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nur über mich geworfen wurde. Die Kälte kroch über meine Haut. Ich öffnete die Augen. Er saß verkehrt herum auf einem Stuhl, stützte seine Arme verschränkt auf der Lehne ab und sah mich an. Mir dröhnte der Schädel und ich hatte keinen Schimmer, wie lange ich ohnmächtig gewesen war. Mein geschundener Körper schmerzte an jeder Stelle.

      Ich begriff, dass dieser Mann nicht gut für mich war und ich fragte mich, was ich so Liebenswertes an ihm gefunden hatte, jetzt, als seine Maske gefallen und ich sein wahres Gesicht kennen gelernt hatte. Am schlimmsten war es zwischen meinen Beinen, es fühlte sich an, als hätte er mir alles aufgerissen.

      »Zieh dich an, wir müssen los«, sprach er ohne jegliches Mitgefühl und ich zog mich wie in Zeitlupe an.

      »Darf ich mich verabschieden?«, fragte ich in meiner ganzen Naivität und begriff durch sein spöttisches Lachen, was er von meiner Frage hielt.

      »Schließ die Augen!«, befahl er und ich gehorchte. Niemals hätte ich gedacht, dass er es je schaffen würde, mich mit in die Unterwelt zu nehmen.

Grafik 11

      KAPITEL 5

      Der Weg zum Höllenschlund war geprägt von Leid und Kummer. Gepflastert mit gescheiterten Seelen und jenen, die nie wieder von hier wegkamen, denen aber auch der Weg zurück in die Hölle verbaut war. Sie vegetierten in der Zwischenwelt und fristeten ihr Dasein. Man sagt sich, die Seele zerbricht, wenn man ihnen in die Augen blickt und es führte einen dann selbst hierher.

      Wir glitten durch die triste Welt der Untoten und traten auf die Knochen der gebrochenen Seelen. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwarten würde und am liebsten hätte ich lauthals losgeschrien und wäre abgehauen, aber es war zu spät, ich war mehr oder weniger freiwillig hier und das lebendig. Meine Hoffnung, hier lebend heraus zu kommen schwand mit jedem Schritt, den wir weiter hinabstiegen. Wie eine leere Hülle folgte ich Damian willenlos.

      Nach einer halben Ewigkeit hatten wir die Pforte erreicht, deren schwarzer Eingang vor uns lag wie ein endlos tiefes Loch. Im Inneren brodelte es und die gierigen Flammen peitschten in die Luft als wollten sie uns verschlingen. Sobald ich seiner Forderung nachkommen und diese Welt betreten würde, sähe ich meine alte Welt nie wieder. Nur ein einziger Trost war mir geblieben: Meine Freunde würden am Leben bleiben. Wehmütig blickte ich noch einmal zurück.

      »Zieh nicht so ein Gesicht, was soll Sarah denn denken, wenn sie dich so sieht?«

      Verwundert sah ich zu Damian und verstand nicht, was er mir sagen wollte. Ich dachte, ich hätte mich verhört. »Eigentlich sollte es eine Überraschung sein, aber deine Gedanken lassen mir keine andere Wahl.« Er sah mich streng an und fuhr dann fort. »Sie ist bereits hier und wartet auf dich«, versicherte er mir und war sichtlich amüsiert über die Verblüffung in meinem Gesicht.

      Diese Worte brachten mich dazu, mein Schicksal nicht mehr als schlimmstes Unglück zu sehen. Jetzt hatte ich etwas, worauf ich mich freuen konnte und so trat ich mit einem leichten Lächeln vor die untoten Wächter des Höllenschlundes. Wie Marionetten standen sie leblos und ferngesteuert als Wachen vor dem todbringenden Eingang zur Verdammnis. Es waren zwei identische Statuen aus grauem Speckstein mit leuchtend roten Augen, in die Damian blicken musste, um Zutritt zu erlangen. Sobald er erkannt wurde, traten die Figuren zur Seite und lösten ihre Sperre aus gekreuzten Sensen auf. Jeder verbannte und unerwünschte Geselle würde durch die Augen vernichtet, eine Eigenschaft, von der ich neulich in einem von Monas Büchern gelesen hatte. Dort ging es um Atreju, den tapferen Krieger aus dem Roman Die Unendliche Geschichte, dessen Ziel es ist, Phantásien zu retten. Er blickte in die Augen der Statue und wir durften passieren.

      Vor meinen Augen erstreckten sich riesige Felswände, an denen die Untoten und neue Seelen gefesselt waren. Sie hingen dort in Massen und ihre Leiber erstreckten sich in unendliche Höhen. Er nahm einen tiefen Atemzug und schloss für einen Moment die Augen, als wir angekommen waren. Mit freudig ausgebreiteten Armen öffnete er sie wieder und sah sich um.

      »Schön, wieder zu Hause zu sein.« Ein diabolisches Grinsen zierte sein vernarbtes Gesicht. Sämtliche Dämonen pinnten neue Tote an die Wände und das flehende Geschrei hallte in grausamen Echos wider. Zufrieden blickte er durch die Katakomben und zeigte erneut sein wahres Gesicht. Stolz ließ er seinen Blick über das Werk seiner grausamen Taten schweifen. Während ich diesen Anblick kaum ertragen konnte, ergötzte er sich an dem Leid der Todgeweihten. Ich hatte geahnt, dass es furchtbar werden würde, doch niemals hatte ich hiermit gerechnet. Wie versteinert stand ich dort und es erschütterte mich in vollstem Maße. Das Geschrei und Gejammer waren ohrenbetäubend laut und vermischte sich mit den Peitschenhieben der Dämonen.

      »Sieh genau hin!«, befahl er mir schroff und packte mich so, dass ich keine Möglichkeit mehr hatte, wegzusehen. Seine Hand vergrub sich in mein Haar und er zog meinen Kopf in den Nacken. Mein Rücken stand eng gepresst an seiner Brust. Er wollte, dass ich das gesamte Ausmaß dieser Grausamkeit zu sehen bekam.

      »Es ist gut, dass du Angst hast, das lehrt dich den nötigen Respekt.« Er ließ von mir ab, indem er meinen Kopf aus seinem Griff befreite und unsanft nach vorne stieß. Meine Abscheu gegen diesen Mistkerl wuchs minütlich. Dann lenkte er seine Aufmerksamkeit zu seinen Dämonen. Allesamt unscheinbar, schmächtig und auf irgendeine Weise furchtbar entstellt.

      »Kieran!«, rief er nach einem, der sich zu uns umdrehte und mir vorher nicht weiter aufgefallen war. Anders als die anderen, war er nicht hässlich entstellt, ganz im Gegenteil. Er war groß gebaut, muskulös und hatte ein markant männliches Gesicht. Seine meerblauen Augen waren ein krasser Kontrast zu diesem Umfeld und hypnotisierten mich fast. Ich konnte nirgendwo anders mehr hinschauen als in diese Augen, die mich überraschenderweise auch anstarrten. Es dauerte nur einen kurzen Moment, in dem sich unsere Blicke trafen, bevor er zu Damian schaute, der ihn gerufen hatte. Ich versuchte, ihn nicht anzustarren als er zu uns kam, doch das war unmöglich. Ich bemerkte seine Tattoos, deren Bedeutung ich nicht erkennen konnte. Sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß. Sein braunes Haar fiel ihm lässig ins Gesicht und klebte in feinen Strähnen an seiner Stirn.

      Als er vor mir stand, musste ich meinen Kopf komplett in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können, so groß war er. Damian wirkte fast zierlich neben ihm.

      »Wie viele?«, fragte Damian knapp und sah an ihm vorbei auf die Wand, an der die Untoten angekettet waren.

      Kieran blickte zu mir und dann wieder zu seinem Gebieter. »Wie viele?«, fragte er nochmal, diesmal etwas lauter. »Sie soll es hören.« Damian blickte zu mir herab und hielt mich grob an meinem Oberarm fest. Dann blickte er wieder zu Kieran, der jetzt auch seinen Blick abwendete. Er räusperte sich kurz. »Heute waren es hundertacht.« Damian grinste zufrieden.

      »Einhundertneun.«, sagte er dann und schubste mich, grob und unerwartet, in Kierans Richtung.

      »Aber...«, begann Kieran und verstummte direkt. Es stand ihm nicht zu, Damian zu widersprechen und so packte er mich an meinen Armen. Es war grob, aber nicht so grob wie erwartet. Existenzielle Angst breitete sich in mir aus und Panik drang in meinen Körper, mit aller Gewalt versuchte ich mich zu befreien. Erneut musste ich weinen, es waren Tränen der Verzweiflung und Enttäuschung.

      »Du hast gelogen!«, schrie ich und mir gelang es mich loszureißen, ehe mich die großen Pranken Damians ergriffen und an den Haaren zurück zerrten. Ich hatte begriffen, dass Sarah nicht hier auf mich warten würde. Das alles war nur haltloses Gerede, um mich hierher zu bekommen.

      »Du dummes Ding! Hast du ernsthaft geglaubt, ich könnte eine niedere Kreatur wie dich lieben? Du bist nicht mehr Wert als ein Stück Dreck und du wirst hier unten verrecken.«

      Ich schrie, heulte und schlug um mich, bis er mich mit einer gewaltigen Ohrfeige zum Schweigen brachte. »Nicht mal der Fick hat sich gelohnt«, lachte er mir ins Gesicht und ergötzte sich abermals an meiner Angst. »Du wirst nie wieder das Tageslicht erblicken und Sarah wirst du auch nie wieder sehen, ebenso wie deine nutzlosen Menschenfreunde. Jeder Einzelne von ihnen wird sterben.«

      Es

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