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Die letzten Sonnenstrahlen wirkten beruhigend auf meiner Haut. Ich genoss ihre angenehme Wärme, als wären es meine letzten gewesen. Mäxchen-Moppel spielte ausgelassen, als hätte sich vor wenigen Minuten nichts ungewöhnliches, gar dramatisches ereignet. Dabei blieb er brav in meiner Nähe. Sobald ich mich wieder gefangen hatte und nervlich in ausgeglichener Verfassung war, wollte ich den Hund bei seinen Besitzern erneut vorbeibringen.

      Jedoch riet ein innere Stimme von diesem Vorhaben einstweilen ab!

      Eine falsche Geste des Besitzers hätte vielleicht unangenehme Folgen gehabt. Ich war immer noch sehr aufgewühlt und dadurch leicht aus der Fassung zu bringen. Kein Richter, hätte im Fall der Fälle für mein überzogenes Verhalten allzu großes Verständnis gezeigt! So blieb ich unschlüssig sitzen und haderte mit dem weiteren Vorgehen.

      Es ist schön, wenn man über einen Vertrauten verfügt, den man in solchen Fragen hilfreich zu Rate ziehen kann. Ich verfüge zwar über einen weiten und gut durchstrukturierten Bekanntenkreis. Jedoch findet sich unter denselben keiner, der auch nur in Ansätzen die soziale Ader und meine Einstellung zu Lebewesen teilt. Mit einem lapidaren:

      „Dann geh zur Polizei, oder überlass den Hund seinem Schicksal. Was kümmert es dich“!? Mit solchen Äußerungen kann ich leider wenig anfangen und sie hätten mich in diesem Fall nicht weiter gebracht. So blieb ich auf mich alleine gestellt, und das ist wohl bei den meisten Problemen im Leben so. Die Entscheidung trifft man letztlich immer alleine! Denn bei den Konsequenzen ist man ebenfalls alleine!

      Ach was haben wir doch für Probleme?! Wir martern uns den Kopf und wälzen Sorgen hin und her; wägen ab und das Leben verrinnt, wie ein Flusslauf tief in der Wüste. Aber beim Anblick des kleinen Hundes, der ausgelassen auf dem Grün herumtobte und mit enormer Beharrlichkeit in der Erde wühlte, vergaß ich alle Bedenken – wurde gelassener und wesentlich ruhiger.

      Dennoch war ich hin und her gerissen, wollte ich den Hund nicht noch einmal bei mir, in meiner privaten Umgebung, nächtigen lassen. So entschloss ich mich letztlich, das Tier wieder einmal in treue Hände an seine rechtmäßigen, wenn auch nachlässigen Besitzer zu übergeben. Erneut steuerte meine Wenigkeit, mit Hündchen auf dem Arm, zu dessen Heim.

      Die Terrasse war völlig verwaist, als ich am Haus ankam. Die Sonne verschwand gerade hinter einem Baum; keine angenehm Umgebung mehr um draußen zu verweilen. Zudem fegte ein mäßiger, aber unangenehmer Wind die restliche Gemütlichkeit hinfort.

      Ich hatte nicht vor, den Hund, ohne ein klärendes Wort mit dem Herrchen einfach auf der Terrasse unbeaufsichtigt zurücklassen. Dafür war der vorangegangene Zwischenfall an der Straße zu gefährlich gewesen. Ich schritt beherzt zur Haustür und schellte ein paar mal ungeduldig. Ein junges Mädchen öffnete und ihre Blicke verrieten eine große, echte Freude. Ihre Augen leuchteten, als sie das Tier auf meinem Arm sah. Auch der Herzschlag des Tieres war höher, aber er rührte sich nicht. Doch ich fühlte, seine Begeisterung war ebenso echt. Ohne ein Wort entriss sie mir den Hund und herzte ihn mit großer Inbrunst. Wie ein liebes altes Stofftier schaukelte sie ihn auf ihrem Arm hin und her. Diesen Umgang empfand ich als zu plump. Doch dieses Kind hatte keine Ahnung, dass sie ihren Hund nur durch einen großen Zufall noch so in die Arme schließen konnte. Erneut zog innerlich der Zorn auf. Die Möglichkeit meine Gefühle angemessen zu offenbaren, fand sich in dem Augenblick nicht – schon gar nicht vor diesem ahnungslosen Kind. Mit einigen bedeutungslosen Worten des Unverständnisses blieb ich in der Tür stehen und wollte den Grund erfahren, weshalb dieser Hund so häufig herrenlos die Stadt erkundet. Und dabei nicht nur sich sondern auch andere Lebewesen einer großen Gefahr aussetzt?

      Das Kind reagierte nicht, sondern sah mich frech und fragend an. Meine ungewöhnliche Art, war unterdessen den Anwesenden im angrenzenden Wohnbereich keineswegs entgangen. Einen Wimpernschlag nach meiner Ansprache trat ein bulliger Mann aus den hinteren Gemächern hervor und baute sich, an der Eingangstür, auf. Dieses Muskelpaket musterte mich zuerst mürrisch und blickte anschließend dem Hund gelangweilt nach. Das Mädchen hatte ihn nun auf den Boden laufen lassen. Erneut machte ich meinem Unmut, über die zurückliegenden Ereignisse, mit leichtem Nachdruck Luft.

      Jedoch blieb meine Wortwahl diplomatisch. In Anwesenheit dieser derben Muskelberge blieb mir keine andere Wahl. Teilnahmslos blickten mich die Augen aus seinem speckigen, verkniffenen Gesicht an. Zu der von mir beherzt vorgetragenen Angelegenheit hatte er eine sehr oberflächliche Einstellung. Da er merkte, dass ich durch die zurückliegenden Ereignisse aufgebracht war, gab er sich verständnisvoll. Mich in Sicherheit wiegend bemerkte er dann knapp, dass der Hund in Zukunft besser beaufsichtigt werden würde. Dadurch gäbe es, ab jetzt für mich, keinen zwingenden Grund mehr hier her zu kommen und die Familienruhe zu stören. Nebenbei bemerkt, würde der Hund machen was er will und die Familie des Mannes habe nicht die Zeit und die nötige Geduld hinter dem Tier herzulaufen!

      In den Äußerungen, dieses unangenehmen Herren, klang eine gewisse Abneigung und Fahrlässigkeit, gegenüber seinem Haustier mit. Seine anschließende Pose an der Haustür wirkte schon sehr bedrohlich, ja feindselig auf mich. Eine treffende Bemerkung hierzu unterließ ich aber vorsichtshalber!

      Um weiteren Ärger zu vermeiden empfahl ich mich für den Abend und wünschte dem Hund alles gute; drehte mich um und ging, vollkommen bestürzt über dieses Verhalten, zurück nach Hause.

      In mir herrschte ein Gefühl der vollkommenen Ohnmacht gegenüber dem Unverstand und der Rücksichtslosigkeit des Hundehalters. Doch ich tadelte mich selbst. Sofort begann ich mir große Vorwürfe zu machen, mich zu tief in fremde Angelegenheiten eingemischt zu haben.

      „Das hast du nun davon“, raunte eine Stimme aus dem Unbekannten meiner Seele. Nun lag meine einzige Hoffnung darin, das mir der Hund niemals wieder begegnen würde. Doch als ich mir die Mitglieder der Familie noch einmal einzeln ins Gedächtnis holte, verlor ich den Glauben daran, dass dieser Hund zukünftig besser beaufsichtigt würde.

      Ehrlich ausgesprochen, war mir bei dieser Situation nicht besonders wohl. Erneut plagte mich mein Gewissen, ein so liebes Geschöpf in den Händen solcher gleichgültigen Zeitgenossen gelassen zu haben. Blieb mir denn eine andere Wahl?!

      Nachts wachte ich auf und machte mir wegen meiner fragwürdigen Haltung schlimme Vorwürfe. Ich war halt eine zart besaitet Person! Einige Male hoffte ich meinen Fehler wieder gut machen zu dürfen und bat den Lenker der universellen Geschicke und des Schicksals um eine erneute Chance. Doch dieser tat mir den Gefallen keineswegs. Der Verantwortliche hatte sich wohl dieses mal gedacht:

      „ Nein, so ein stures Erdenwesen! Eine erneute Gelegenheiten wird ihm jetzt nicht mehr gewährt“! Wie widersprüchlich und unerbittlich das eigene Schicksal in solchen Situationen erscheinen kann. Und das eigen Verhalten?!

      Tag für Tag werden Millionen Tiere getötet, vertrieben, gequält und vernachlässigt! Einen ernsthaften, gar besorgten Gedanken deswegen, habe ich zu keiner Zeit an diese erbarmungswürdigen Kreaturen verschwendet. Eine fürsorgliche, gar aufopfernde Hilfe habe ich ihnen niemals zuteil werden lassen. Aber gerade dieser Hund, dieses Geschöpf hatte unter Abermillionen anderer Tiere derzeit meine ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten. Seinem Wohl galt jetzt meine gesamte Sorge!

      Meine Gedanken hierzu waren einfach lächerlich. Noch vor Wochen hätte mich dieser Hund nicht interessiert, auch wenn er mir auf dem Bürgersteig entgegengekommen wäre. Höchst wahrscheinlich hätte ich mich von dieser kleinen “Töle“ hysterisch und frech ankläffen lassen müssen.

      Doch nichts half mir angenehm über die Zeit der Gewissensbisse hinweg. Alles Beten und Bitten half nichts. Es ergab sich kein weiteres Treffen mehr.

      Trost fand ich zeitweise in dem Gedanken, dass die Familie nun besser auf das Tier aufpassen würde. Vielleicht war es wirklich nur jedes mal ein unglücklicher Zufall gewesen! Denn die Leute freuten sich ja doch, wenn sie das Tier sahen.

      Aber mit der Hoffnung kamen auch die Zweifel. Wenn sie das Tier nun umgebracht hatten!? Daraufhin spukten tagelang die wildesten Vorstellungen ungefiltert in meinem Kopf herum. Und erneut begann das Karussell der üblen Gedanken seine irre Rundfahrt.

      Bei einem Rundgang durch den Park bekam ich sogar unvorbereitet einen gehörigen Schreck. In einem Gebüsch nahe der Straße schaute etwas

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