ТОП просматриваемых книг сайта:
Denk nicht an Morgen. Bernd Kersch
Читать онлайн.Название Denk nicht an Morgen
Год выпуска 0
isbn 9783847630913
Автор произведения Bernd Kersch
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Es grenzt eigentlich an ein Wunder, dass ich niemals in meinem Leben Amok gelaufen bin, oder durchgedreht habe, geschweige denn ein Bankräuber geworden bin. Ich denke, ich hätte Grund genug dafür gehabt. Aber ich bin Gott dankbar dafür, dass er immer seine schützende Hand über mich gehalten hatte. Immer dafür Sorge getragen hatte, dass ich auf dem richtigen Weg blieb. Er war all die Jahre immer bei mir, und ich konnte ihm alle meine Sorgen und Nöte bedingungslos anvertrauen. Er war zu dieser Zeit der Einzige, der immer Zeit für mich hatte, der mir immer zuhörte. Ohne Gott wäre ich wohl als Kind an Einsamkeit und Depressionen gestorben!
Ich aß zu dieser Zeit mehr als schlecht. Wie konnte man auch verlangen, dass ein etwa vierjähriges Kind einen guten Appetit haben sollte, wenn es so eine Vergangenheit hatte. Nach diesen Geschehnissen wäre es meiner Ansicht nach sinnvoll gewesen, einen Psychologen um Rat zu fragen. Stattdessen musste ich durch die Hölle gehen, den viel schlimmer hätte es nicht sein können.
Was nun in dieser Klinik geschah, wurde für mich zu einem traumatischen Erlebnis, über das ich wohl niemals hinwegkommen werde. Sie sagten mir, wenn ich nicht essen würde, dann müssten sie mich künstlich ernähren. Damit konnte ich als kleines Kind natürlich nichts anfangen, was sollte das auch schon heißen. Also aß ich genauso viel wie sonst auch. Es war nicht viel, was ich aß, aber ganz bestimmt auch nicht so wenig das Ich verhungert wäre. Schließlich gingen in meinem Kopf viel wichtigere Dinge vor. Warum war ich hier? Warum sagte mir niemand, was ich hatte, und warum besuchte mich niemand außer meinem Vater?
Eines Tages passierte es dann vollkommen unvorbereitet. Sie packten mich mit fünf Leuten, legten mich auf einen Behandlungstisch und hielten mich mit eisernem Griff fest. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, denn sie trugen alle einen Mundschutz. Ihr Glück, denn hätte ich mir ihre Gesichter merken können, ich würde sie noch heute alle aufsuchen, und dafür sorgen das Sie dass, was sie mir an diesem Tage antaten, niemals wieder einem Menschen antun könnten.
Ich weiß, dass dies nicht richtig ist, und ich bin mir bewusst, dass es das Gegenteil von dem ist, was ich hier versuche herüberzubringen, aber wenn ich auch nur einem einzigen Menschen das damit ersparen könnte, was ich damals erleben musste, ich würde es tun!
Ich lag also auf diesem Tisch und wurde festgehalten, und bekam eine richtige Panikattacke. Aber so sehr ich auch versuchte mich loszureißen oder mich zu bewegen, ich konnte es nicht. Sie waren einfach viel zu stark für mich. Einer von ihnen hielt mir die Nase zu, und ein anderer schob einen langen orangefarbenen Schlauch in meinen Hals. Ich musste würgen, aber ich konnte es nicht verhindern, dass sie den Schlauch in meinen Hals schoben. Ich wollte mich übergeben, aber auch das war nicht möglich. Einer von ihnen schob mir den Schlauch bis in den Magen hinein. Ich weiß das genau, den ich hatte es deutlich gespürt. Sie waren so brutal vorgegangen, sie kannten kein Mitleid, keine Gnade. Anscheinend hatten sie vollkommen vergessen, wer da eigentlich auf diesem Behandlungstisch lag. Dort lag ein vor Angst zitternder kleiner Junge, ein kleines Bündel, dass vor Angst fast gestorben wäre. Wie kalt Menschen wirklich sein können, merkte ich an diesem Tag am eigenen Leib.
Sie hatten kein Mitleid, und ich hatte das Gefühl, das es ihnen sogar Spaß machte. Wie hilflos man sich in so einem Augenblick vorkommt, das kann man nicht beschreiben, und ich wünsche keinem Menschen, dass er dies je erleben muss. Dieses Erlebnis gehört zu den Dingen, die ich niemals vergessen werde. Seit dieser Zeit habe ich Angst vor der Enge, davor, dass mich jemand festhält. Und wenn jemand versuchen würde, mich festzuhalten, sodass ich mich nicht mehr bewegen könnte, ich würde ein Massaker anrichten. Ich habe keine Erinnerung mehr daran, was nach diesen entsetzlichen Minuten geschah, wahrscheinlich habe ich die Zeit danach verdrängt. Aber diese Angst und diese Panik werde ich niemals vergessen!
Übrigens hat es nichts gebracht, den genauso, wie meine Probleme damals nicht fort waren, genauso habe ich auch danach nicht besser gegessen. Wenn sich auch nur ein einziges Mal ein Psychologe um mich gekümmert hätte, dann wäre mein Leidensweg sicherlich wesentlich leichter verlaufen. So muss ich aber sagen das sich weder das Jugendamt noch irgendjemand sonst dafür zu interessieren schien, was mit mir hier geschah. Woher ich das so genau weiß? Nun, in der ganzen Zeit, die ich dort in dieser Klinik verbrachte, hat sich niemals jemand mit mir länger unterhalten, folglich konnte auch niemals ein Psychologe oder ein Mitarbeiter des Jugendamtes da gewesen sein, denn ohne ein Gespräch mit mir, wäre es vollkommen unmöglich gewesen, mich zu beurteilen. Ich war eben nur ein kleiner unwichtiger Junge.
Ich war lange Zeit in dieser Klinik, sicherlich fast ein Jahr, aber in dieser langen Zeit habe ich niemals erfahren, warum ich dort war. Ich fand dort auch keine Freunde, oder irgendjemanden sonst mit dem Ich hätte reden können, oder dem ich auch nur annähernd vertraut hätte. Ich war auf mich alleine gestellt. Wenn ich nicht so klein gewesen wäre, ich wäre sicherlich weggelaufen. Noch heute sitze ich manchmal in Ruhe in einer Ecke und denke daran zurück, daran was diese Menschen mir damals dort angetan haben. Daran, dass sie dies vielleicht auch anderen angetan haben, sie es vielleicht sogar noch heute tun.
Ich hoffe nur, dass Ich niemals in meinem Leben einem anderen Menschen solche Qualen zufügen werde. Mir wurde einfach ein Jahr meines Lebens fortgenommen, und ich wusste nicht einmal warum. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, es mir zu erklären. Wo war damals das Jugendamt, das doch sonst immer mitentscheiden wollte. Warum kümmerten sie sich nicht um diesen kleinen vierjährigen Jungen, der doch nichts anderes wollte, als eine Familie. Hatten sie damals etwas Wichtigeres zu tun, oder war es ihnen wirklich wichtiger nur mit den Erwachsenen zu reden. Sollte das Jugendamt sich nicht in erster Linie um die Kinder kümmern? Bei mir jedenfalls war es nicht der Fall gewesen. Ich hatte wohl keinen eigenen Willen zu haben, und es interessierte sich auch niemand dafür, wie es mir dabei erging oder ob ich darunter leide. Ich war eben nur ein kleiner unwichtiger Junge, einer von sehr vielen. Ich glaube nämlich nicht das Ich der einzig bin, dem so etwas jemals passiert ist. Merkwürdigerweise war das Jugendamt bei meinen Großeltern öfter anwesend. Sie saßen einfach nur bei meiner Oma in der Küche und beobachteten meine Schwester. Sie schauten, ob sich meine Schwester wohlfühlte. Eigentlich ist das wohl auch die Einstellung, die man von einem Jugendamt erwarten sollte. Wo aber waren sie bei mir gewesen. Bei mir ging es nicht ums Beobachten, sondern darum was mir angetan wurde.
Ich konnte bis vor kurzer Zeit vielen Leuten nicht vergeben. Zu groß war der Hass auf manche Menschen. Jemanden zu verzeihen der seine schlechten Taten nicht bereut und damit sogar weitermacht, ist etwas, was mir sehr schwerfällt. Da ich ein gläubiger Mensch bin, wusste ich allerdings auch immer ganz genau, dass ich vergeben muss. Nur wie vergibt man einem Menschen, der einem das gesamte Leben zerstört hat, wie schafft man das nur?
Wer weiß vielleicht kann ich ja eines Tages all meine Wut und meinen Zorn komplett ablegen und in Frieden leben. Das wäre sehr schön, denn es ist keine Selbstverständlichkeit ein ruhiges Gewissen zu haben oder glücklich zu leben. Es steht jedem Menschen Glück zu, aber wir selbst verbauen uns sehr oft die Chance auf etwas Glück, indem wir zu leichtfertig mit wirklich wichtigen Dingen umgehen.
Ruhig aber geizig
Ich kam zu meinen Großeltern mütterlicherseits, da war ich ungefähr fünf Jahre alt. Ich hatte Glück, den ich war das einzige Kind dort, und demnach konnte auch kein anderes Kind mir vorgezogen werden. Darin bestand wohl auch mein ganzes Glück in dieser Zeit. Darin, und in der Tatsache, dass ich dort keine Schläge bekam.
Ich bekam dort mein eigenes Bett, aber zu meinem Leidwesen stand es in einer kleinen Kammer auf dem Dachboden. Jeden Abend lag ich in meinem Bett und zog mir die Decke bis an die Ohren, um alle eventuellen Monster und Dämonen davon zu überzeugen, dass ich nicht da war. Sicherlich hätte ich sie auch noch höher gezogen, aber sie war nicht länger, und um nichts in der Welt wäre ich je abends noch einmal aufgestanden, selbst wenn ich am Verdursten gewesen wäre. Im Halbdunkel der Kammer flackerte das Mondlicht durch den kleinen Raum und brach sich an allerlei Gegenständen, die an der Wand