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schaust hinab - vom steinernen Plateau auf das Meer aus Sicheldünen. Da ist nur Sand, so weit das Auge reicht. Die Wüste wächst und wächst, wächst immer weiter, dehnt sich aus. Weht der Wind immer aus derselben Richtung wandern die Dünen. Wehen die Winde aus unterschiedlichen Richtungen, so entstehen Sterndünen.

      Im Treibsand versinken und unter der Erde erwachen als ...

      Dort in der Ferne sind Felsen, die Wind und Temperaturerosion widerstanden. Ahaggar heißt das Wüstengebirge aus Stein inmitten der Sahara.

      Sand, das ist zerriebener Stein, und Sandstein ist gepresster Sand.

      Sand und mörderische Hitze, flirrende Weite, so weit das Auge reicht.

      So stellen wir uns die Wüste vor und denken nur an weichen, weißen, heißen Sand.

      Das ist richtig, das ist falsch, das ist die eine Seite der einen Art von Wüste. Denn nachts ist es kalt in den Wüsten, überall dort, wo keine Wolken sind.

      Leer und verlassen erscheint die Wüste bei Tag dem einsamen Wanderer.

      So ist es.

      Doch ist es so, weil nichts hier lebt?

      Oder ist es so, weil sich alles im Schatten und unter der Erde, in Erdhöhlen unter Steinen und im Sand verkriecht?

      Ist es so, weil manch ein Vogel in höchsten Lüften schwebt, um der mörderischen Hitze zu entgehen?

      Horus ist der Name des Falken, der dort oben in der Ferne seine Kreise zieht und alles sieht.

      Auch andere kreisen dort oben, wo die Luft kühler. Dort kreisen sie in großer Zahl und schauen hinab. Mut ist ihr alter Name, Mut, die Mutter und die Furcht, der Tod - der Geier.

      Und Mauersegler sind da.

      Du siehst ihn Dort Oben im Frühjahr seiner Stadt ergriffen und voller Sehnsucht ihnen nachschaute. Fliegen, dachte Er damals. Du siehst diese schlanken Vögel mit ihren Sichelflügeln sich hier für ihren weiten Zug nach Norden sammeln, dorthin, wo Er lebt und sie nicht bei Nacht, sondern tagsüber hoch oben über den Dächern Seiner Stadt mit schrillen Schreien in Formationen über den Dächern der Häuser und den Köpfen der Menschen jagend dahinrasen sah.

      Andere Wesen sehen, hören, tasten und riechen, andere kommen im Schutze der Dunkelheit aus ihren Höhlen, aus den Tiefen der Erde empor, verlassen ihre Verstecke unter Steinen und Gerippen am Abend und in der Nacht und suchen sie in der Hitze des Tages wieder auf.

      Dort ist ein großer Hügel von einem Meter im Durchmesser, das ist der Bruthügel der Blindmaus, worin sie ihre Kinder gebar. Blind ist sie, und doch hat sie noch Augen, die unter der Haut liegen. Einst dachten Menschen, dass auch der blind wird, der sie in die Hände nimmt.

      Es fließt der Sand im Wind an der Oberfläche, und du tauchst mit der Maus in die endlos scheinenden Düne ein, tust das, was auch die kleinen Eidechsen, die winzigen Maulwürfe und die schwarzen Käfer, nicht aber die Seitenwinderschlangen tun.

      Du tauchst wieder auf, schaust dich um: Alles scheint dir öde und verlassen.

      Doch jetzt geschieht es: Dort oben in der einsamen Kiefer über den Dünen, dem einzigen Baum weit und breit, kommt Bewegung auf. Welch Wimmeln und Krabbeln im Wipfel! Millionen Marienkäfer sind mit dem Wind eingeflogen, jetzt im Licht des brennenden Sonn, bei Tag.

      Weiter ziehst du mit der Karawane stundenlang dahin. Dann dämmert der Abend - und das geht rasch in diesen Breiten. Schon ist Nacht, die Wüste erwacht. Jetzt ist die Zeit, wo die Ghule ihr Unwesen treiben. Blutsauger und Menschenesser in Tiergestalt sind sie, die manch einen schon in den Wahnsinn trieben.

      Und dort kommt im Mondinschein die kleine Maus heraus. Sie wühlt den Sand von ihrem Eingang fort. Springt durch die Nacht die Wüstenmaus mit ihren langen Hinterbeinen. Haarbürsten an den Füßen halten sie oben auf lockerem Sand und räumen ihn beim Graben fort. Jetzt springt sie zu den kärglichen Pflanzen empor, beißt sich mit ihren scharfen Nagezähnen fest und schneidet sie ab. Dann ertastet sie im Sprung den schwarzen Käfer, hat ihn auch schon gepackt und im Mund zerquetscht. Weiter springt sie durch die Nacht, um sich dann am Morgen wieder einzu...

      Nein, heute nicht und niemals mehr, denn da war noch eben in der Luft der lautlos segelnde Kauz. Er sah sie dort unter sich und hat sie auch schon mit seinen Dolchen an den Füßen ergriffen. Und mit der Maus ist’s aus.

      Eine weitere Oase ist in der Nacht erwacht.

      Wir trinken und essen und ruhen uns aus.

      Fledermäuse flattern. Aus seinem Bau schaut der Fennek heraus, der Wüstenfuchs mit seinen großen Ohren - mit ihnen hört er selbst das Trippeln der winzigen Mäusefüße im Sand. Am Tage verdunsten sie Wasser. So kühlen sie ihn und nähren ihn lauschend bei Nacht. Auch die Sandkatze verlässt ihr Tagesversteck. Dort kommt ein Skorpion unter dem Stein hervor, läuft tastend mit großen Scheren voran, bis diese den Käfer berühren und ihn auch schon packen. Der aber wehrt sich heftig. Also biegt sich der Schwanz nach vorne, ertastet der Stachel die schwache Stelle im Panzer, sticht zu, injiziert das Gift - es wirkt. Walzenspinnen, gefräßige flinke Räuber, die keine Seide spinnen, packen die Schwarzkäfer mit ihren kräftigen Kiefern, die auch unser Fennek nicht verschmäht. Schwarze Witwen fangen mit ihren klebrigen Netzen Wüstenasseln. Und da klettert jetzt auch noch der größte Krebs in der Oase, der Palmendieb, die Kokospalme empor. Er ist hinter ihren Früchten - den Kokosnüssen - her.

      Vögel und Säuger nutzen schon die frühesten Morgenstunden für die Jagd. Dann sind sie selbst aufgrund ihrer hohen Eigentemperatur munter, während ihre Beutetiere - Reptilien und Insekten und Spinnen - als Wechselwarme von der Kälte der Nacht noch starr sind und sich erst aufheizen müssen. Aufbruch heißt das für die Karawane. Weiter geht’s nach Norden.

      Mittags in der größten Hitze wirkt die Wüste wie ausgestorben: Abgesehen von den Dromedaren, die die Lasten schleppen, deren Dung du für das wärmende Feuer in der Nacht nimmst, Ziegen, die dir Milch liefern, und Schafen, die ihr Fell und Fleisch geben müssen, sind da nur noch Scharen von Fliegen und - Menschen. Das sollte niemanden bei dieser Hitze wundern, da verschlafen die meisten Tiere lieber den Tag.

      Wieder ist eine kurze Nachtrast angesagt.

      Etwas hat dich geweckt, ruft dich nun fort aus dem Zelt der Menschenwelt. So erhebst du dich leise vom Lager, während die anderen Frauen weiterschlafen, wirfst deine Kleidung ab, nimmst deinen zweiten Körper an: verwandelst dich von der Menschenfrau in die schwarze Pantherin und schleicht auf Leopardenpfoten zu den Felsen hin. Dort richtest du dich schnuppernd an der Wand auf, wirst wieder Mensch - Moyo.

      Jetzt siehst du im Licht der Vollen Mondin - denn deine Augen sehen noch immer mehr als Menschenaugen -, was da in seltsamen, bunten Bildern geschrieben steht. Jetzt siehst du und verstehst, ohne es zu „begreifen“. Niemals würdest du SEIN Bild berühren. Denn dann wüsste ER, dass Nairra wiedergeboren noch immer in dir lebt. Dort ist ER, der einst hier weilte. Schau, dort kannst du SEINE Gestalt noch heute in den Felszeichnungen dieses Tassili-Plateaus erblicken. Einst weilte er hier, als das Land noch fruchtbar war und die Große Wüste klein. Tausende von Jahren ist das jetzt her.

      Du kehrst als Leopardin ins Lager der Beduinen zurück, nimmst deinen Menschenkörper wieder an. So wittern die Dromedare keine Gefahr.

      Durch endlos scheinende Wüste, durch eine Einöde aus Felsen, aus Stein, aus Sand trottet tage-wochen-lang die Karawane. Und nicht viel mehr geschieht als Schlafen bei Tag und Laufen am Morgen, Laufen am Abend, Laufen unter ihrem Licht in der Nacht, Laufen im Morgengrauen. Wüsten – Öden bei Tag, Leben bei Nacht. Wüstenstille - Erleuchtung für den, der einsam darin weilt und nicht verzweifelt, aber nicht für die, die sie eilig durchstreifen.

      So wundert es nicht, dass es eines nachts geschieht, während du im Zelt bei den anderen ruhst.

      Dort fällt dir ein: Gäbe es ein Buch ...

      „Buch“, welch seltsames Wort, dass du nicht kennst, doch du siehst Zeichen, Schriftzeichen ...

      Gäbe es ein Theaterstück ...

      Was ist

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