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      „Hab ich das nicht toll eingefädelt?“ Und schaut dann in Richtung Amissa und Damien. Ah, deshalb ist sie daheim geblieben. Ich lächle ihr verschwörerisch zu.

      *

      Wir schlüpfen durch die Palisaden, lassen den Holunder links liegen und begeben uns zum Schuppen der Menschen. Dort gibt es wunderbare Verstecke, in die aber seit mindestens tausend Tagen keiner einziehen wollte, erst diese neue Familie hat es gewagt. Es ist sehr dicht an den Menschen, deshalb muss man einfach wachsamer sein, als am See.

      In der hinteren linken Ecke ist der Einstieg in die Behausung der Neusiedler. Ich rufe laut hinein. Kurz darauf erscheint eine etwas dickliche, matronenhafte Maus mit hellgrauem Fell.

      „Was kann ich für Euch tun?“ Begrüßt sie uns. „Ach herrje, die Hohepriesterin, kommt herein, kommt herein.“ Sie überschlägt sich fast vor Eifer. „Was verschafft mir die Ehre?“

      „Nun, ich mache jeden Herbst eine Reise und besuche alle Familien, um zu sehen, wie es ihnen geht und ob sie für den Winter gut gerüstet sind, oder noch irgendetwas brauchen,“ antworte ich. Wir gehen in die Wohnhöhle, alles ist blitzblank. Es riecht angenehm frisch, und die drei Kinder spielen in einer Ecke.

      „Schön haben Sie es hier,“ sage ich, „gemütlich und sauber.“

      „Ich gebe mir Mühe, es den Kindern so schön wie möglich zu machen.“ Sie lächelt stolz.

      „Ist Ihr Mann beim Sammeln? Ich würde ihn gern kennenlernen, bisher hatten ja immer nur wir zwei miteinander zu tun.“ Sofort senkt sie den Kopf und beginnt zu weinen. Habe ich etwas Falsches gesagt?

      „Was ist mit Ihnen, geht es Ihnen nicht gut?“

      „Doch, ich schäme mich nur so.“ Sie lässt den Kopf hängen. Dann setzt sie sich auf den Boden.

      „Warum, dafür besteht doch gar kein Grund,“ sage ich tröstend. Sie flüstert mit gesenktem Kopf.

      „Weil er mich verlassen hat.“ Ich lege tröstend den Arm um ihre Schulter. Da sprudelte es aus ihr heraus.

      „Er hat eine andere gefunden, da war ich nicht mehr gut genug und er hat mich und die Kinder einfach alleingelassen.“

      „Das tut mir leid, aber deswegen müssen sie sich doch nicht schämen.“ Sie schüttelt den Kopf.

      „Meine Eltern haben mich gewarnt, aber ich war so verliebt, dass ich mit ihm gegangen bin. Hätte ich nur auf sie gehört, aber wenn man jung ist...“

      „Fehler machen wir doch alle, sie haben wunderbare Kinder, so brav, vergessen sie einfach ihren Mann. Wenn er sie nicht will, dann brauchen sie ihn auch nicht.“ Amissa tröstet die Frau mit ihren Worten offensichtlich, denn ihre Mine erhellt sich wieder.

      „Beim Sammeln hätte er aber gut helfen können,“ meint sie, „das schaffe ich kaum allein.“

      „Brauchen Sie Hilfe?“ Frage ich sie.

      „Hilfe könnte ich schon gebrauchen, wir haben noch längst nicht alles, was wir für den Winter benötigen, aber da mein Mann weggelaufen ist, muss ich eben selbst versuchen genug Nahrung zu sammeln.“

      „Ich könnte jemanden schicken, der hilft.“ Biete ich an.

      Fast schon beleidigt meint sie.

      „Hohepriesterin, das ist nicht nötig, ich schaffe das schon, ich habe schließlich auch meinen Stolz.“ Ich nicke, mache mir aber eine geistige Notiz, ihr ein paar Lebensmittel zu schicken. Dann komme ich zum eigentlichen Grund meines Besuches.

      „War dieser falsche Priester auch bei Ihnen?“ Sie nickt.

      „Ja, aber ich habe ihn vertrieben. Der war doch verrückt, sein Gefasel über einen anderen Gott. Für mich gibt es nur MUS.“

      „Ich frage mich auch, warum sie vor ein paar Tagen nicht zum Trinken gekommen sind?“ Ich schaue sie dabei aufmerksam an.

      „Aber das ist doch erst in zehn Tagen, und da kommen wir natürlich.“ Ich erkläre ihr, dass wir in Zukunft zwei mal pro Mond anbieten zu Trinken und zu Beten, sie ist erfreut, hat aber offensichtlich nichts davon gewusst.

      Wir verabschieden uns kurz darauf und gehen zur nächsten Familie, die in einem Baumstumpf des Nussbaumes lebt, der unter der Scheune hervor gewachsen ist. Die Menschen haben ihn vor einiger Zeit gefällt, dabei ist dieser hübsche Unterschlupf entstanden. Hier ist alles in Ordnung, sie leben schon den zweiten Sommer hier und haben ihre Angelegenheiten bestens geregelt. Auch sie wissen nichts vom zweiten Termin, den Priester haben sie gar nicht erst hereingelassen.

      *

      Heute war wahrscheinlich einer der letzten warmen Tage vor dem Winter. Bene nahm sich vor, hinauszugehen und noch einmal frisches Grünzeug zu sammeln.

      „Bene?“ Auruma rief nach ihm, sofort ging er hinüber zum Brunnen, an dem sie stand. Heute sah sie wieder hinreißend aus, so frisch und jung. Er schaute sie verliebt an.

      „Bene, irgendetwas stimmt mit dem Brunnen nicht, schau, der Wasserstand ist gesunken.“ Sie deutete auf das Wasser, das nur noch schwach zwischen den Steinen sichtbar war.

      „So ein Mist, jetzt muss ich das reparieren, dabei wollte ich doch Grünzeug für uns holen. Ich dachte, vor dem Winter tut es uns allen noch einmal gut.“ Er ließ den Kopf hängen. Joana, die gerade vorbei lief hörte seinen letzten Satz.

      „Bene, Anorex und ich können doch gehen, Grünzeug wäre jetzt herrlich. Repariere Du den Brunnen, das kann sonst keiner von uns. Wir holen uns etwas Frisches zum Abendessen.“ Sie rief nach Anorex und beide verließen den Bau. Bene kniete sich hin, und begann die Steine aus dem Brunnen zu holen.

      *

      Im Haus ohne Wände hat früher Sieglinde gelebt, eine sehr nette Feldmaus, nach ihrem Tod stand ihr Zuhause lange leer. Sie wohnte in einem Schrank der Menschen. Inzwischen ist wieder jemand eingezogen und ich gehe auch dort vorbei. Es sind halb verwilderte Hausmäuse, sie ernähren sich immer noch am Liebsten von dem, was bei den Menschen abfällt. Inzwischen sammeln sie auch ein bisschen, aber meist nicht genug. Im Prinzip bringen wir ihnen immer einen kleinen Vorrat kurz vor dem Winter vorbei. Jetzt möchte ich mich vergewissern, ob es diesmal auch so ist. Hugo, einer unserer Schüler erwartet mich schon.

      „Hab gesehen, wie Sie zur Scheune sind, Hohepriesterin, hab mir gedacht, Sie kommen gleich.“

      „Hallo Hugo, alles in Ordnung bei Euch?“ Ich lächle ihm freundlich zu. Er grinst zurück.

      „Ja, wollen Sie mal unsere Vorräte sehen, diesmal ist alles da,“ sagt er im Brustton der Überzeugung. Ich nicke ihm zu und er führt mich hinter den Schrank. Dort erlebe ich eine echte Überraschung, Unmengen an Nahrung liegen dort gestapelt.

      „Hast Du das alles gesammelt, Hugo?“ Er wirkt unglaublich stolz, als er mir antwortet.

      „Ja, wie ich es in der Schule gelernt hab. Wir ham hier Nüsse und Kerne gelagert, drin sind noch Kräuter und Beeren.“ Ich bin wirklich erstaunt.

      „Das hast Du toll gemacht, wird die Menge auch reichen?“ Erkundige ich mich.

      „Ja, so viel wie zehn Mäuse, hat Lehrer Berti gesagt, und soviel hab ich.“ Er sieht mich zufrieden an.

      „Hugo, ich bin sehr stolz auf Dich, das hast Du gut gemacht.“ Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus.

      „Danke, Mama war auch ganz hin und weg.“ Ich verabschiede mich, nicht ohne den Hinweis auf die geänderten Trinkzeiten. Aber das wusste er schon, er hatte es in der Schule noch mitbekommen. Wir gehen weiter zur nächsten Familie.

      So geht es uns bei jeder Familie, niemand hat von diesem neuen Termin vor fünf Tagen gehört, den Priester haben sie gleich weggeschickt oder gar nicht erst angehört. Deumtineo hat offensichtlich keinen Schaden angerichtet, aber die zwei Spatzen schon. Auf dem Weg zum Haselstrauch, schauen wir kurz am See vorbei. Ich bitte Berti und Beatus, dafür zu sorgen,

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