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der Schwarze, ER, der schwarz im Herzen, im Geist und in der Seele ist?

      ER ist es nicht, der dort verbrennt. Es ist Manfred. Wie schwach er doch geworden ist! Scheint alt geworden zu sein. Die Arme erhoben, die Augen geschlossen, auf den Knien sitzt er hilflos da: so schwarz und still im Sand.

      „Rê Atum Aton!“, ruft stumm meine Seele, denn Mund und Kehle und Lunge sind trocken und sprechen schon lange nicht mehr. „Vater, warum verbrennst du mich?“

      Doch nichts geschieht, es ändert sich nichts.

      So stehe ich mühsam wieder auf und taumle weiter durch die Feuerglut.

      „Vater! Lösche dein Licht, denn ich verbrenne!“, bitte ich noch einmal und schaue nicht mehr zu Ihm auf, sondern habe längst meinen Blick hinab zur Erde gesenkt: „Mutter, schütze mich!“ Doch ich weiß, wie größenwahnsinnig mein Wunsch ist, weiß, dass weder Sonn noch Erde mir helfen können. Denn die Erde dreht sich und kreist, also geht der Sonn auf und unter. Und ist da auch ein wenig Wandel im Jahr - die Jahreszeiten, so ändert sich doch nichts von einem auf den anderen Augenblick, nur weil einer das mal eben will – und sei er auch der mächtigste Magier der Welt.

      Also brennt der Sonn weiterhin vom Himmel, gibt es nirgendwo Wolken, rührt sich auch die Erde unter meinen Füßen nicht.

      „Vater!“, stammle ich ein letztes Mal mit zur Seite ausgebreiteten Armen, wie so viele einst und andernorts am Kreuz, den Kopf in den Nacken geworfen. Dann falle ich nach hinten hinab – hinab - hinab, falle noch immer, schwebe im Zeitlupenfall der Erde zu, sehe sprudelnde Quellen von kühlem Nass - träume ich? - und lande doch nur im heißen Sand.

      Irgendwo in mir sind Worte, die ich nicht verstehe. Sie werden gesungen, ein Lied sind sie, ein Reim in einer längst vergangenen Sprache. Etwas in mir spricht die magische Formel, die die Erde öffnet und die sinngemäß lautet: „Erdenmutter, hülle mich ein!“

       Vieles brannte der Sonn von ihm ab: Kleidung, Haare und Haut - vom Gesicht zunächst und dann im Fallen von Oberkörper und Unterleib, schließlich von Beinen und Füßen.

      Und so geschieht nicht das eine große, den Lauf der Gestirne verändernde, sondern ein anderes Wunder: Unser aller Mutter nimmt mich liebend in sich auf: Gaia, Terra, Erde öffnet sich mir.

      Ich versinke in Kühle und Dunkelheit, ruhe nun geborgen in einer Kammer mit Wänden aus festgepresster Erde. Wasser steigt aus der Tiefe empor, aus dem Reservoir, das den Wandernden See speist. Wasser netzt meinen Körper, streichelt mich, kühlt und befeuchtet meinen Mund. Dann trinke ich langsam und ...

      Erwache - also schlief ich ein!? - und liege erstarrt. Höre mein Herz immer langsamer schlagen. Mein Atem steht fast still. Sauerstoff strömt von irgendwoher. Ich atme ihn ein. Ich lebe. Nehme den Wind dort oben wahr, höre, wie er weißen Sand über der Stelle anhäuft, wo ich eben noch lag. Hier unten aber ruhe ich und erhole mich und warte, dass die Nacht beginnt. Langsam leert sich auch mein Geist. Doch noch sind da Träume - Wasserwüstennachtträume:

      Fisch sein, im Wasser schwimmen nahe der Küste einer anderen Wüste mit Namen Atacama. Anchoveta heißt der Fisch. Einer im Schwarm bin ich. Schwarm werden, Schwarm sein im kalten Humboldtstrom.

      Wandle mich in den Schnabel, verschmelze mit dem Körper des Kormorans, der mich eben erst fing und runterschluckte, lande auf der Insel, wo so viele von uns brüten. Schaue empor und kreise auch schon dort oben, segle als Kondor dahin über dem Meer und über der Wüste aus Sand, in der die langgepressten, weißen Schädel bleichen. Sehe mit scharfen Augen die Löcher in ihren Köpfen

      „Die bohrten sich die Menschen selbst hinein, um böse Geister hinauszulassen“, flüstert die Stimme.

      Leere Augenhöhlen, Nasenspalten. Kein Blut, doch rot sinkt der riesengroße Abendsonn herab, fällt lautlos ins Meer, das nun gelbrot leuchtet. Nacht bricht an, voll strahlt die Mondin, der Himmel ist klar, ein Sternenmeer.

      Längst bin ich gelandet und sehe dicht vor mir, den Gecko Tautropfen von seinem Körper lecken.

      Und was tue ich?

      Ich verschmelze nicht mit der großen Echse, die den kleinen Gecko essen will, der jetzt den Käfer mit flinker Zunge fängt und sich dann verbirgt, denn es wird kalt. Für mich ist Kälte kein Problem, denn ich bin die Wüstenspringmaus. Winzige Hände sind da vor meinen Augen. Ach, wie klein ich doch geworden bin. So springe ich davon. Denn dort zieht mich etwas magisch an. Keine Pfütze, auch kein Teich, scheint eine schwarze Lache (Öl) zu sein. Ansonsten ist da nichts als Sand. Nacht, tiefste Nacht, Mitternacht. Hell liegt die Welt vor meinen Augen, die eine Scheibe beleuchtet.

      Jetzt bin ich dort, sehe Schwärze, die sich zu drehen beginnt, Wirbel bilden sich dicht vor meinen Augen, Töne, fremde Klänge, ein Lied, das niemals Mäuse-, noch Menschenohren, -gehirn, -geist und -seele verstehen können. Für einen Augenblick ist da Flüssigkeit, die unter ihrem Licht wirbelnd zu verdampfen beginnt. Ich höre und sehe es, rieche und taste nichts und schreie. Nichts versteht meine Mäusegeist, doch Menschenmagierseele fühlt und weiß, wer es dort vor mir war und wer es ist, der jetzt dort singend im Wüstenwind der kühlen Nacht aufsteigt, sich wandelt zum Sturm, davonbraust übers weite Land.

      Ist ER es, EINER von IHNEN, wenn es denn mehrere sind, vielleicht der, der/die vor langer Zeit einmal eine kleine Maus war, so wie ich es nun bin, damals vor Jahrmillionen, als ER das erste Mal das Meer verließ.

      Nichts bleibt. Denn auch die Erinnerungen verblassen.

      Alles ist Bewegung, Strom, und die Gegenwart nur ein Augenblick, hier wie andernorts und überall.

      Das sehe ich, das denke ich, Menschen-Magier-Mäuserich. Dann – Schmerz!

      Die Giftzähne der Sandrasselotter, die im lockeren Sand zuhause ist, sich darin versinken lassen kann und seitenwindend über ihn gleitet, deren Seitenschuppen zischend rasseln, diese Zähne haben nur einmal kurz zugebissen und sofort wieder losgelassen.

      Springe davon, werde schwächer, kann mich nicht mehr verwandeln.

      Alles dreht sich. Falle.

      Sie aber, die da mucksmäus-, nein, mucks“schlangen“still lauerte, kommt nun züngelnd heran, hat ihr Opfer schon erreicht.

      Einmal zucke ich wohl noch – schon bin ich tot und nehme doch noch irgendwie von oben/außen wahr, wie sie mich packt und dreht und mit dem Kopf voran in einem Stück verschlingt. Dann Wache auf in meiner Erdenwiege, erwache aus dem Alb, der wohl aus dem Feuerschock – verbrennen, brennendes Gift, Enge - geboren wurde. Also war alles nur ein Traum, also bin ich nicht tot. Denn nicht ER war es, der mich packte und verschlang – sondern eine Schlange, die die Maus fing, in die ich mich hineinversenkte.

       Manfred schläft geborgen im Dunkel der Erde ein. Wieder träumt er, seine Augenlider zucken in Ihrem Schoß.

      Grenzenlos erstreckt sich – nein, keine Meereswüste und auch kein Wüstenmeer aus Sand, grenzenlos erstreckt sich diese Ebene aus Kieselsteinen. Steine, so weit das Auge reicht! Fern am Horizont ist der Himmel rabenschwarz.

      Stille.

      Nichts lebt hier, denke ich, es sei denn winziges Leben zwischen und unter den Steinen. Oder Leben, das sich am Tag verbirgt und in der Nacht aus seinen Verstecken kriecht.

      „Achtung Skorpion! Gift! Tritt nicht auf ihre Stachel! Denn vielleicht tötet sein Stich auch dich!“, spricht die Stimme in mir.

      Leben, das nur in der Nacht erscheint, dachte ich doch gerade. Aber der Himmel über mir ist doch schon schwarz. Es ist Nacht. Und außer mir scheint hier nichts zu leben.

      Irgendetwas lässt die Steine leuchten. Ja, mattweiße, graue Steine beginnen nun zu glühen.

      Es ist - ich bin inmitten einer Ebene aus glühenden Kieselsteinen. Jetzt leuchten sie in allen Farben auf.

      Ein Stein jedoch, ein Kieselstein unter all den Millionen ist schwarz. Einer, der anders ist als all die anderen, der aus der Reihe tanzt, der

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