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sich, von Ferne hinter dem Parkplatz, diffuse Stimmen und ein unfreundliches Gebell von Hunden.

      Hernach überschlugen sich unerwartet die Ereignisse. Ich wusste nicht mehr, wie mir geschah. Innerhalb von 10 Minuten sah ich mich von einer unübersichtlichen Menschenmasse umgeben. Aus ihr heraus starrten zahllose Augen bedrohlich auf uns ein. Nach meiner Vermutung waren plötzlich alle Spaziergänger und “Gassigänger“ des gesamten Ortes vollzählig versammelt.

      Beherzt hielt ich eine kurze Ansprache. Mit ziemlich müdem Gesichtsausdruck und hängender Aussprache klärte ich die Situation, in der ich und mein kleiner Begleiter waren, ohne Umwege auf.

      Hernach prasselten ungefiltert zahllose Kommentare und Vorschläge auf mich ein. Eine Frau sah sich sogar genötigt, den Hund persönlich zu befragen.

      „Na, du armer Hund, wo gehörst du denn hin“? Der Vierbeiner tat zwei bedächtige Schritte rückwärts. Gab aber keine Antwort. Ob es an seinem sprachlichen Unvermögen lag, oder ob er die Frage zu lächerlich fand, hat er nicht verraten!?

      Eine weitere Person machte allen Anwesenden Hoffnung, denn sie schien den Hund wiederzuerkennen. Aber leider konnte sie sich nicht an die genaue Adresse entsinnen; noch schien sie in der Lage zu sein den Namen des Halters zu nennen. Sie begnügte sich letztlich damit, grob die Himmelsrichtung anzuzeigen. Gut!

      Mittlerweile war es weit nach Mitternacht geworden. Immer mehr Menschen strömten neugierig zum Parkplatz. Bei einigen Anwesenden konnte man den Eindruck gewinnen, sie seien aus den Nachbarorten herbeigeeilt. Die zuletzt Eingetroffenen mussten sich, aus reiner Platznot, mit den hinteren Rängen zufrieden geben. Somit drangen nur spärliche und arg verfremdete Information, aus dem Zentrum des Geschehens zu ihnen durch. Im wilden Gemurmel und sinnlosem Durcheinander machten alsbald die wildesten Gerüchte die Runde.

      Nach einer Weile verschaffte sich ein bärbeißiger Mann Zutritt in die Mitte dieser unfreiwilligen Versammlung. Dabei raunte er feindselig:

      „Wo ist dieser elende Tierquäler“?! An seiner Seite hechelte ein alter, müde wirkender Schäferhund. Seine Erscheinung wirkte aber verwegen, wie die seines Besitzers.

      Sofort wich die Menge um mich und den kleinen Hund ängstlich zurück. Zorn, fast hasserfüllte Blicke hielten mich gefangen. Doch bevor der militante Tierschützer seine ungezügelten Muskelkräfte gegen mich einsetzten konnte, versuchte ich wortgewaltig die bösen Gerüchte zu entkräften. Zeitweise bekam ich den Eindruck, dass der Schäferhund mich besser verstand, als der durchtrainierte Bursche.

      Die Situation wurde letztlich gewaltlos und mit Vernunft gelöst, weil der kleine, herrenlose Kerl neben mir erneut heftig zu wimmern anfing und sich an mein Bein fest anschmiegte – so wie es Katzen für gewöhnlich tun. Einen nicht unerheblichen Teil, zur friedlichen Entwicklung trug auch das plötzliche Erscheinen einer motorisierten Polizeistreife bei. Ihre pure Anwesenheit, sowie der Respekt der Passanten vor der Uniform verfehlte gottlob seine Wirkung nicht. Die Beamten konnten sich, auf dem Weg zum Brennpunkt des Geschehens, von dem umher stehenden Volk erste Auskünfte einholen. So unterrichtet drangen die Polizisten nach einer Weile endlich zu mir vor. Unmissverständlich gaben mir die Ordnungshüter zu verstehen, dass ich bitteschön meinen Hund nehmen und den Parkplatz räumen solle. Schließlich störe ich die Nachtruhe der angrenzenden Bewohner. Erste Beschwerden und Anrufe seien bereits, von besorgten Anwohnern, bei ihrer Dienststelle eingegangen. Sollte ich diesem Aufruf nicht Folge leisten, drohe mir eine Verwarnung mit empfindlicher Geldstrafe.

      Die würdevolle, strenge Haltung des Schutzmanns, mit einem kompromisslosen Gesichtsausdruck, ließ keinen Zweifel bei mir aufkommen, was von mir erwartet wurde. Vor lauter Angst und Respekt war mir völlig entfallen, dass dieses kleine Kerlchen gar nicht mein Hund war!

      Also gab ich mich vollkommen geläutert und wollte jetzt weiteren Unannehmlichkeiten aus dem Wege gehen. Ich hatte schließlich getrunken, war müde und meine miese Stimmung hätte mir nur schlimme Peinlichkeiten eingebracht.

      Ich bedankte mich für den netten Hinweis, bückte mich galant und hob den zitternden Hund auf den Arm, so als wäre es mein eigener Vierbeiner. Ohne ein weiteres Wort trottete ich von dannen.

      „Hätte ich dich einfach da sitzen lassen, läge ich schon schnarchend in meinem Bett“, brabbelte ich verärgert vor mich hin. Aber selbst mit meinem alkoholisierten Gemüt war mir klar, diesen Vierbeiner seinem Schicksal zu überlassen wäre unverantwortlich gewesen – wäre er doch leichte Beute für herumstreunende Wildtieren geworden.

      Für meinen vierbeinigen Gast und mich, als zweibeinigen Gastgeber, wurde es eine sehr kurze und keineswegs erholsame Nacht. Der Hund kämpfte natürlich mit der vollkommen unbekannten Umgebung. Fremdartige Gerüche fluteten ständig seine kleine Nase und lösten Angst und ein tiefes Unbehagen aus. Ab und an war ein leises Winseln und Wimmern zu hören. Obendrein lief er verunsichert im Flur auf und ab. Aber im Morgengrauen ereilte ihn die Müdigkeit und erschöpft zog es den Vierbeiner auf die alte Wolldecke, die ich ihm ins Wohnzimmer gelegt hatte.

      Auch ich musste mich ebenfalls von den Eindrücken der mitternächtlichen Stunden erholen. Eine seltsame Hilflosigkeit zerrte immer wieder an meinen Nerven. Das ungewöhnliche Ereignis nüchtern in meinem Kopf zu ordnen, glich einem wahren Kraftakt. Es war unmöglich über diese Gedanken hinweg einzuschlafen. Ich drehte mich von einer Seite auf die andere. Dabei begann ein weiterer, aussichtsloser Kampf mit den Begleiterscheinungen meines übermäßigen Alkoholgenusses.

      Trotz aller Widrigkeiten der vergangenen Nacht; am folgenden Morgen sollte die Suche nach dem rechtmäßigen Besitzer dieses possierlichen Tierchens beginnen. Und ich hatte keinen Zweifel daran, dass das Unternehmen erfolgreich sein würde. Außerdem, eine weitere Nacht mit diesem ängstlichen Hund wäre meiner Gesundheit schlecht bekommen. Zudem sind meine beruflichen Verpflichtungen mit diesem tierischen Untermieter schlechterdings unmöglich. Bei meinen Bekannten hatte ich indes keinerlei Bedenken – dort würde der Hund wunderbar hinpassen!

      Das erforderliche Gassigehen wurde von dem Hund ganz von selber erledigt. Ich musste, glücklicherweise keinen Finger rühren. Die frische Morgenluft tat mir gut; ich hatte noch immer einen mächtigen Brummschädel und einen unangenehmen “Kater“, zu dem kleinen Hund dazu bekommen. Bei der Runde durch die Grünanlagen und Plätze der Stadt wurden einige Nachbarn, sowie Bekannte aufgesucht. Sogar fremde Personen sprach ich auf den Hund an. Doch niemandem sei der Hund aufgefallen, noch hatte ihn jemand als vermisst gemeldet. Keine Menschenseele schien den kleinen Kerl zu kennen. Diese Unkenntnis überraschte mich nicht. Selbst meine Wenigkeit hätte den Hund im Alltag übersehen! Diese unerwartete Ahnungslosigkeit meiner Mitmenschen brachte allerdings den Zeitplan für meine weiteren Termine vollauf durcheinander.

      Die Befragung der restlichen Bekannten schob ich einstweilen auf. Es war zu vermuten, dass sie weder wach, noch ganz nüchtern und ansprechbar waren! Emsig fertigte ich Flugblätter mit dem Bild des Hundes an; verteilte die Nachricht an jeder Laterne und an allen öffentlichen Plätzen.

      Nach getaner Arbeit wollte ich jedoch nicht untätig herumsitzen. Eine innere Stimme, das schlechte Gewissen plagte mich!

      „Was wäre, wenn die Familie zu Hause sitzt und sich Gedanken macht, wo ihr kleiner Schützling abgeblieben sei? Vielleicht sitzt das kleine Töchterchen weinend in der Ecke und verweigert jegliche Nahrung, bis ihr geliebter Vierbeiner wieder bei ihr ist“!

      Diese Gedanken trieben mich erneut aus dem Haus. Und eine weiter Überlegung ließ mir keine Ruhe:

      „Was ist, wenn ich in den nächsten Tagen diesen Hund als Pensionsgast bewirten muss“?!

      Bei dieser Gelegenheit stellte ich mit einigem Unbehagen fest, dass ich auf vierbeinige Pensionsgäste unzureichend eingestellt war. Wasser hatte ich zu Genüge. Aber nur ein paar Streifen “Leckerlies“! Das würde wahrscheinlich nicht sehr lange reichen! Auch bei der kleinen Portion an Hund. musste ich also für Nachschub sorgen. Auch etwas Abwechslung bei den Geschmacksrichtungen auf der Tierspeisekarte, konnte bestimmt nicht schaden.

      Der kleine Kerl lag auf der Decke und sah mich mit seinen großen Augen verwundert an. Die Öhrchen gespitzt, als würde jeden Moment ein Befehl zum Aufbruch ertönen. Die Zeit verging rasend schnell, während

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