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      "Evangeline", wiederholte Conan und seine Hände, die zuvor meine Schultern umfasst hatten, glitten nun an meinen Armen herab. Sofort kehrte die Panik zurück und mein Herz galoppierte. In dem Augenblick, als er meine Hände in seine nahm, implodierte meine Welt.

      Ich spürte die Magie tief in mir rebellieren – und wie einen Staudamm die Grenzen meiner Kontrolle sprengen.

      "Conan, nicht –" Meine Warnung war ein atemloses Keuchen, als ich versuchte, meine Finger zu befreien. Mein flehender Blick traf seinen und ich erkannte Entsetzen, als ihm klar wurde, welchen Fehler er begangen hatte.

      Wie Magnete zog unsere Magie sich an und machte eine Trennung unmöglich. Funken begannen, zwischen unseren Fingerspitzen zu sprühen. Conan stöhnte, doch ich konnte nur hilflos zusehen wie meine Magie mit ungeahnter Gewalt in ihn drang. Er zuckte und seine Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu erkennen war. Energie pulsierte in meinen Fingerspitzen wie ein eigener Herzschlag, der pure Elektrizität durch meine Adern pumpte.

      Ich nahm Conans Magie – nahm sie in mich auf wie die Luft, die ich atmete und ließ nichts zurück. Die Kraft der Gier in meinem Inneren bereitete mir Entsetzen, doch so sehr ich auch versuchte, den Bund zu lösen, gelang es mir nicht. Verzweifelt rief ich meine eigene Magie zu mir, versuchte sie zurück an jenen dunklen Ort zu drängen, den Morrigan wie einen tiefen Abgrund in mir geöffnet hatte. Doch anstelle wieder in der Schwärze zu versinken, sprudelte nur noch mehr dieser dunklen, bösartigen Magie aus meinen Fingerspitzen und überzog Conans Hände mit glühenden Narben.

      Ich schluchzte auf. Jeder Nerv und jeder Muskel in meinem Innersten stemmte sich gegen das Monster, das die Magie aus mir machte – und doch war ich hilflos. Conan schrie mittlerweile vor Schmerzen und ich konnte nichts tun als die unbändige Energie zu spüren, mit der sein Leben und seine Kraft auf mich überging.

      Zu spät bemerkte ich den Schatten, der über uns fiel. Als ich den Blick von Conan nahm, entdeckte ich Morrigans Gestalt hinter uns. Ihre Arme waren ausgestreckt, die Handflächen auf uns gerichtet und an der Kette auf ihrer Brust glühte noch immer der Ring. Bevor ich eine Warnung schreien konnte, erfasste ein Windstoß Conans Körper. Mit ungeheurer Kraft riss die Böe ihn von mir und schleuderte ihn meterweit gegen eine Hauswand. Hilflos sah ich zu, wie er zu Boden sackte – seine Hände überzogen von rotem Narbengewebe und seine Augen leer.

      Im nächsten Moment stand Morrigan über mir.

      "Dieser Krieg hat gerade erst begonnen", sagte sie, während sie den Ring zurück in ihr Mieder schob. "Deine Welt wird brennen."

      Im selben Moment schlugen Flammen aus der Erde, die mich umgab. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich die Wiese in ein Inferno und über dem Knistern des Feuers hallte Morrigans Lachen in meinen Ohren.

      Morrigans Lachen und ... Schreie.

      Die nächsten Augenblicke flossen zäh wie Honig durch mein Bewusstsein. Die Welt um mich versank hinter einem Schleier, bis nur noch die Flammen und das Rauschen des Blutes in meinen Ohren existierten. Mein Herz schlug gegen meine Rippen und mit jedem Atemzug schluckte ich Asche und Staub. Alles in mir sehnte sich nach Ruhe. Danach, einfach liegenzubleiben, die Augen zu schließen und das Leben verstummen zu lassen. Wäre da nicht die Erinnerung an Conan, an den Schmerz in seinem Blick und die Geschwindigkeit, mit der die Böe ihn von mir gerissen hatte, die Art, wie er zu Boden gesackt war. Leblos.

      Ein Zischen drang durch meine zusammengebissenen Zähne, als ich mich aufrichtete. Die Hitze des Feuers brannte auf meiner Haut und trieb mir die Tränen in die Augen, doch ich hatte keine Wahl. Mit dem letzten Rest Selbstbeherrschung, den ich aufbringen konnte, rief ich den Wind zu mir. Ich erinnerte mich an die Trainingseinheiten mit Aurica, wenn ich die Kontrolle über das Feuer verloren und mit anderen Elementen geschummelt hatte. Die Worte perlten so leicht von meinen Lippen, als hätten sie nur darauf gewartet, ausgesprochen zu werden. Innerhalb von Sekunden starben die Flammen, bis mich nur noch Ascheflocken und verbrannte Erde umgaben.

      In der Zeit eines Wimpernschlages kehrte die Welt zurück. Schreie und das Klirren von Metall echoten in meinen Ohren. Keine zehn Schritte entfernt – in den Gassen des Dorfes – tobte der Kampf. Ich erkannte einige der Hexen – Novizen, die vor oder nach mir trainierten – zwischen den roten Uniformen der königlichen Soldaten. Männer und Frauen wirbelten in einer brutalen Choreografie umeinander. Magie traf auf kalten Stahl, Holzstöcke auf Rüstungen. Funken stoben, als eine Hexe des Feuers von einem Soldaten bedrängt wurde. Schreie und Befehle an die Magie schwollen zu einem ohrenbetäubenden Lärm und Morrigans Männer krümmten sich unter Schmerzen oder spuckten Wasser, als wären sie im Begriff zu ertrinken. Einen Augenblick lang glaubte ich sogar, Sidony unter den Kämpfenden zu entdecken.

      Erst, als ein Stein nur eine Handbreit an meinem Kopf vorbeizischte, kam ich in Bewegung. Ein Schritt, zwei Schritte, drei. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass dieser Kampf mir galt, dass ich versagt hatte und trotzdem noch lebte. Ich wollte nicht wissen, warum Morrigan verschwunden war oder was in diesen Augenblicken passiert war. Ich wollte nur eines: spüren, dass Conan lebte. Spüren, dass ich nicht das Monster war, für das ich mich hielt.

      Atemlos fiel ich neben seinem zusammengesunkenen Körper auf die Knie. Meine zitternden Finger berührten sein Handgelenk, suchten vergeblich nach einem Puls und streiften dabei die Narben, die groß und wulstig seine Haut bedeckten. Die Erkenntnis, dass ich das getan hatte, brachte mich beinah um den Verstand. Der Moment, als ich begriff, dass ich seinen Puls nicht finden würde, gab mir den Rest. Verzweifelt presste ich meine Finger an seinen Hals, meine Hände auf sein Herz und versuchte mich an die Zahlen zu erinnern, die das Leben zurück in seinen Körper pumpen würden. Zwanzig? Dreißig? Wie stark musste ich pressen?

      Meine Lippen bebten und schließlich konnte ich mich nicht länger zurückhalten. Zitternd ließ ich die Hände sinken, während ein Schluchzen aus meiner Kehle brach.

      Zu spät bemerkte ich den Schatten, der über uns fiel. Als ich herumfuhr, erkannte ich Sidony.

      "Morrigan ...", murmelte ich hilflos. "Sie hat ... Ich wollte nicht ... Er braucht Hilfe."

      Sidony entgegnete nichts. Schweigend stieg sie über Conans Körper, bevor sie sich an seine Seite kauerte.

      "Was ist mit Morrigan?", fragte ich leise. Der Gedanke, sie könnte noch immer da draußen sein, zwischen den Hexen und nur darauf warten ...

      "Sie hat den Rückzug angetreten." Sidonys Tonfall war so nüchtern, dass ich nicht sicher war, ob die Gestalt, die ich vorhin im Kampf entdeckt hatte, tatsächlich sie gewesen war. Es musste so sein, doch die unterkühlte Art, mit der sie zuerst Conan und dann mich musterte, hatte nur wenig mit der Frau gemein, die ich kannte.

      "Das war nicht Morrigan, richtig?", folgerte sie ohne den Blick von Conans Händen zu heben. "Das warst du."

      "Er hat ... Ich konnte nicht ..." Verzweifelt suchte ich nach Worten, die entschuldigen würden, was ich getan hatte, doch ich fand keine. Es gab keine Worte, keine Erklärung, die die Narben auf Conans Haut heilen würde. Ich war ein Monster und ich sah diese Erkenntnis auch in Sidonys Blick.

      "Lass ihn los", forderte sie streng. "Lass ihn los, Evangeline. Sofort."

      Zögernd bettete ich seinen Kopf auf den harten Boden, bevor ich zurückwich. Mein Blick schweifte über meine eigenen Hände, die trotz allem unversehrt geblieben waren, dann zu Conans Körper, der nun in Sidonys Schoß ruhte. Ich sah, wie ihre Lippen sich bewegten und sie Zauber um Zauber murmelte, immer schneller und schneller. Ihre Hände lagen auf Conans Brust, als könne diese einfache Berührung sein Herz wieder zum Schlagen bringen.

      Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ohne Nachzudenken wandte ich mich ab und rannte. Der Kampf in den Gassen hatte sich gelegt, doch im Schutz der Häuser und auf der Wiese, die an den Wald grenzte, kauerten noch immer Hexen. Sie beugten sich über die Verletzten und heilten Schnitte und Stichwunden. Das Gras war braun und klebrig vom Blut des Kampfes. Die Verheerung raubte mir den Atem. Die Luft war schwer vom Geruch nach Eisen und Übelkeit wallte in mir auf, als ich all die Verletzen sah, um die sich die Heiler bisher noch nicht hatten kümmern können.

      Ich hatte kaum einen Fuß

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