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auf die große Uhr über der Tür. Ich hatte den halben Tag verschlafen, wir hatten weit nach Mittag und Mona war bestimmt schon zur Arbeit aufgebrochen. Langsam richtete ich mich auf und versuchte aufzustehen, doch wieder einmal gaben meine Füße unter meinem Gewicht nach und ich knallte höchst unelegant mit dem Gesicht voran auf dem Boden auf. Ich wusste, warum mir der Teppich so gut gefiel, denn er federte zugleich meinen Abgang ab und hielt mich Tollpatsch davon ab, mich ernsthaft zu verletzen. Missmutig stand ich auf, meine Füße mussten sich an ihre neue Aufgabe gewöhnen, ob sie wollten oder nicht, jetzt ging es nicht mehr anders. Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und linste durch ihn hindurch, aber es war niemand zu sehen. Lediglich der Geruch von frischem Kaffee stieg mir in die Nase und ich freute mich auf ein ausgiebiges Frühstück. Langsam schlurfend nahm ich am Tisch Platz und entdeckte einen Stapel Kleidung auf ihm, obendrauf ein Zettel von Mona:

      ›Guten Morgen Langschläferin,

      Brötchen findest du im Backofen und den fertigen Kaffee dürftest du bereits riechen – fühle dich bitte wie zu Hause. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?

      Die Klamotten habe ich für dich rausgesucht. Sie sind nicht sehr modisch, sollten aber fürs Erste reichen und vor allem dürfte es deine Größe sein. Bin gegen sechs Uhr daheim. Lass es dir gut gehen.

      Küsschen, Mona.‹

      Lächelnd nahm ich die Kleidung vom Tisch und musterte jedes einzelne Stück. Es war sogar ein Blazer dabei, der mich perfekt kleidete, sollte ich die nächsten Tage das Glück haben, für eine Arbeit vorzusprechen. Ich frühstückte in Ruhe, las mir den Lokalteil der Zeitung durch und markierte mir offene Stellenangebote, die meiner Meinung nach zu mir passten. Dann erledigte ich den Haushalt, um mich für die Gastfreundschaft zu bedanken und machte mich für den bevorstehenden Tag fertig. Allmählich freundete ich mich mit dem Gedanken an, ein Mensch zu sein und fand es gar nicht so schlecht, wenn alle Menschen so wie Mona waren, hatte ich doch nichts zu befürchten. Ich beschloss, mich mit der Gegend vertraut zu machen, daher ging ich zu Fuß. Mein Weg führte mich durch den Park, in dem ich Damian zum ersten Mal begegnet war, und ich setzte mich auf dieselbe Bank, auf der Mona jedes Mal Platz nahm, wenn sie hier war. Ich schloss für einen Moment die Augen und genoss die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Meine Gedanken schweiften ab, ich fragte mich, wo er wohl steckte?

      Wegen meiner Liebe zu Luzifers Sohn war ich schließlich hier. Ich hatte eine Lektion zu lernen und sollte ihn schnell vergessen, was aber unmöglich war. Wie soll man denn aufhören zu atmen ohne zu sterben?

      Ich wurde erst aus den Gedanken gerissen, als das helle Licht, welches durch meine geschlossenen Lider brach, verschwand. Neugierig öffnete ich die Augen, es konnten ja nur die Wolken sein, sagte mein Verstand, doch was meine Augen sahen, ließ mein Herz vorfreudig hüpfen. Nicht die Wolken hatten die Sonne vertrieben, er war es. Damian war wortlos vor mich getreten und wartete, bis ich meine Augen öffnete.

      »Hi«, flüsterte ich. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, war ich unfähig normal zu denken, mein Herz klopfte wie wild und ich fühlte mich machtlos. Er nahm meine Hand und zog mich mit einer Leichtigkeit auf die Füße, wie nur er es konnte. Da standen wir nun, unsere Münder wenige Millimeter voneinander entfernt, unsere Sehnsucht lag wie ein Knistern in der Luft und mein Atem stockte in dem Moment, als unsere Blicke sich trafen.

      »Komm mit mir!«, raunte er fordernd gegen meine Lippen, ehe er sie mit seinen versiegelte. Ich verlor den Boden unter mir und meine Knie zitterten. Ich war mir sicher, dass ich sofort umfallen würde, wenn er mich nicht festhielt. Meine Hände umfassten sein Gesicht und ich versank abermals in der Leidenschaft unseres Kusses. Es dauerte einige Zeit, bis sich meine Gedanken gesammelt hatten und ich wieder bei vollem Verstand war und auch wenn mein Herz mir befahl weiter zu machen und nicht an die Konsequenzen zu denken, hörte ich auf meinen Verstand, der mich an Sarah erinnerte und daran, dass ich sie um jeden Preis wieder sehen musste. Meine Liebe zu Damian hatte alles zerstört, sie und ich wurden getrennt, weil ich mich nicht bekehren ließ und alle Warnungen missachtet hatte. Ich löste mich von ihm und streichelte über sein markantes und vernarbtes Gesicht.

      »Ich kann nicht.«, flüsterte ich abermals und senkte den Kopf. Er wusste doch, dass ich ohne Sarah nirgendwo hingehen würde. Ich spürte die Enttäuschung oder das, was ich dafür hielt, denn ich wusste, dass Dämonen nichts dergleichen fühlten. Ich war mir lange Zeit nicht einmal sicher gewesen, ob sie fähig waren zu lieben, aber Damian liebte mich. Dessen war ich mir sicher, denn auch er hatte zu viel aufs Spiel gesetzt und sich des Öfteren gegen seinen Vater gestellt, um bei mir sein zu können. Er schob seinen Zeigefinger unter mein Kinn und hob es an, sodass ich in die wundervollsten blauen Augen sah, die ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte.

      »Ich verspreche dir, ich hole Sarah.« Er küsste meine Stirn. Erneut schüttelte ich den Kopf.

      »Du weißt, dass das nicht geht, Damian. Wie soll ein Engel die Unterwelt betreten? Ich werde nicht zulassen, dass sie verbannt wird, hörst du?« Niemals würde ich zulassen, dass ihr dasselbe geschieht und sie meinetwegen noch mehr Leid ertragen muss. Unsere Eltern waren durch meine Schuld gestorben und jetzt hatte ich sie auch noch alleine gelassen.

      »Em. Vertraust du mir?« Ich nickte.

      »Dann komm mit mir. Du weißt, dass dir niemand etwas anhaben wird und Sarah holen wir so schnell es geht.« Erstaunlicherweise glaubte ich ihm, aber es war jetzt an der Zeit das Richtige zu tun.

      Einmal in meinem Leben wollte ich alles richtig machen und so trat ich einen Schritt zurück und wusste bereits, dass die Worte, die ich gleich aussprechen würde, mir ebenso das Herz brechen würden wie das Seine. Ich hatte keine andere Wahl, ich musste mich entscheiden, zwischen meiner Schwester und dem Mann, den ich liebe. Nie ist mir etwas so schwergefallen, aber ich hatte nur diese eine Chance alles richtig zu machen und meine Fehler wieder gut zu machen. Ich musste es tun und so sah ich ihm in die Augen, nur ganz kurz, ich ertrug deren Anblick nicht. Unweigerlich stiegen Tränen in mir hoch und ließen mich tieftraurig werden. Meine Stimme zitterte und mein Herz schmerzte bei den Worten.

      »Damian, wir können uns nicht mehr sehen. Ich habe alles verloren, was ich hatte, weil ich mit dir zusammen sein wollte. Noch nie hat sich etwas so Schönes so falsch angefühlt.« Ich schlucke und meine Tränen ließ sich nicht länger zurückhalten. Obwohl ich wusste, dass ich das Richtige tat, spürte ich, wie ich innerlich zerbrach, weil ein Teil von mir sich unwiderruflich zerstörte. Meine Kehle schnürte sich zu und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Während mein Herz schrie, dass ich aufhören sollte, ermutigte mich mein Verstand weiter zu machen und an meine Familie zu denken. Ich konnte die Wut in seinen Augen sehen, sie verfärbten sich tiefschwarz. Das hatte ich bisher nur ein einziges Mal gesehen und ich wusste, dass es nun Zeit war für mich zu gehen, aber meine Beine waren schwer wie Blei. Nichts tat sich, ich sendete meinen Füßen den Impuls loszurennen, aber sie rührten sich nicht von der Stelle. Damian würde hier niemals die Kontrolle verlieren, nicht hier, wo ihn jeder sehen konnte. Aber ich wusste, dass ich jetzt besser nichts Falsches sagte. Ich atmete durch.

      »Bitte versteh doch. Ich habe nur diese eine Chance.« Tränen nahmen mir die Sicht und ich traute mich nicht sie wegzuwischen, jede noch so kleine Bewegung konnte ihn reizen und so blieb ich einfach stehen. Er hasst es, wenn ich weine, er sagt immer, dass er mit Tränen nicht umgehen könne und sie die Schwäche eines jeden Wesens zeigen. Egal, wie gut man seine Gefühle verbirgt, sobald man weint, weiß jeder Bescheid wie schwach man ist. Es hat mich nie gestört, Damian kannte mich in und auswendig, meine Gedanken und meinen Körper.

      »Schön«, schnaubte er und packte mich. Vor Schreck hörte ich augenblicklich auf zu heulen und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Du weißt, dass du ohne mich nicht leben kannst. Du wirst es noch bereuen.« Mit diesen Worten ließ er mich stehen.

      Verwirrt und völlig atemlos stand ich da, steif und unfähig zu denken oder mich zu bewegen. Er hatte mich einfach stehen gelassen, nicht einmal protestiert, ich hatte ihn so komplett anders eingeschätzt. Wir hatten es nie einfach gehabt, aber er hatte mich immer ermutigt weiter zu machen, mit ihm an meiner Seite konnte mir schließlich nichts passieren und er hatte Recht. Umso unglaublicher war es, dass er jetzt einfach verschwunden war. Ich fragte mich, ob es das jetzt

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