!«

      Alle miteinander ziehen ihre Säbel und stürmen auf Fabrizzio ein. Er hält sich für verloren, aber er denkt an die empörte Gebärde des Wachtmeisters und will nicht von neuem mißachtet werden.

       Auf seine Brücke zu weichend, trachtet er danach, zu stechen. Es sah drollig aus, wie er seinen langen geraden Säbel, einen Pallasch der schweren Reiter und viel zu schwer für ihn, handhabte, so daß die Husaren alsbald wußten, mit wem sie es zu tun hatten. Nun suchten sie ihn nicht zu verwunden, sondern ihm nur den Rock vom Leibe zu säbeln. So erhielt Fabrizzio drei bis vier flache Hiebe über die Arme. Er seinerseits, der Vorschrift der Marketenderin weiter getreu, stach tapfer darauf los. Unglücklicherweise verletzte er einen Husaren mit seiner Säbelspitze an der Hand. Äußerst ergrimmt, von so einem Soldaten verwundet worden zu sein, stach er als Antwort fest zu und traf Fabrizzio in den Oberschenkel. Der Stich ging um so tiefer, als das Pferd unseres Helden, statt dem Geplänkel zu entfliehen, offenbar Gefallen daran fand und den Angreifern entgegendrängte. Als diese das Blut an Fabrizzios rechtem Bein herabrinnen sahen, ward ihnen bange, den Scherz zu weit getrieben zu haben. Sie drückten ihn gegen das linke Brückengeländer und machten sich im Galopp davon. Sobald Fabrizzio frei war, schoß er seine Pistole in die Luft ab, um den Obersten zu rufen.

      Vier Husaren zu Pferd und zwei zu Fuß vom selben Regiment wie die früheren näherten sich der Brücke und waren noch zweihundert Schritt davon entfernt, als der Pistolenschuß fiel. Sie hatten den Vorgang auf der Brücke von weitem genauestens beobachtet, und in der Annahme, Fabrizzio hätte auf ihre Kameraden geschossen, sprengten die vier Berittenen mit ausgelegten Säbeln auf ihn los. Es war ein regelrechter Angriff.

      Durch den Pistolenschuß aufgeschreckt, trat der Oberst Lebaron eilends aus der Tür des Gasthofes und war gerade in dem Augenblick auf der Brücke, als die Husaren angeritten kamen. Er befahl ihnen persönlich Halt.

      »Hier gibts keinen Oberst mehr!« rief einer von den vieren und drückte sein Pferd vorwärts.

      Außer sich vor Zorn, hielt der Oberst in seinen Vorhaltungen inne und ergriff mit seiner rechten verwundeten Hand den rechten Zügel dieses Reiters.

      »Halt, Saukerl!« rief er dem Husaren zu. »Ich kenne dich. Du bist von der Schwadron des Rittmeisters Henriet!«

      »Dann mag mir der Rittmeister selber den Befehl geben! Rittmeister Henriet ist gestern gefallen und wird dir eins pfeifen!« höhnte der Husar.

      Bei diesen Worten will er den Übergang erzwingen und überreitet den alten Oberst, so daß er auf den Brückenbelag stürzt, wo er sitzen bleibt. Fabrizzio, der zwei Schritt hinter ihm auf der Brücke steht, auf der dem Gasthof entgegengesetzten Seite, treibt sein Pferd an. Während das Pferd, das der Oberst krampfhaft am Zügel festhält, diesen ganz umwirft, bringt der empörte

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