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Marschall Bazaine Hochverrat. Rainer V. Schulz
Читать онлайн.Название Marschall Bazaine Hochverrat
Год выпуска 0
isbn 9783742763167
Автор произведения Rainer V. Schulz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es versteht sich von selbst, dass die Verlegung der Verhandlungen nach Versailles so manchen industriellen Eifer anspornte. Zuerst sollte für das leibliche Wohl der Zuschauer gesorgt werden. Im Nu stieg aus dem Boden eine recht geräumige luftige Holzhütte empor; in dieser Hütte gab es und gibt es noch ein Dutzend gedeckter Tafeln, ein Büffet, den allerlei verlockende Weine und Liqueure schmücken und ein paar „Garcons“ nach echtem Pariser Schnitt. Der Hauswirt schleppt sich, soweit es ihm sein Leibesumfang gestattet, von Tisch zu Tisch, und erkundigt sich nach der Zufriedenheit seiner Herren Gäste Diese bewundern an ihm die auffallende Ähnlichkeit mit General Trochu, fast hat man die Forderung aus den Lippen „Wir bitten um Ihren Plan.“
Abseits von der großen Hütte befindet sich eine Kantine für leichtere Beutel. Und nun die Cigarrenhändler, die Boten mit oder ohne Garantie, die Überbringer der Telegramme, die Kutscher, die man im Voraus bestellt und alle anderen Vertreter von Gewerbszweigen, welche auf die Bedürfnisse und Gelüste der Zuschauer so und so viel trassirten und nun mit eisernem Eifer auf die Einkassierung erpicht sind! Doch schmähen wir sie nicht. Der kleine Imbiss während der Pause schmeckt zuweilen nicht übel und einen Weg erspart man sich auch gern.
Betreten wir nun das Allerheiligste der Militärjustiz. Wie von außen herrschen hier die weißen und rosigen Töne des Marmors vor. Eine hübsche monumentale Kolonnade teilt den Saal der Länge nach in drei ungleiche Teile. Der Raum in der Mitte, ungefähr wie das Schiff in der Kirche, nimmt den weit größten Platz ein. Die marmornen Pforten sind sehr hübsch, mit unvergleichlicher Eleganz ausgeführt. (...)
Aber mancher Zuschauer verwünscht sie, da sie ihm das Interessanteste decken. Hätte der Architekt zu seiner Entschuldigung das Wort, er würde gewiss und nicht mit Unrecht anführen: „Ich habe diese Galerien für Festessen, Bälle, Konzerte, für lustige Partien hergestellt, für die Sitzungen eines Gerichtshofes sicher nicht.“
Für die Beleuchtung des Saales ist mehr als hinreichend gesorgt. Es gibt hier sogar des Guten zu viel. Die Sonne spiegelt sich vierzehnfach und blendet. Regnet es dagegen ein wenig stark, dann beginnt ein Sabbat auf den Fenstern und der Glasdecke, dass sonst nichts zu hören ist als das Toben der Elemente.
Mehr als einmal mussten interessante Vorlesungen oder Verhöre unterbrochen werden, weil der Regen oder das Hagelwetter den Worten nicht einmal gestattete, die Distanz zwischen der sogenannten „Barre“ und dem Stuhle des Präsidenten zu überfliegen. Das Ameublement des Saales ist einfach aber bequem. Die Richter, welche im Hintergrunde an dem Tisch sitzen, haben einen mit grünem Teppich bedeckten Tisch und rote Fauteuils. Um sich von den übrigen Richtern zu unterscheiden, nimmt d'Aumale auf einem grünen Sessel Platz. Auf dem Tische liegen große kostbare Karten. Dieselben gestatten den Richtern allen auf Örtlichkeiten bezüglichen Angaben mit Genauigkeit zu folgen. Eine noch größere Karte ist auf einem Tisch hinter dem von den Richtern gebildeten Halbkreis ausgebreitet. Ein großes Christusbild in Lebensgröße hängt schräg über dem Kopf Aumale's, das einzige Tableau in der Dekoration. Der Angeklagte und die drei Verteidiger haben den nämlichen grünen Teppich und ähnliche sammetrote Fauteuils. Rechts vom Gerichtshof sind die reservierten Plätze für die „distinguierten“ Zuschauer, deren Zahl immer und immer anwächst. Während der ersten Woche waren die Fauteuils ganz frei und jedermann zugänglich. Die zweite Woche füllten sich nach und nach beide Reihen. In der dritten Woche musste man eine dritte und eine vierte Reibe hinzufügen und selbst das genügt nicht. Auch die sogenannte Prosceniumsloge, eine geräumige Fensternische, welche wirklich eine Loge hinter dem für den Marschall bestimmten Sitz bildet, ist überfüllt. Die Journalisten sind rechts vom Gerichtshof hinter den privilegierten Sitzen einquartiert. Die Einrichtung ist eine höchst primitive: hölzerne Bänke und hölzerne Tischchen.
Als es kalt zu werden begann, erbarmte man sich der Journalisten insofern, dass das Parkett und die Bänke mit einer Art von Sackleinwand überzogen wurden. Auch in der Tinte erprobte sich die Freigebigkeit der Aumale'schen Verwaltung, blieb aber wohlweislich dabei stehen. Man verkauft wohl den Wein aus den Privatbesitzungen Aumale's, aber man kredenzt ihn nicht her-um. Das große Publikum teilt sich in drei Farben, gelb, grün, rosa, welche besseren oder niederen Sitzen korrespondieren. Besonders zu erwähnen braucht man nicht, dass die Neugierde die Töchter Eva's in großen Schaaren hierher trieb und dazu in großer Toilette. Wie soll ein Gendarmerieoffizier einer derart präsentierten Bitte gegenüber kalt bleiben? Oft aber folgt die Enttäuschung auf dem Fuße. Die Emotionen, die man sich zu holen hoffte, bleiben aus. Statt der wilden Scenen gegeneinander kämpfender, sich widersprechender Zeugen trifft man glatte, wohlerwogene Aussagen und Bazaine, der alle Augenblicke außer dem Häuschen zu geraten pflegte, so lange er ein Kommando auszuüben hatte, ist seiner vollkommen Herr.
Marschall Bazaine vor dem Kriegsgericht (Zeitgenössischer Holzstich)
Der Präsident ist ebenfalls ein Beispiel des Präsidenten, wie er sein soll und muss. Streng und korrekt „arbeitet“ er mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und manchmal werden ganze Sitzungen mit technischen Details ausgefüllt, welche manchen niedlichen Mund zum Gähnen bringen.
Der Angeklagte: Dem Gesicht nach ein stets knurrender Bulldogg von massivem Bau, breit geschultert. Nein, untersetzt, wohlbeleibt, ist die Gestalt des angeklagten Marschalls nicht leicht zu skizzieren. Wenn man ihn vor seinem kleinen Tischchen sitzen sieht, auf den Arm des roten Fauteuils zurückgelehnt, oder die Brille auf der Nase die Papiere durchstöbernd, so muss man eine gute Weile nachdenken, ehe man den richtigen Ausdruck dieser Physiognomie wahrnimmt.
Auf den ersten Blick zwar gleicht er einem behäbigen, ziemlich bornierten, aber mit sich selbst und seinem Lose zufriedenen Bürger, der für die Sache, welche sich hier abwickelt, nur das begrenzte Interesse eines Zuschauers bekundet. Beobachtet man aber mit Aufmerksamkeit die kleinen, glitzernden Augen, sucht man jeden Strahl, den sie auswerfen, zu analysieren, weiß man die Bedeutung jeder der nervösen Gebärden, deren sich Bazaine besonders anfangs nicht zu erwehren wusste, abzuschätzen, so wird die Vermutung auftauchen, dass diese phlegmatisch-olympische Haltung eine bloße Maske ist und dass, wenn der Angeklagte seinen inneren Trieben nachgeben würde, an stürmischen Zwischenfällen und aufregenden Scenen kein Mangel wäre. (…)
Während der ersten Sitzungen hatte zwar das Ding hier und da einen Haken, aber nach und nach fügte sich Bazaine ganz und gar in die von ihm gewählte Rolle eines Biedermannes, gerade wie ein Gefäß, welches die ersten Proben bestanden hat, sich nach und nach ans Feuer gewöhnt. Er scheint sich also mit dreifachem Gleichmut umgürtet zu haben, der Mann, der nach einem tatenvollen Leben an den Gestaden eines Martialgerichtes strandet. (…)
Der Präsident: Heinrich von Orleans Herzog von Aumale, zeigte sich seinen Zeitgenossen schon von verschiedenen Seiten. Man kennt den Militär, den Akademiker, man erzählt sich so manches vom Privatmann; aber diese Gestalt war doch nur gewissen ziemlich begrenzten Kreisen zugänglich.
Der Prozess in Trianon enthüllt den Sohn Louis Philippe's vor den Augen der Menge und verschafft ihm Popularität, er zeigt ihn als einen Mann von hohem Verständnis und seltener Arbeitskraft.
Wie spottete man in den Kreisen der „Basoche“ über diesen improvisierten Gerichtshofpräsidenten, der als Debüt in der richterlichen Karriere den langwierigsten und verwickeltsten Prozess der Neuzeit zu führen hat. Welch eine ergiebige Spottquelle! Was versprach man sich nicht Heiteres im Justizpalast von den zahlreichen Schnitzern, Missgriffen und Irrungen, die sich der Prinz zu Schulden kommen lassen würde! Aber die Lacher verstummen und stehen staunend da. Wie? Sollte es nicht mehr notwendig sein, zehn Jahre lang alle Gesetzbücher durchzuarbeiten, die ganze geheiligte Scala durchzumachen, um ein perfekter Präsident zu sein? Gehört wirklich nur Geistesschärfe und Ausdauer dazu?
Es muss so sein, denn der „improvisierte" Präsident waltet seines Amtes mit einer minutiösen