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kurz am Kinn und verkündete dann: »Nehmen Sie es einfach als Vorgeschmack auf zu erwartende Genüsse hin.« Damit verschwand sie in Richtung Küche.

      »Immerhin al dente«, sagte Melzick, die sich bereits ein Stück einverleibt hatte. »Sie wissen ja, Chef, schön langsam essen.«

      »Ich werde mich hüten«, sagte er, ließ seine acht Minispaghetti auf einen Rutsch in seinem Mund verschwinden und kaute drei bis vier Mal. »So, das wäre erledigt.« Melzick nahm die zweite Nudel zwischen Daumen und Zeigefinger.

      »Schilling ist für alles zuständig.«

      »Das heißt, wenn es etwas zu entscheiden gibt, dann …«

      »Genau. Dann ist das seine Sache und zwar ausschließlich, wie er mehrmals betonte. Meine Frage nach einem Organigramm, die ich mir nicht verkneifen konnte, fasste er dann prompt als Beleidigung auf. Fischli ist der Einzige, den man als so eine Art Abteilungsleiter ansehen könnte. Aber auch nur weil er der Älteste und Erfahrenste der acht Bademeister ist. Es gibt da noch eine Reihe von Mitarbeiterinnen, die sich bei der Betreuung, Beratung, Aufsicht und beim Empfang im Wellness- und Saunabereich abwechseln. Dann haben wir noch die Kassiererinnen, das Personal im Restaurant und im Bistro und die Leute, die in den Ladengeschäften arbeiten. Vier Haustechniker sorgen im Wechsel für den reibungslosen Ablauf. Ich habe hier eine Liste der Mitarbeiter, die heute Morgen anwesend waren. Hinter jedem Namen ist das Eintrittsdatum vermerkt, Sie werden feststellen, dass es kaum jemanden gibt, der länger als zwei Jahre dort arbeitet. In der technischen Zentrale …«

      »Die hat mir Fischli gezeigt«, unterbrach Zweifel ihren Bericht.

      »Dann haben Sie mit dem Techniker sprechen können?«, fragte Melzick. Zweifel nickte kurz.

      »Der Mann war mit den Nerven fertig. Hat wohl erst vor ein paar Monaten hier angefangen und ist noch in der Probezeit. Er konnte mir nicht sagen, was mit der Haustechnik los war, außer dass von einer Sekunde auf die andere praktisch nichts mehr funktioniert hat. ›Die elektronische Steuerung hat gemacht was sie wollte‹, waren seine Worte.« Melzick war bei der dritten Nudel angelangt.

      »Ich glaube eher, die hat gemacht, was jemand anderes wollte. Das hört sich sehr nach einem Hackerangriff an.«

      »Jetzt futtern Sie doch endlich mal Ihre Vorspeise, der Anblick macht mich ganz kribbelig.« Melzick gehorchte umgehend und fuhr kauend fort.

      »Ein Sicherheitskonzept gibt es immerhin. Auf dem Papier.«

      Zweifel nickte.

      »Adnan, der jüngere Bademeister hat mir bestätigt, dass es für solche Notfälle nichts taugt. Da geht es ausschließlich um vorbeugende Verhaltensmaßnahmen.«

      »Sowas wie: ›Wenn Schilling kommt in die tiefe Hocke gehen und Arme über den Kopf‹?« Zweifel nickte.

      »Muss ja einen Grund geben, dass die Leute hier so rasch wieder aufhören zu arbeiten. Haben Sie übrigens rausgefunden, wer heute Vormittag diese verunglückten Durchsagen verbrochen hat?«

      »Nein.«

      »Wie nein?«

      »Ich weiß zwar, wer normalerweise die Durchsagen macht. Es sind zwei Studentinnen, die sich alle paar Tage abwechseln. Ihre Namen hab ich ganz unten separat auf der Liste notiert. Charlotte Burg wäre erst ab übermorgen an der Reihe

      gewesen. Sie steckt mitten in der Vorbereitung für die Semesterprüfungen. Henriette Kohler wäre demnach heute dran gewesen.«

      »Also, Melzick, wo ist das Problem?«

      »Sie ist nicht erschienen.«

      »Woher wissen wir das?«

      »Die haben ein Zeiterfassungssystem in der Therme. Eine von Schillings ›innovativen Maßnahmen zur Mitarbeiterführung‹.«

      »Aha, und was sagt uns das?«

      »Sie hat sich heute nicht angemeldet. Sie war nicht da. Als sich das bei unserer kleinen Konferenz herausstellte, war Schilling sichtlich überrascht.«

      »Wer hat denn dann die Durchsagen gemacht, zum Teufel?«

      »Henriette Kohler jedenfalls nicht. Schillings Sekretärin hat wie wild herumtelefoniert, aber die Kohler hat niemand gesehen.«

      »Interessant. Fischli hat erwähnt, dass er die Stimme von heute noch nie gehört habe. Das heißt im Klartext«, sagte Zweifel und lehnte sich vor, »wer auch immer die Durchsagen machte, führte Böses im Schilde und kam von außerhalb. So wurde die Panik erst richtig angefeuert.«

      »Dazu passen die verriegelten Türen und die Rauchgasbomben. Da hat jemand ganz gezielt ein Chaos inszeniert.«

      »Die Frage ist«, sagte Zweifel und rieb mit der Linken über seine Glatze, »ob dieser Jemand auch für die Leiche in der Stollensauna zuständig ist.« Melzick lehnte sich zurück. Maitre Max war mit zwei großen, dampfenden Tellern voller Spaghetti an ihren Tisch getreten.

      »Ich vermisse die Parallelen«, sagte Zweifel mit kritischem Blick auf seine riesige Portion. Maitre Max schaute ihn an wie einen Schüler, der nach Extraferien fragt.

      »Wie Sie vielleicht wissen«, hob er zu einer geduldigen Erläuterung an, »ist ein wesentliches Phänomen von Einsteins Relativitätstheorie der gekrümmte Raum.« Zweifel nickte und schaute ihn gespannt an. »Nun, wir haben diese Theorie um eine kulinarische Komponente erweitert. Durch die Krümmung der Nudel entsteht mehr Raum für Sugo.«

      »Sie sollten im Theater auftreten.«

      »Das tue ich bereits. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Studium Ihrer Teller.« Womit er sich entfernte.

      »Alfo, mir fmeckt bie Theorie«, meinte Melzick mit vollem Mund. Zweifel griff zu Löffel und Gabel.

      »Hat der gute Schilling eine plausible Erklärung dafür gehabt, warum die Polizei nicht sofort gerufen wurde?«

      »Darf ich einen Wunsch äußern, Chef?« Zweifel hob fragend die Augenbrauen. »Bei uns zuhause galt früher mal die nervige Regel, beim Essen die Klappe zu halten. Das hab ich nie verstanden und ich habs auch nie geschafft.« Zweifel ahnte wohin der Hase lief.

      »Aber jetzt sind Sie älter und weiser geworden.«

      »Genau. Jetzt hab ich den Grund verstanden und mir vorgenommen, beim Essen nur zu essen und zu essen und sonst nichts zu tun. Hört sich das schräg an?« Zweifel wartete mit seiner Antwort, weil er den Mund gerade voller Spaghetti in köstlicher Sugo-Begleitung hatte. Dann hob er den Daumen und nickte. Und während die beiden sich schweigend in ihr Spaghetti-Studium vertieften, gelang es ihnen beinahe, den Fall zu vergessen.

      9. Kapitel

      Lucy war so in den ellenlangen Artikel über Theo Kronberger vertieft, dass sie den Mann mit dem Schnauzer erst bemerkte, als er sich mit beiden Ellenbogen auf ihren Tresen lehnte. Mit der Rechten hielt er ihr einen Presseausweis vor die Nase.

      »Tachchen, Reisser, Mindelheimer Zeitung, ich bin der Erste, will ich hoffen«, sagte er und ließ einen Raucherhusten vom schwersten Kaliber hören. Lucy lehnte sich zurück, verschränkte ihre massigen Arme vor ihrer massigen Oberweite und runzelte die Stirn. Dieser Mensch war ihr auf Anhieb so unsympathisch wie kalte Pommes.

      »Nee, Meister, außer Ihnen waren schon alle da«, war ihre prompte Antwort. Einen Moment lang stutzte er, dann verzog er den Mund zu einem gelbzahnigen Lächeln.

      »Nicht mit mir, hübsche Frau. Ich bin es gewohnt, der Erste zu sein.« Er senkte seine Reibeisenstimme etwas. »Und wenn ich der Einzige bleibe, soll mir das schon was wert sein. Sagen Sie den Kollegen von der Konkurrenz einfach, Sie wüssten von nichts.« Er ging noch etwas tiefer mit seiner Stimme. »Und mir flüstern Sie einfach alles ins Ohr, wie wär’s?«

      »Allein bei dieser Vorstellung rollen sich meine Fußnägel auf und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Ihr Nikotin nicht in meine Richtung ausatmen. Vielleicht verzichten Sie überhaupt aufs Ausatmen, wie wäre das?« Er stieß einen

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