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vor zwei Tagen hat der Elefant meinen Kühlschrank gründlicher geplündert als ein Hamsterkäufer das Klopapier-Regal. Und natürlich die Schlammschlacht von Woodstock historisch korrekt wiederaufgeführt. Als Symphonie für einen Verdauungstrakt und mein Badezimmer.

      »Eigentlich gerne, aber ich bin gerade mitten …«, fange ich an.

      »Im Pyjama?«, unterbricht mich der Elefant. »Kommen Sie schon«, mault er, »mir ist langweilig. Ich kann aber gerade nicht aus dem Haus.«

      Weil ich von der Polizei gesucht werde?, ergänze ich in Gedanken. Als Ausbrecherkönig aus dem Heim für schwer erziehbare Rüsseltiere? Weil ich zwar ›angeblich harmlos‹ bin, aber in Wirklichkeit nur das Vertrauen meines Nachbarn erschleichen will, um ihn in einem unbeobachteten Moment mit dem Tatsachenhammer …

      »Draußen ist nicht safe«, sagt der Elefant, »zu viele Chemtrails im Moment.« Ich sehe durch den Spalt, dass er den Rüssel unter der Flurdecke hin und her schwenkt, als würde er Linien in den Himmel ziehen. »Alles voll mit Brainwash-Partikeln da draußen.«

      Brain-was-Partikel? Spinnt der? Ja, der spinnt, fällt mir wieder ein. Stand ja alles in der Zeitung.

      »Ich hab auch was Hübsches mitgebracht«, sagt der Elefant. Er hält eine Plastiktüte hoch, in der sich eine CD abzeichnet. Dürfte dauern, mich damit zu ermorden, denke ich. Es sei denn, man verwendet die CD als Pizzaschneider. Für Gliedmaßen.

      »Also gut«, sage ich und öffne die Tür, »aber nur eine Viertelstunde.«

      »Laser!«, freut sich der Elefant und gleitet so sanft an mir vorbei wie zwei Möbelpacker und ein Klavier an einem Treppenhaus.

      Im Wohnzimmer lässt sich der Elefant aufs Sofa fallen. Die Federn kreischen entsetzt, und aus der Seite des Möbels quillt Schaumstoff wie Marmelade aus einem Krapfen.

      »Hübsche Billo-Regale«, sagt der Elefant und deutet auf die Wand hinter mir.

      »Die heißen Billy-Regale«, sage ich.

      »Nein, nein, schon Billo«, sagt der Elefant. »Billo wie billig.«

      Ich sage erst mal nichts, sondern rücke nur unauffällig den Retro-Armleuchter aus der Dieter-Nuhr-Edition in die rechte Ecke, um ihn vor dem Elefanten in Sicherheit zu bringen.

      »Mögen Sie eigentlich Xavier Naidoo?«, fragt der Elefant.

      Xavier Kurt Naidoo? Dessen Zweitname mir überflüssigerweise sofort einfällt? Lieber würde ich mir die Ohren abschneiden. Das sage ich aber nicht, denn der Elefant starrt mich aus kleinen, gelben Augen an.

      »Hat früher mal ganz schöne Sachen gemacht«, antworte ich vorsichtig und lasse den Satz ein wenig wie eine Frage klingen.

      »Hab ich mir gleich gedacht, dass Sie das auch so sehen. Toller Künstler. So engagiert. Mutig. Und dabei tiefgründig. Wollen Sie was Neues hören?« Mit seinem Rüssel zieht der Elefant die CD aus der Tüte. Der Titel lautet: ›Marionetta Slomka‹. Ich bin ziemlich sicher, dass ich das nicht hören will.

      »Bestimmt interessant«, höre ich mich stattdessen sagen, aber der Elefant hat die Glitzerscheibe schon von meinem CD-Player einsaugen lassen. Erstaunlich, wie ein Elefant das ohne Daumen hinkriegt, denke ich, während der CD-Player kurz auf dem Album herumkaut. Sogar ohne Finger, um genau zu sein.

      Aber da dringt schon Xavier Kurts Stimme aus den Boxen.

      »Wenn es vorbeiweht, sieht’s harmlos aus wie Feuerwerk«, singt der Mannheimer Pop-Erlöser. »Doch dort am Himmel streun sie Gift, ganz unbemerkt.«

      Nanu? Das Lied kenne ich. Also zumindest die Melodie.

      »Unsre kollektive Blindheit ist eines Sklaven wert«, näselt Naidoo weiter. »Doch ich bin wenig kriecherisch. Ihr verseucht mich so leicht nicht.«

      Jetzt fällt es mir ein: Das ist das Lied aus der Asterix-Verfilmung. Mit Gerard Depardieu als Obelix. Muss bald 20 Jahre auf dem Buckel haben. Ich hatte nur den Text irgendwie anders in Erinnerung.

      »Je mehr ihr mich vergiftet, desto unbeugsamer werd ich«, naidoot es weiter. »Meinen Körper, meine Stimme kriegt ihr nicht. Es gibt Grenzen, die ihr mit Millionen von Untaten verwischt. Aber meine Rübe brainwasht ihr nicht.«

      Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Elefant mit dem Rüssel ein imaginäres Orchester dirigiert. Mir läuft es kalt den Rücken runter.

      »Das ist aber nicht die Originalversion?«, frage ich sehr laut, um die Musik zu übertönen.

      Der Elefant blickt auf, schüttelt nur den Kopf und tippt dann mit dem Rüssel die Anlage an, um einen Track weiterzuspringen. Kurzes Intro, dann wieder Kurt.

      »Dieses Land ist keine Republik«, nudelt Naidoo nun, »dieses Land ist ne GmbH.«

      Auch dieses Lied kenne ich. Aber auch hier stimmt der Text nicht. In meiner Erinnerung lauten die Lyrics: ›Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer.‹ Der Elefant hat es doch nicht geschafft, die Balla-Balla-Balladen des Reichsbarden in einer noch bekloppteren Version aufzutreiben?

      »Der Ami lenkt, sind nicht selbstbestimmt«, singt Xavier seinen Weg weiter, »nur’n Satellit von den US und A.«

      Ich muss etwas tun, damit das aufhört. Kurt, Schluss!

      »Woher kommt denn der neue Text?«, frage ich ziemlich laut, und dann gleich noch mal: »Der Text, das ist doch nicht das Original?«

      Der Elefant ist so gnädig, die Lautstärke runterzuregeln.

      »Ist ne Sonderpressung«, erklärt der Dickhäuter, »die kriegen nur Members von Xaviers Alu-Club.« Er lächelt, offensichtlich, um mich wissen zu lassen, dass er ein Member ist.

      »Was ist ein Alu-Club?«, frage ich.

      »Ist wie Gold-Club«, sagt der Elefant. »Nur ne Stufe besser. Hier, gibt’s als Willkommensgeschenk.« Er greift noch mal in die Plastiktüte, aus der er jetzt eine Schiebermütze holt, wie sie der Mannheimer Sänger trägt. Mit dem Unterschied, dass die Schiebermütze im Rüssel des Elefanten ganz mit Alufolie umwickelt ist.

      »Schützt vor Strahlen aus dem All. Und man hat besseren Handyempfang. Darf nur nicht zu nah an die Mikrowelle damit«, sagt der Elefant und hält mir die glitzernde Batschkapp hin, »wollen Sie mal? Is safe.«

      »Nicht nötig«, wehre ich ab. »Aber sagen Sie mal: Was soll denn das mit den USA und Chemtrails und der BRD GmbH?«, frage ich. »Das ist doch alles reichlich … wirr.«

      Das hätte ich nicht tun sollen. Der Elefant schaut mich mit großen Augen an.

      »Leben Sie hinterm Mond?«, fragt er entsetzt. Er drückt sich die Vorderfüße in die Wangen und macht das Scream-Emoji mit Rüssel.

      »Hinterm Mond halten sich doch schon die Nazis versteckt«, wage ich vorsichtig einen Witz, aber der Elefant murmelt nur: »Dacht ich’s mir doch.«

      Dann setzt er zu einem Monolog an. Einem langen Monolog. Schwer zu folgen. Und lang. Und schwer zu folgen. Der dadurch nicht besser wird, dass Xavier im Hintergrund weiter vor sich hin stöhnt. Nach einer Viertelstunde versuche ich, zusammenzufassen.

      »Wir leben verfassungsrechtlich noch im Deutschen Reich?«, sage ich. »Weil die BRD eine Privatorganisation ist? Die aber von den USA besetzt gehalten wird?«

      »Klo-rrekt«, nickt der Elefant ernst. »Aber wir wissen das. Das Problem ist, dass die wissen, dass wir wissen. Natürlich wissen wir wieder, dass die wissen. Das wissen die aber auch! Deshalb wollen die uns das Gehirn weichkochen.«

      »Mit Chemtrails?«, rate ich.

      »Voll! Mit Brainwash-Partikeln! Und Allstrahlen! Damit wir nicht aufwachen!«, blubbert der Elefant. Dann senkt er die Stimme. »Jetzt verrate ich Ihnen mal was, was nur die Allereingeweihtesten wissen.«

      »Da bin ich aber gespannt«, sage ich so unironisch wie möglich.

      »Hinter den USA stecken gar nicht die Amis.«

      »Wer

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