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in Zakopane an. Er läuft bis zum Morskie Oko, Meeresauge, dem größten See der Hohen Tatra. In der Baude macht er Quartier. Am nächsten Tag steht die Rückfahrt nach Berlin an.

      Die Mauer fällt. Georg läuft mit den Massen zum Grenzübergang Invalidenstraße. Irritierend ist für ihn die Ansprache eines entgegenkommenden Mannes, der einen Schweineschädel im Arm trägt:

      „Soviel gibt es bei uns für euch!“

      Er fährt mit der S-Bahn zu Antje in den Grunewald, wo sie mit den Kindern in einer Pension wohnt. Die Parties am Brandenburger Tor und am Kurfürstendamm ignoriert er. Aber in der Grunewaldpension werden sie nicht glücklich. Antje zieht in ein Einraumappartement in das Rotlichtviertel der Lietzenburger Straße. Sie beginnt eine Ausbildung zur Altenpflegerin am Olivaer Platz. Georg macht die Kinder morgens für die Schule fertig. Er hört an der Humboldt-Universität auf und wechselt zur Freien Universität in Dahlem. Neben dem Studium lernt er beim Universitätssport Jonglieren und Nahkampf.

      Eines Tages haben die Kinder rote Flecke im Gesicht. Die Hausärztin stellt fest: Wanzen! Das Appartement wird geschlossen. Sie ziehen gemeinsam in Georgs Einraumwohnung in die Bergstraße. Einmal müssen sie über eine Nachbarin steigen, die betrunken im Treppenhaus liegt. Trost ist nur Oma Hildegard im ersten Stock.

      Georgs Freund Paul Champagnol lädt Antje und ihn zu sich nach Lyon ein. Sie holen die Fahrkarten am Vorabend der Reise am Bahnhof Zoo. Auf dem Rückweg spazieren sie, entdecken das Lokal Terzo Mondo in der Grolmannstraße. Sie essen überbackenen Schafskäse und trinken Imiglikos rot. Andreas, der Sohn des Wirtes Kostas, spielt Guitarre und singt dazu. Später würde der Wirt Antje als Kellnerin einstellen.

      Dann bietet sich Georg die Gelegenheit, anstelle der Einraumwohnung in der Bergstraße eine gasbeheizte Dreiraumwohnung in der Eichendorffstraße 4, erste Etage, auch in Mitte, zu mieten. Es sind zwei sehr hohe Zimmer, mit Stuck, zur Straße und eines zum Hof, welches sehr dunkel ist.

      Mit John unternimmt Georg eine Radtour durch das Oderland. Erste Station ist das Heinersdorfer Vorwerk, wo seine Schwester Anita mit ihrem Freund Mats ein altes Landarbeiterhaus restauriert. Es geht weiter nach Neuhardenberg. Im Schlosspark veranstalten sie ein Kirschkernweitspucken. Die nächste Übernachtung finden sie im Garten bei den Künstlern Barbara und Hans in Karlshof an der Alten Oder. Das Wetter wird schlecht, und sie fahren über Wriezen nach Berlin zurück.

      Trotz Regens behält John seine gute Laune. Er singt laut Torfrock:

      „Wir saufen den Met, bis keiner mehr steht, unser Häuptling heißt Rote Locke…“

      Bausoldatenfreund Albert hatte mit seinem querschnittsgelähmten Schwager zu DDR-Zeiten die handwerkliche Gemeinschaft Behinderter „Otto Perl“ e.V. gegründet. Dort stellten sie vor allem Tiffanyglasereien und Glasbilder her, die sich sehr gut verkauften. Um Antje zu unterstützen, ließ er ihr Aufträge zukommen. Nach Mauerfall kam die Billigkonkurrenz aus Fernost, und die Gemeinschaft musste nach neuen Betätigungsfeldern suchen. So kam Albert auf den Kapitalmarkt.

      Albert schlägt Georg vor, bei der Dortmunder Geldanlagefirma Advalor mitzumachen. Georg hat mit Spekulationen bei der Währungsunion und in DDR-Silbermünzen Geld verdient und steigt ein. Das erste Treffen mit der Firmenleitung verläuft befremdlich. Von Ostseite sind Ex-Offiziere der Grenztruppen dabei. Neben der Geldanlage, als Köder, werden auch günstige Versicherungen angeboten.

      Bald fliegt der Schwindel auf: Minus fünfzig Prozent für die Anleger. Georg, der nur wenige Kunden für Advalor geworben hat, beschließt, mit einem Kamenzer, der mit Albert auf einem katholischen Priesterseminar gewesen war, als Versicherungsmakler weiterzumachen. Als Beratungsgrundlage nutzen sie die Vergleichstabellen von Stiftung Warentest. Sie treten dem Maklerverband BCA bei und erhalten gute Konditionen bei vielen Versicherungen. Damit es sich lohnt, nehmen sie noch Immobilienvermittlung hinzu. Sie bekommen einen gebrauchten PC von Albert und richten ihr Büro in einem Hinterhof ein. Das Geschäft läuft gut. So studiert Georg in Berlin und betreibt parallel das Maklerbüro in Kamenz mit. Da er keinen Führerschein hat, heißt das, viel Bahnfahren. Auf einer Fahrt von Kamenz nach Dresden lernt er die blonde Anke kennen. Sie wohnt in Dresden, studiert dort Landschaftsgestaltung. Sie tauschen die Adressen aus. Er versucht oft, sie in ihrer Wohnung zu besuchen. Nie ist sie da. So bleibt es beim Briefkontakt. Dann steht eine große Reise für Georg an. In die USA! Er kam über die Quäker an die Information, dass die US Information Agency die Reise für junge europäische Führungskräfte ausschreibt. Er bewirbt sich, wird genommen, weil er dank eines Assimilsprachkurses gut Englisch spricht, aus dem Osten kommt und früher mit Antje einer Rüdersdorfer Umweltgruppe angehört hat. Er würde in Amerika mit der Dakotafrau Keneje schlafen. In Berlin wohnt Antje inzwischen für ein Jahr als Untermieterin eines Goldschmiedes in der Würzburger Straße in Berlin Charlottenhof. Später würde sie eine Vierraumwohnung in der Schrammstraße, Berlin Wilmersdorf, bekommen. Dort wohnt Georg mit. Seine Eichendorffstraßenwohnung steht meistenteils leer. Manchmal wohnt seine jüngere Schwester dort. Als er eines Abends nach einem Theaterbesuch, zu dem er allein gewesen war, in der Eichendorffstraße übernachten will, ist sie da. Spätabends, etwas wütend, muss er noch nach Wilmersdorf. Läuft die Invalidenstraße entlang, Richtung Lehrter Bahnhof. Aus einem Keller dringt Musik. Er steigt hinunter. Es ist eine Studentenparty. Come on baby light my fire von den Doors wird gespielt. Georg tanzt mit einer jungen Frau. Spannung baut sich auf. Sie verlassen gemeinsam die Party, gehen zu ihr. Die ganze Nacht tauschen sie Zärtlichkeiten aus, schlafen aber nicht miteinander. In der Ecke des Schlafzimmers steht ein Babybett. Nach dem Frühstück trennen sie sich. Georg nimmt ihre Adresse nicht mit. Erzählt Antje nichts von seinem Abenteuer.

      3. Die ersten E-Mobile

      Der Einsatz von Kohle war der erste Schritt hin zu unserer heutigen Zivilisation. Sie stellte deren energetisches Startkapital dar. Kohle entstand im Lauf von Millionen Jahren aus pflanzlichem Material. Die Pflanzen bilden sich mittels Fotosynthese aus Sonnenlicht. Deshalb ist ihre Energie gespeicherte Sonne. Eingesetzt fand sie sich zur Steigerung der Mobilität nach Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt in Lokomotiven und Dampfschiffen sowie im Hüttenwesen und zur Raumheizung. Nach der genialen Erfindung des Dynamos durch Wernher von Siemens, bei der die Bewegungsenergie des Dampfes in Elektrizität umgewandelt wird, kamen Kraftwerke dazu. Ihre Energie setzt die Kohle bei der Verbrennungsreaktion mit Luftsauerstoff frei. Dabei entsteht Kohlendioxid, ein Gas, das für den Klimawandel verantwortlich ist. Zusammen mit der Begrenztheit der Vorräte bildet diese Tatsache die Erklärung dafür, dass die Kohlenutzung auf ein Ende zusteuert. Weitgehend als Heizmaterial wurde sie schon von Erdgas. Chemisch gesehen Methan, strömt es ständig aus den Weiten Sibiriens nach. Kohle dagegen musste, wie Georg sich gut erinnert, mühsam in den Woltersdorfer Hauskeller geschaufelt werden, wo auch der Ofen für die Zentralheizung von Hand zu beschicken war. In der Rüdersdorfer Schule hieß es, vor Unterrichtsbeginn Kohleeimer in den Klassenraum schleppen.

      Vor dem Durchbruch des Erdgases liegt die Erfolgsgeschichte eines Stoffes, der zwischen der festen Kohle und dem Erdgas steht. Das Erdöl. Reichmacher für einst arme Regionen in Nahost. Benzin und Diesel werden aus ihm gewonnen und damit der Treibstoff für ein ganz neues Lebensgefühl, das des Automobilzeitalters. Nicht zu vergessen die Trucks und die Motorräder mit ihrer eigenen Romantik. Wie gut, dass das Abfallprodukt der Benzinherstellung, der Asphalt, über die Landschaft gewalzt als Fahrbahn für die bunten Flitzer dient, denen Designer im Laufe von Jahrzehnten immer neue wunderbare Formen gegeben haben. Außer natürlich in der DDR, deren schlimmstes Produkt der Trabant war, klobig und kläglich zugleich mit stinkendem Motor. Der Wartburg aus Thüringen erschien Georg etwas besser, sodass er sich nach dem Besuch des Werkeiskommandos in Fürstenwalde für einen Wartburg Tourist anmeldete. Die Autoproduktion lag so niedrig, dass er mit einer Wartezeit von bis zu fünfzehn Jahren rechnen musste. Er sah die Anmeldung mehr als Kapitalanlage für den Tauschmarkt. Seine Familie hatte zu Hause kein Auto, was der Vater mit dem Ausspruch:

      „ Ich bin kein Autofreund!“

      zementierte. Sie machten Radtouren und gingen wandern. Als sie noch zusammen waren, tat Georg das mit Antje, seiner späteren Frau und ersten großen Liebe und ihren drei Kindern. Legende

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