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den Flüssen viele nette Menschen kennen. Georg war für die Routenplanung zuständig. Die zweite Tour verlief an der Donau von Ulm nach Wien. Wieder fragte Antje nach Zeltmöglichkeiten, manchmal zelteten sie auch auf Wiesen am Fluss. In Wien angekommen fuhren sie in die Lerchengasse. Dort hatte Robert, ein Freund, den Georg in Genf getroffen hatte, eine Wohnung. Diese stellte er ihnen zur Verfügung. Sie erkundeten Wien, fuhren dann mit der Bahn nach Berlin zurück.

      In ihrer Westberliner Wohnung hängt ein Plakat mit der Aufschrift:

      „Bürger! Halte nicht länger am Auto fest!“

      Es zeigt eine Hand, die ein Holzauto umklammert hält. Ironischerweise sollte Georg wenig später zum Autovermittler werden.

      Der Treibhauseffekt droht, Auslöser eines Artensterbens ungeahnter Ausmaße zu werden. Über zwanzig Prozent des deutschen Kohlendioxidausstoßes gehen auf den Straßenverkehr zurück. Spätere Generationen werden für das Festhalten am Verbrennungsmotor kein Verständnis haben. Die Benzinpreise steigen, vielleicht Abbild verknappender Vorkommen. Peak Oil, der weltweite Höhepunkt der Erdölförderung, liegt möglicherweise schon hinter uns. Wenn die Chinesen demnächst ihre Wirtschaftsleistung verdoppeln werden, bedeutet das für den Verbrauch nichts Gutes. Erdöl ist Grundstoff der chemischen Industrie, wofür es unbedingt gebraucht wird. Auch deshalb kann der Bedarf einer wachsenden Autoflotte nicht nachhaltig abgedeckt werden.

      Die Antiautofront gerät durch Antje ins Wanken. Sie muss für ihre Arbeit in der Diakoniestation Wilmersdorf den Führerschein machen. Außerdem ist Georg schon seit geraumer Zeit mitverantwortlich für die Fahrten eines Wartburgs in Kamenz. Nach dem Freistreiten einer Häuserzeile mit Gaststätte für eine alte Erbengemeinschaft aus Sachsen beim Amt für Offene Vermögensfragen vermittelte das Maklerbüro die Häuser an den Dresdener Rechtsanwalt Schmitz. Dieser brachte es aber nie zur Sanierung. Dank der Provision wechselten sie das Auto und fuhren dann einen blauen Opel Astra Kombi. Diesem dieselbetriebenen Wagen verdankten Antje, die Kinder und Georg einen wundervollen Winterurlaub im schwedischen Smaland in einem tief verschneiten roten Holzhaus mit Kamin. Sie bauten riesige Schneemänner und hängten Schlitten an die Anhängerkupplung des Astra.

      Die steigenden Provisionen aus Versicherungsvermittlung und Immobiliengeschäft ermutigen Georg und seinen Kompagnon, das Hinterhofbüro zu verlassen und in ein modernes Bürogebäude zu ziehen. Um den Umzug medienwirksam zu gestalten, holen sie für vierzehn Tage ein einsitziges E-Mobil nach Kamenz. Dessen Verkäufer hatte Georg über einen Artikel in der Berliner Tageszeitung TAZ kennen gelernt. Es ist ein dreirädriges rotes Cabrio mit fünfzig Stundenkilometern Spitze, der Fahrer liegt fast im Fahrzeug. Das alles bei einer Reichweite von vierzig Kilometern mit einer Akkuladung, völlig ausreichend für Stadtfahrten. Hergestellt in Dänemark, das keine traditionelle Autoindustrie besitzt. Sie machen auf einem Schulhof Station, lassen Schüler auf dem Kindersitz mitfahren und erhalten die gewünschte Medienresonanz. Natürlich fährt Georg später auf der Straße mit seinem Gewicht von sechzig Kilogramm auch auf dem Kindersitz. Es hätte sicher funktioniert, wenn nicht ein Federbein angeknackst gewesen wäre. So brechen sie auf offener Straße zusammen. Sie rollen das Cabrio auf den Bürgersteig und zu einer nahe gelegenen Schlosserei. Dort baut man ein neues Federbein ein und kreiert für das Gefährt den Namen Schneewittchensarg. Der Händler kommt und holt seinen Schneewittchensarg wieder ab. Der Kaufpreis von zwölftausend D-Mark, in heutigem Geld sechstausend Euro, lassen sie von einem Erwerb Abstand nehmen, obwohl die Betriebskosten bei zwei D-Mark pro hundert Kilometer für Ladestrom und KfZ-Steuerbefreiung extrem günstig sind.

      Aber sie haben sich für das Thema E-Mobil erwärmt. Auf einem Maklertag bei BCA in der Nähe von Frankfurt am Main präsentieren sie gemeinsam mit der Entwicklerfirma Auto Technik Walter ein anderes Fahrzeug. Es handelt sich um einen auf Elektroantrieb umgerüsteten Kleinwagen, wie er von Rentnern und Behinderten benutzt wird. Man frage nicht, wie sich dieses Auto neben all den Oberklasselimousinen auf dem Hotelparkplatz ausnimmt. Einer der wenigen Makler, die das E-Mobil bei achtzig Stundenkilometern Spitze, einer Reichweite von achtzig Kilometern und einem Kaufpreis von dreißigtausend D-Mark überhaupt zur Kenntnis nehmen wollen, sagt nur:

      „ Da braucht man ein gehöriges Selbstbewusstsein!“

      Viel später, als Georg einen gebrauchten Audi A6 mit Recarositzen und Bose-Soundsystem für fünftausend Euro kaufen würde, versteht er, was der Makler gemeint hat.

      Antjes Chefin Elisabeth in der Diakoniestation bekommt mit, dass Georg sich mit E-Mobilen beschäftigt. Als er in der gemütlichen Wohnküche sitzt, Kaffee trinkt und im Radio Gerd Westphal Thomas Manns „Josef und seine Brüder“ lesen hört, klingelt das Telefon:

      „Elisabeth von der Diakoniestation hier. Du hast Ahnung von E-Mobilen? Kannst du uns beraten?“

      „Klar, wann?“

      „Passt es dir gleich?“

      „Ja, nur noch Gerd Westphal zu Ende hören!“

      Wenig später geht er von der Otto-Schramm-Straße durch den Volkspark zur Station.

      Elisabeth begrüßt ihn freundlich, bietet Gebäck an. Sie fragt nach einem Zweisitzer für ihre Pflegerinnen.

      Georg recherchiert am Markt und schlägt ihr das E-Mobil Kewet El Jet aus Dänemark vor. Es kostet dreiundzwanzigtausend D-Mark. Auf einer Leitungssitzung der Diakoniestation hält er einen Vortrag über die Umwelt- und Wirtschaftlichkeitsaspekte einer Anschaffung des Kewet. Um auch die umweltfreundliche Erzeugung des Ladestroms zu gewährleisten, schlägt Georg den Versammelten die Beteiligung an einem Windpark vor. Solarstromanlagen sind gegenwärtig noch zu teuer. Das macht aber nichts, denn Wind ist auch eine saubere Energiequelle. Letztendlich umgewandelte Sonnenenergie, weil Wind Ausdruck verschiedener Druck- und Temperaturverhältnisse ist, die auf die Sonneneinstrahlung zurückgehen.

      Am Ende wird der Kauf beschlossen, und Elisabeth streichelt sanft Georgs Rücken. Er verdient an der Vermittlung fünfhundert D-Mark. Der Händler, ein schmerbäuchiger Mitarbeiter der Berliner Stadtwerke, liefert den Kewet aus. Er ist rot und sieht aus wie ein Faustkeil. Drei Zeitungen bringen Bildberichte. Pat, Antjes ältester Sohn, zeigt die Artikel einer Freundin. Die meint nur:

      „Das E-Mobil erinnert mich an ein Dixieklo!“

      Pat ist enttäuscht. Schon bald gibt es die ersten Havarien mit dem Kewet. Als während einer Fahrt die Tür herausfällt, hat Elisabeth genug. Sie zwingt den Händler, das E-Mobil zurückzunehmen.

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