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Club Infantil. Jo Thun
Читать онлайн.Название Club Infantil
Год выпуска 0
isbn 9783847610960
Автор произведения Jo Thun
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Ja, aber ich wiege noch mehr,“ antwortete ich, weil ich mich ja nicht von einem kleinen Mädchen übertrumpfen lassen musste.
„Aber mein Papa wiegt noch mehr. Und er ist auch viel stärker als du!“
Unglücklicherweise stellte sich heraus, dass der starke Papa mit seinen reizenden Kindern in der 48, mir schräg gegenüber wohnte. Der fragte mich zum Abschied: „Kommst du später auch zu Sule?“
Verblüfft guckte ich ihn an. Mit wie vielen Männern hatte sich Sule denn hier verabredet? „Weiß nicht, ich bin ein bisschen müde. Wohl eher nicht.“
„Na ja, bis demnächst dann!“ Und damit verabschiedeten wir uns.
Meine Wohnung war sehr schön. Ein großes Wohnzimmer mit eingebauter Küche, großer Essecke und Terrasse auf den See hinaus, dann ein geräumiges Schlafzimmer und getrenntes Kinderzimmer mit Kinderbettchen und kleiner Rutsche, und natürlich ein Bad mit Wickeltisch, Babywanne und Heizstrahlern. Alba unterteilte Menschen gerne in zwei Sorten, zum Beispiel in solche, die, wenn sie über das Geld von Anderen verfügten, mehr ausgaben, als sie für sich springen lassen würden, und solche, die sparsamer mit fremdem Geld umgingen als mit eigenem. Alba selbst gehörte anscheinend zu der ersten Sorte.
Am liebsten wäre ich gleich aufs Bett gefallen, aber ich musste ja noch den Rest der Sachen holen. Kurz überlegte ich, ob ich Ben alleine hierlassen konnte, aber das ging wohl nicht. Ich hatte Rana versprochen, ihn keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als nochmal zurück zum Parkplatz zu gehen, mitsamt dem schweren Autositz. Mittlerweile hatte Ben schon wieder Hunger und ließ seinen „Wo ist die verdammte Flasche“-Schrei hören. Als ich unterwegs einen leeren Gepäckwagen sah, schnappte ich ihn mir und stellte Bens Sitz darauf. Das war schon besser. Das Rumpeln gefiel ihm und er wurde wieder still.
Beim Auto angekommen stellte ich Ben zunächst wieder zurück ins Auto, bepackte den Gepäckwagen und nahm den Kinderwagen heraus. Dann bettete ich Ben um und schloss das Auto ab. Doch wie sollte ich Gepäckwagen und Kinderwagen gleichzeitig bewegen? Wenn ich jeweils einen Wagen mit einer Hand lenkte, stießen die Räder immer gegeneinander. So ging das nicht. Ich versuchte es damit, einen zu schieben und den anderen zu ziehen. Das funktionierte auch nicht. Schließlich schubste ich den Gepäckwagen immer ein paar Schritte nach vorne, lief mit dem Kinderwagen hinterher und schubste dann den Gepäckwagen erneut von mir weg. So kam ich schließlich verschwitzt und erschöpft bei Nr. 45 an. Langsam verstand ich, warum Alba sagte, ein Kind brauche ein ganzes Dorf. Für einen alleine war ein Kind eine ganz schöne Herausforderung.
Eine halbe Stunde später lag Ben satt und frisch gewickelt auf meiner Brust, während ich durch die Kanäle flippte. Aber schon nach wenigen Minuten machte ich den Fernseher wieder aus. Ben war viel lustiger anzusehen. Er konnte seinen Kopf schon ganz gut heben und sah mich mit schelmischem Blick an. Und lächelte dabei. Als wolle er mir auch ein Lächeln entlocken. Wie hübsch er war! Sein Kopf hatte die perfekte Form. Über seinen Kopf zu streicheln war wie eine kleine, flaumige Bowlingkugel zu polieren. Seine Augenbrauen waren fein geschwungen, die dunklen Augen groß, die Nase klein, und der Mund voll und rot. Am besten gefielen mir seine langen Augenwimpern.
Weil er am liebsten auf dem Rücken lag, hatte ich seine Babydecke auf dem Boden im Wohnzimmer ausgebreitet. In Rückenlage schien er sich nie zu langweilen. Ich guckte ihm eine Weile zu, wie er mit den Beinen ausschlug, den Kopf drehte, oder sich seine Hände anguckte. Alba hatte recht. Auf meine besorgte Frage, was ich denn den ganzen Tag lang mit ihm machen sollte, hatte sie gesagt, er müsse gar nicht bespaßt werden. Er hätte so viel zu entdecken, zu üben und zu schauen, da komme keine Langeweile auf. Zu viel Stimulation würde ihn nur verwirren.
Was wohl in seinem kleinen Kopf vorging?
„Verrückt: wenn ich meine Bauchmuskeln anspanne, dann gehen da unten am Horizont zwei Füße auf. Das sollte dieser Papa-Typ auch öfter mal machen, vielleicht bekäme er dann seinen Wabbelbauch wieder in den Griff.“
„Immer wenn ich wünsche, dass sich die Finger bewegen, tun sie es auch. Echt cool! Ich habe es schon 578 probiert, und es klappt jedes Mal. Papa, guckst du? Ich mache es jetzt zum 579. Mal.“
Und dann gibt es noch ein tolles Spiel. Ich blase Spuckblasen und danach lutsche ich an meiner Unterlippe, das flutscht so schön. “
Als Ben seine Rückenlage dann doch langweilig wurde, war es auch schon Zeit zum Abendessen. Ich zog mir meinen Lieblingspulli über, nahm Ben auf den Arm und lernte Lektion Nr. 7: Während der ersten Lebensmonate eines Kindes (genauer: der ersten drei Jahre) einfach keine schönen Sachen anziehen. Babies haben einen siebten Sinn für frisch gewaschene und teure Stoffe und spucken bei Berührung mit solchen sofort, während sie alte Schmuddelpullis oft tagelang nicht beachten. Dann eben wieder der alte Schmuddelpulli. Und richtig, noch nicht einmal ein Tropfen Sabber ließ Ben auf ihn fallen. Ich packte ihn in den Kinderwagen und machte mich auf den Weg. Den Plan ließ ich zu Hause, so schwer würde das Zentrum ja nicht zu finden sein. Es gab tatsächlich genug Hinweisschilder auch für die doofsten Eltern: Adler, die an jeder Straßenecke mit dem Flügel in die richtige Richtung wiesen. Diese ganze Anlage erinnerte mich irgendwie an die Mini-Version eines amerikanischen Vororts, wo vor jedem Haus ein Basketballkorb steht und in jeder Haustür eine kleine Klappe für den Hund hin und her schwingt. Und auch die Leute, die Richtung Adlerhorst strömten, kamen mir vor wie aus einem Film. Jung, schön, fröhlich, und alle mit 1,5 Kindern.
Ich passte überhaupt nicht hierher! Ben brauchte das alles nicht, keinen Adlerhorst, keinen Kinderklub und keine Wasserwelt. Und ich brauchte das auch nicht. Als wir im Restaurant ankamen, stand mein Entschluss fest: Ich würde morgen wieder nach Hause fahren und mir dann mit Ben ein paar schöne Tage zu Hause machen! Ich stellte den Kinderwagen ab und nahm Ben mitsamt der Tragetasche heraus.
Während ich auf einen Zweiertisch am Fenster zusteuerte, hechtete mir einer der Kellner hinterher. „Darf ich fragen, welche Zimmernummer Sie haben?“
„45.“
„Ach ja, aus dem Fuchsbau. Wollen Sie zu Sule?“
„Äh, ich wollte nur zu Abend essen.“
„Ja, genau. Folgen Sie mir bitte.“
Wer verflucht war denn diese Sule? Und woher wusste der Kellner, dass meine Cousine mich mit ihr verkuppeln wollte?
In dem Raum, in den der Kellner mich führte, saßen viele Männer mit Kindern, aber komischerweise nur eine einzige Frau. War das Sule? Einige der Typen nickten mir freundlich zu und ich beschloss nach einigem Zögern, mich an einen Tisch nahe der Durchgangstür zu setzen, die zurück in den großen Speiseraum mit dem großen Büffet führte.
Ich legte meinen Zimmerschlüssel auf den Tisch zum Zeichen, dass er besetzt war und nahm die Tasche mit Ben, um mir was zum Essen zu holen. Ein Mann mit rotem Pulli und grüner Hose am Nebentisch rief mich zurück: „Lass das Kind doch hier, ich pass drauf auf.“
Durfte ich ihm trauen? Auf den ersten Blick machte er einen ganz netten Eindruck, und ich wollte schließlich nicht wie ein überbehütender Gluckenvater erscheinen. Ihm gegenüber saßen Zwillinge und stritten sich um die Ketchup-Flasche. „Super, danke! Bin gleich wieder da.“
Ich nahm mir einen großen Teller und von allem ein bisschen, sicherheitshalber auch schon mal einen Schokoladenbrownie – nicht, dass nachher keiner mehr da war – und eilte zurück zum Tisch. Der nette Mann hatte inzwischen die Ketchup-Flasche an sich genommen und damit die Wut der Zwillinge auf sich gelenkt. Hätte er überhaupt gemerkt, wenn jemand Ben hätte klauen wollen?
„Bin wieder da. Danke nochmal.“
„Ist doch kein Ding. Wie heißt er denn?“
„Ben.“
„Und, zum ersten Mal hier, stimmt’s?“
„Na ja, so alt ist er ja noch nicht. Und ohne Kind kommen normale Erwachsene ja wohl kaum hierher, oder?“
„Stimmt. Ohne Kinder wäre ich jetzt auch lieber