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Krieg und Frieden. Лев Толстой
Читать онлайн.Название Krieg und Frieden
Год выпуска 0
isbn 9783752994216
Автор произведения Лев Толстой
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Was wollen Sie, mein Lieber?« sagte Peter, die Achseln zuckend. »Die Frauen, mein Freund, die Frauen.«
»Nun ja«, erwiderte Andree, »die Frauen comme il faut – meinetwegen, aber nicht diese von Kuragin und den Wein – das kann ich nicht gutheißen.«
Peter wohnte bei dem Fürsten Wassil Kuragin und teilte das leichtsinnige Leben seines Sohnes Anatol, desselben, den man an die Schwester des Fürsten Andree verheiraten wollte, um ihn zu bessern.
»Wissen Sie«, sagte Peter, als ob ihm plötzlich ein glücklicher Gedanke gekommen wäre, »ich habe seit langer Zeit das auch gedacht. Bei dieser Lebensweise kann ich mich zu nichts entschließen und an nichts denken. Ich habe Kopfschmerzen und kein Geld. Er hat mich zu heute Abend wieder eingeladen, aber ich werde nicht hingehen!«
»Gib mir dein Ehrenwort, daß du nicht hingehen wirst!«
»Gewiß, ich gebe es Ihnen!«
9
Es war ein Uhr vorüber, als Peter seinen Freund verließ. Es war eine Juninacht, eine jener Petersburger Nächte fast ohne Dämmerung. Er stieg in eine Droschke, mit der Absicht, nach Hause zu fahren, aber während der Fahrt erschien es ihm immer unmöglicher, während einer solchen Nacht zu schlafen. Sein Blick schweifte durch die öde Straße. Dann dachte er daran, daß die gewöhnliche Spielgesellschaft sich jetzt bei Anatol Kuragin versammelte. Nach dem Spiel begann das Trinkgelage und das Ganze endigte mit einem Lieblingsvergnügen Peters.
»Soll ich nicht hingehen?« fragte er sich und dachte daran, daß er dem Fürsten Andree sein Wort gegeben hatte.
Aber wie es bei charakterlosen Leuten gewöhnlich ist, erfaßte ihn eine so unüberwindliche Lust, noch einmal dieses leichtsinnige Leben zu genießen, daß er beschloss, zu Anatol zu gehen. Er sagte sich, sein Versprechen habe keinen Wert, weil er Anatol versprochen hatte, zu kommen, ehe er dem Fürsten sein Wort gegeben hatte. Durch seine Wankelmütigkeit wurden oft seine dem Anscheine nach festen Entschlüsse umgestoßen. Peter gab wieder nach und ging zu Kuragin. Vor einem großen Hause neben der Kaserne der Chevaliergarde ließ er anhalten und stieg die erleuchtete Treppe hinauf. In dem leeren Vorzimmer herrschte Weingeruch; leere Flaschen, Mäntel und Galoschen lagen umher und in der Ferne hörte man ein Stimmengewirr und Rufen. Nachdem Peter den Mantel abgenommen hatte, trat er in das Zimmer ein, wo die Reste des Abendessens umherstanden, und ein Diener, der Straflosigkeit sicher, heimlich die halbvollen Gläser leerte. Weiterhin im dritten Zimmer hörte man unter allgemeinem Gelächter und Lärm das Brummen eines Bären. An einem offenen Fenster standen acht junge Leute, drei von ihnen spielten mit einem jungen Bären, welchen einer von ihnen an einer Kette hielt und auf seine Genossen hetzte.
»Ich wette auf Stevens«, rief der eine.
»Aber nicht helfen«, sagte ein zweiter.
»Ich wette auf Dolochow!« schrie eine dritte Stimme. »Kuragin, trinken Sie!«
»Nun, laßt Mischka beiseite, es handelt sich um eine Wette.«
»Aber mit einem Wurf, sonst hat er verloren«, rief eine fünfte Stimme.
»Heda, die Flasche!« brüllte der Herr des Hauses, ein großer, schöner, junger Mann in der Mitte der Gruppe, ohne Rock und mit vorn offenem Hemd.
»Stille, meine Herren, da ist Petruschka«, wandte er sich an Peter.
Ein hochgewachsener junger Mann mit hellblauen Augen, dessen ruhige, nüchterne Stimme in seltsamem Kontrast zu den anderen stand, rief ihn ans Fenster.
»Komm her, ich will dir die Wette erklären.«
Das war Dolochow, ein Offizier vom Semenowschen Regiment, ein bekannter Raufbold und Spieler, der bei Anatol wohnte. Peter lächelte und blickte vergnügt um sich.
»Um was handelt es sich?«
»Einen Augenblick, er ist noch nüchtern! Schnell eine Flasche her!« rief Anatol. Dann nahm er ein Glas vom Tische und näherte sich ihm.
»Vor allem mußt du trinken.«
Peter trank Glas auf Glas, doch dies hinderte ihn nicht daran, der Unterhaltung zu folgen und alle Gäste zu beobachten, welche sich wieder beim Fenster versammelt hatten. Anatol goss ihm Wein ein und erklärte ihm die Wette Dolochows mit dem Engländer Stevens, einem Seemann. Der erstere hatte sich verpflichtet, eine Flasche Rum auszutrinken, auf einem Fenster der dritten Etage sitzend, die Beine zum Fenster hinaushängend. »Da trink«, wiederholte Anatol, indem er Peter das letzte Glas anbot, »ich lasse dich nicht früher los.«
»Nein, ich will nicht mehr«, sagte Peter. Dolochow hielt den Engländer am Arm und wiederholte ihm nochmals deutlich die Bedingungen der Wette. Dolochow war von mittlerer Größe und etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Er hatte blaue Augen und trug, wie alle Infanterieoffiziere, keinen Schnurrbart. Die Linien seines Mundes waren merkwürdig fein, die Oberlippe trat etwas über die Unterlippe hervor, in beiden Mundwinkeln spielte beständig ein Lächeln, man hätte fast sagen können zwei Lächeln, welches in Verbindung mit seinem festen, zuversichtlichen und intelligenten Blick die Aufmerksamkeit anzog. Er hatte kein Vermögen, keine Verbindungen, wohnte bei Anatol, gab Tausende von Rubeln aus und verstand es bei alledem, sich so zu stellen, daß seine Bekannten mehr Achtung für ihn als für Anatol hatten. Er spielte alle Spiele, gewann immer wieder und trank enorm, ohne jemals die Selbstbeherrschung zu verlieren. Kuragin und er waren damals Berühmtheiten in der leichtsinnigen Welt der Petersburger Lebemänner.
Man brachte eine Flasche Rum. Zwei Diener, welche von dem Lärm und den widersprechenden Befehlen schon ganz konfus geworden waren, bemühten sich, den Fensterrahmen herauszureißen, welcher dabei hinderlich war, sich auf den äußeren Rand der Fensteröffnung zu setzen.
Anatol näherte sich. Vom Verlangen getrieben, etwas zu zerbrechen, stieß er den Diener zurück und rüttelte an dem Rahmen, welcher Widerstand leistete, wobei eine Fensterscheibe zerbrach.
»Nun, du Herkules«, sagte er zu Peter. Peter faßte den Rahmen und riß ihn mit Krachen heraus.
Dolochow hatte die Rumflasche ergriffen, trat an das offene Fenster und sprang auf die Brüstung.
»Hört!« rief er, das Gesicht nach dem Innern des Zimmers gewendet.
Alles schwieg. Dann begann er französisch, damit der Engländer ihn verstehen konnte: »Ich wette fünfzig Imperials, oder wollen Sie hundert?«
»Nein, fünfzig«, erwiderte der Engländer.
»Gut, ich wette fünfzig Goldstücke, daß ich diese Flasche Rum austrinken werde, ohne abzusetzen, und daß ich sie hier außerhalb des Fensters sitzend austrinken werde, ohne mich an irgend etwas festzuhalten. Einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte der Engländer.
Anatol hielt denselben am Rockknopf fest und wiederholte ihm auf englisch die Bedingungen.
»Das ist nicht alles«, rief Dolochow, indem er mit der Flasche auf die Fensterbank schlug, um sich Gehör zu verschaffen. »Kuragin, paß auf! Wenn jemand dasselbe tut, bezahle ich ihm hundert Goldstücke. Verstanden?«
Der Engländer nickte, machte aber keine Miene, diese neue Wette anzunehmen. Ein junger Gardehusar, welcher den ganzen Abend Unglück im Spiel hatte, kletterte auf das Fenster und blickte hinab.
»Oh! Oh!« murmelte er.
»Still!« rief Dolochow und zog den Offizier zurück, welcher an seinen Sporen hängenblieb und linkisch ins Zimmer stolperte.
Dolochow stellte die Flasche in die Fensteröffnung und kletterte langsam und vorsichtig hinauf. Dann stützte er sich mit beiden Händen gegen die beiden Seiten des Fensters und maß mit dem Auge seine Breite. Dann setzte er sich langsam nieder, ließ die Hände los, neigte sich etwas zur Linken, dann zur Rechten und ergriff die Flasche.
Anatol brachte