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also alles längst vergangen?

       Ja! Nein!

       Alles vergeht. Nichts vergeht. Alles, was war, das ist.

       Also war alles wahr!? Und auch er existiert, heute alt, doch damals jung. Und doch ..., denkst du verwundert und schaust ihn noch immer an. Gebannt, verzaubert lauschst du seinen nie gesprochenen Worten. Die Bilder, die er dir zeigt, die Töne, tausend Gerüche und Gefühle, selbst die Welten und Wesen, die da geboren werden und leben und wieder vergehen, all dies verändert sich - in dir.

       Waren da am Anfang nur stottern, erinnern von kurzen Episoden, Splitter nur - Tropfen aus seinem Geist, so tritt nun aus Fels ein Quell, wird Bach und Fluss und Strom. Alles beginnt zu fließen und - zu flimmern. Also verändert sich auch der alte Mann.

      Kann das denn sein? - der wird ja merklich jünger! - und das geht rasch! - von einem Augenblick zum andern, als wäre da Magie im Spiel. Schon ist der Wandel vollbracht.

       Gegangen ist ein wenig Weiß, auch etwas vom Grau, mehr Farbe ist wieder in seinem noch immer schütteren, doch längeren Haar. Wie es weht im Wind!, den du nicht spürst, der hier nicht ist, den es gar nicht geben kann.

       Du schaust ihn an, rückst näher ran, doch fasst du ihn nicht an.

       Jetzt ist seine Haut fast faltenlos und ohne Altersflecke. Und dir dämmert - oder flüstert es dir jemand zu?:

       Zehn Jahre könnten es gewesen sein.

       Aber weshalb, wieso? Als Belohnung gar fürs Erzählen seiner Abenteuer, falls es denn wirklich geschah und nicht nur Dichtung war?

       Dies alles fragst du dich noch und hörst ihn auch schon sprechen:

      „Ja, so ist es: Als alter Mann von 80 kam ich auf die Welt, damals in einer Stadt - der Stadt mit Namen Kaiserslautern. Mit 70 verließ ich den Wald. Nun bin ich 60 Jahre jung geworden.“

       Staunend mit offenem Mund versuchst du zu verstehen. Jünger sieht er tatsächlich aus. Doch Schein und Sein sind zweierlei. Ist alles nur Illusion, Traum oder Zauberei?.

       Im Zentrum des Platzes, wo einst Rosenhecken blühten, dann Blumenbeete waren, wächst nun überall grünes Gras. Heuschrecken springen - Sommerzirpen.

       Dort liegt er schon auf den Rücken, schaut in die Himmel auf, schließt seine Augen.

       Du hörst seine Stimme in dir flüstern, es ihm gleich zu tun.

      So legst auch du dich ins Gras und schließt die Augen.

       Du öffnest sie und findest dich - noch immer neben ihm auf der Wiese liegend wieder. Ein warmer Sommerregen fällt dir kitzelnd aus einer grauen Wolkendecke ins Gesicht. Du schließt deine Augen und - schaust von oben auf die Welt hinab, siehst im Zeitraffer, die Wasser der Erde verdunsten, Nebel am Morgen entstehen und zum Mittag hin vergehen. Überall sind da vom Tau benetzte Gespinste: Baldachine zwischen den Kräutern, spiralige Räder in den Lücken ausgespannt, jetzt noch, bis die Wärme sie wieder fast unsichtbar macht für Beute und Feind. Dann taucht eine andere Welt vor deinen Augen auf, in der die Nebel niemals vergehen, denn ...

      „Schau und lausche meinen Worten“, flüstert seine Stimme.

       In der Ferne hörst du Krähen krächzen.

       Sind es die, die du kennst? Rabenkrähen?

       Oder sollten es gar die großen Kolkraben sein?

      Nebelland

      Einst war alles Wald.

      Jetzt lärmt dort Stadt.

      Und morgen?

      Hier aber träumt hinter Nebeln

      ein anderes Land.

       Worte des Magiers

      Die Drachen erwachen

      aus ihren Träumen unter Bäumen

      im Nebelland.

      Sie öffnen ihre Augen.

      Sie schauen dich an.

      Du aber fragst staunend dich:

      „Und wer bin ich?“

       Worte des Magiers

      Alles

      entstand

      aus dem Drachen.

       Huai-Nan-Tzu

      Chinesische Landschaft

      Wie lange war es her, dass ich aufgebrochen war, mein altes Leben abgeworfen und eine Welt mit Namen Stadt hinter mir gelassen hatte?

      Wie viel Zeit verging, seit ich die Lichtung verließ, wo ich um dich trauerte, meine einzige große Liebe, bis ich Ihn Dort Oben sah?

      Tagelang war ich den verschlungenen Wegen gefolgt und nächtelang meinem Leuchtenden Pfad. So gelangte ich schließlich aus dem finsteren Wald auf eine singende Wiese. Staunend blieb ich stehen und sah empor: wie hell und voll die Mondin hier doch schien. Ich suchte mir einen Platz im Zentrum der Lichtung und legte mich hin.

      Öffne meine Augen am Morgen und schließe sie wieder, höre Vogelzwitschern, dazwischen die heisere Stimme einer Krähe. Unter und über allem liegt Stille, weit und breit sind da weder Menschenworte noch Maschinenlärm.

      „Wo bin ich?“, flüstere ich mir leise zu.

      „Wer bin ich?“, schallt das Echo aus mir heraus.

      Brandet empor Erinnern, ein Ruf, zwei Silben: „Man-fred!“

      Ja, der bin ich. Doch das ist nur ein Menschenname.

      Erst der Name, dann strömen die Bilder der Welt empor, Erinnern: Einst waren da Häuser und Straßen in der Welt mit Namen Stadt, dann geschah der Übergang.

      Einst war da eine Welt mit Namen Wald. Tiere und Menschen. Sieben Samurai und eine Frau - ach, Liebe, dein Name ist Nairra!

      Doch war da auch der Andere, der Dunkle, der alles zerstörte: Drefman! Er war Schwärze und Qual und Tod.

      Sie alle sind gegangen: weggegangen, dahingegangen, vergangen.

      Ich aber blieb - übrig - allein.

      Weshalb, warum, wieso?

      Nun bin ich hier auf dieser Lichtung, drehe mich im Kreis, schaue mich um, lausche, atme, rieche und schmecke die Luft.

      Nun bin ich hier und lebe, noch immer oder wieder, immer wieder?

      Geboren und geworden zu dem, der ich bin: Manfred der Magier: ein Mensch, ein Menschenmann. Und langsame lerne ich, die Dinge und Wesen zu lieben, nicht wie ich sie gern hätte, sondern so, wie sie sind. Am meisten aber liebe ich die Stille.

      Und während ich S-T-I-L-L-E denke, verstummt die Natur.

      Ich atme Stille ein ...

      Alles zerfließt ohne Laut, entschwindet sanft, doch unaufhaltsam.

      „Mein ganzes Leben schmilzt dahin!“, weine ich beim Anblick der braunen, gelb­roten Blätter der Bäume. Nichts bleibt für die Ewigkeit. Nichts nehmen wir mit auf unserem Weg. Alles verblasst! Kein Grün ist zurückgeblieben!

      Also gibt es keine Hoffnung?

      So gehen die liebgewordenen Dinge dahin und wandeln sich in Erinnerungen,

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