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      »Sie haben alles«, unterbrach ihn Manilow mit dem gleichen angenehmen Lächeln: »Sie haben alles und sogar noch mehr.«

      »Wie gefiel Ihnen unsere Stadt?« fragte Frau Manilowa. »Haben Sie da Ihre Zeit angenehm verbracht?«

      »Eine ausgezeichnete Stadt, eine herrliche Stadt«, erwiderte Tschitschikow. »Ich habe auch die Zeit sehr angenehm verbracht: die Gesellschaft ist außerordentlich liebenswürdig.«

      »Und wie fanden Sie unseren Gouverneur?« fragte Frau Manilowa.

      »Nicht wahr, er ist doch ein außerordentlich ehrenwerter und liebenswürdiger Mann?« fügte Manilow hinzu.

      »Sehr richtig,« sagte Tschitschikow, »ein außerordentlich ehrenwerter Mann. Und wie er in seinem Amte aufgeht, wie er es auffaßt! Es ist nur zu wünschen, daß wir möglichst viel solche Menschen haben.«

      »Wie er das versteht, wissen Sie, einen jeden richtig zu empfangen und in allen seinen Handlungen den Takt zu wahren«, fügte Manilow lächelnd hinzu; vor Vergnügen kniff er dabei die Augen zusammen wie ein Kater, den man leicht hinter den Ohren kraut.

      »Ein sehr liebenswürdiger und angenehmer Herr,« fuhr Tschitschikow fort, »und was für ein Künstler! Ich hätte es nie geahnt, was für schöne häusliche Handarbeiten er zu machen versteht! Er zeigte mir einen Geldbeutel seiner Arbeit: nicht jede Dame versteht so schön zu sticken.«

      »Und der Vizegouverneur? Nicht wahr, ein reizender Mann?« versetzte Manilow, die Augen wieder zusammenkneifend.

      »Ja, ein höchst würdiger Mann«, erwiderte Tschitschikow.

      »Aber gestatten Sie, wie gefiel Ihnen der Polizeimeister? Nicht wahr, ein höchst angenehmer Herr?«

      »Ja, ein höchst angenehmer, kluger und belesener Herr! Ich habe bei ihm mit dem Staatsanwalt und dem Gerichtsvorsitzenden bis in den hellen Tag hinein Whist gespielt. Ein außerordentlich würdiger Mann!«

      »Was halten Sie aber von der Frau des Polizeimeisters?« warf Frau Manilow ein. »Nicht wahr, eine außerordentlich liebenswürdige Dame?«

      »Oh, eine der würdigsten Damen, die ich kenne«, antwortete Tschitschikow.

      Sie gingen dann zum Kammervorsitzenden und dem Postmeister über und nahmen auf diese Weise fast alle Beamten der Stadt durch, die sich sämtlich als die würdigsten Menschen herausstellten.

      »Leben Sie immer auf dem Lande?« fragte nun Tschitschikow seinerseits.

      »Wir leben meistens auf dem Lande«, antwortete Manilow. »Zuweilen fahren wir übrigens auch in die Stadt, doch nur, um mit gebildeten Menschen zusammenzukommen. Wenn man so ganz abgeschlossen lebt, kann man leicht verwildern.«

      »Allerdings«, bemerkte Tschitschikow.

      »Etwas anderes ist es,« fuhr Manilow fort, »wenn man eine angenehme Nachbarschaft hat, wenn z. B. ein Mensch in der Nähe wohnt, mit dem man einigermaßen über gute Manieren und Umgangsformen sprechen oder irgendeine Wissenschaft verfolgen kann, so daß die Sinne sich regen und man sozusagen in die Höhe schwebt . . .« Er wollte noch etwas hinzufügen, merkte aber, daß er sich schon vergaloppiert hatte und machte nur eine unbestimmte Handbewegung. Darauf fuhr er fort: »Das Leben auf dem Lande und die Einsamkeit hätten natürlich viele Annehmlichkeiten. Aber es gibt hier wirklich niemand in der Nähe. Höchstens daß man ab und zu eine Zeitung liest.«

      Tschitschikow stimmte ihm durchaus bei und fügte hinzu, daß es nichts Angenehmeres gäbe, als in der Einsamkeit zu leben, den Anblick der Natur zu genießen und ab und zu irgendein Buch zu lesen . . .

      »Aber wissen Sie,« wandte Manilow ein, »wenn man keinen Freund hat, mit dem man seine Empfindungen teilen kann, ist das alles . . .«

      »Oh, das ist durchaus richtig und wahr!« unterbrach ihn Tschitschikow. »Was bedeuten alle Schätze der Welt? ›Trachte nicht nach Geld, trachte nur nach Umgang mit guten Menschen‹, hat einmal ein Weiser gesagt.«

      »Und wissen Sie was, Pawel Iwanowitsch«, sagte Manilow, während sein Gesicht nicht nur einen süßen, sondern auch einen faden Ausdruck annahm: von solcher faden Süße sind die Mixturen, mit denen mancher geschickte Modearzt seine Patienten zu erfreuen glaubt. »Wissen Sie, dann fühlt man einen sozusagen geistigen Genuss . . . So zum Beispiel jetzt, wo mir der Zufall das, ich darf wohl sagen, seltene und klassische Glück verschaffte, mit Ihnen zu sprechen und Ihre angenehme Unterhaltung zu genießen . . .«

      »Aber erlauben Sie, was ist das für eine angenehme Unterhaltung? . . . Ich bin nur ein unbedeutender Mensch und sonst nichts«, erwiderte Tschitschikow.

      »Ach, Pawel Iwanowitsch! Gestatten Sie mir, daß ich aufrichtig spreche: gerne würde ich die Hälfte meines Vermögens hingeben, um nur einen Teil der Vorzüge zu besitzen, die Sie auszeichnen! . . .«

      »Im Gegenteil, ich würde es meinerseits für das größte Glück . . .«

      Es ist unbekannt, wie weit diese gegenseitigen Gefühlsausbrüche der beiden Freunde noch gehen könnten, wenn nicht ein Diener meldete, daß das Essen aufgetragen sei.

      »Ich bitte ergebenst«, sagte Manilow.

      »Sie müssen entschuldigen, daß wir Ihnen kein Mittagessen bieten können, wie man es auf Parkett und in den Hauptstädten bekommt; bei uns ist alles einfach, nach russischer Sitte, einfache Kohlsuppe, aber sie kommt von Herzen. Ich bitte ergebenst.«

      Sie stritten wieder eine Weile, wer zuerst vorangehen sollte, und endlich trat Tschitschikow seitwärts ins Speisezimmer.

      Im Speisezimmer standen schon zwei Jungen, die Söhne Manilows, die sich schon in dem Alter befanden, wo man die Kinder am Tische mitessen läßt, sie aber noch auf eigenen hohen Stühlen sitzen. Bei ihnen stand der Hauslehrer, der sich vor dem Gast höflich, mit einem Lächeln verbeugte. Die Hausfrau setzte sich vor die Suppenschüssel; der Gast kam zwischen den Herrn und die Dame des Hauses zu sitzen, und der Diener band den Kindern Servietten vor.

      »Was für nette Kinder!« sagte Tschitschikow, mit einem Blick auf die Jungen. »Und wie alt sind sie?«

      »Der älteste ist sieben, der jüngere ist gestern sechs geworden«, antwortete Frau Manilowa.

      »Themistoklus!« wandte sich Manilow an den älteren, der sein Kinn aus der Serviette, die ihm der Diener vorgebunden hatte, befreien wollte. Tschitschikow zog eine Augenbraue hoch, als er diesen zum Teil griechischen Namen hörte, dem Manilow, man wußte nicht warum, die Endung »us« angehängt hatte; aber er beeilte sich sofort, seinem Gesicht den gewöhnlichen Ausdruck wiederzugeben.

      »Themistoklus, sag mir, welches ist die schönste Stadt in Frankreich?«

      Der Hauslehrer richtete nun seine ganze Aufmerksamkeit auf Themistoklus und schien ihm in die Augen springen zu wollen, aber schließlich beruhigte er sich wieder und nickte mit dem Kopfe, als Themistoklus die Antwort gab: »Paris.«

      »Und welches ist die schönste Stadt bei uns?« fragte Manilow wieder.

      Der Hauslehrer spannte wieder seine ganze Aufmerksamkeit an.

      »Petersburg«, antwortete Themistoklus.

      »Und welche noch?«

      »Moskau«, antwortete Themistoklus.

      »Du bist ein kluges Kind, Herzchen!« sagte darauf Tschitschikow. »Sagen Sie aber . . .« fuhr er fort, sich mit einigem Erstaunen an Manilow wendend: »In so jungen Jahren schon solche Kenntnisse! Ich muß Ihnen sagen, das Kind verspricht außerordentliche Fähigkeiten!«

      »Oh, Sie kennen ihn noch nicht!« entgegnete Manilow. »Er hat außerordentlich viel Geist. Der jüngere, Alkides, ist zwar nicht so schnell, aber wenn er irgendwo ein Käferchen oder dergleichen bemerkt, so leuchten seine Augen gleich auf; er läuft dem Insekt nach und wendet ihm seine ganze Aufmerksamkeit zu. Ich will aus ihm einen Diplomaten machen. Themistoklus!« fuhr er fort, sich wieder an den älteren wendend: »Willst du Botschafter werden?«

      »Ja, ich will«, antwortete Themistoklus,

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