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Weise kennengelernt hatten, schwärmte Anna als wahrscheinlich treueste Brenderianerin für den Schauspieler. Aber niemals wäre sie so vermessen zu glauben, er könne sich für eine Frau wie sie ernsthaft interessieren. Abgesehen davon konnte er nahezu jede Frau in ganz Deutschland haben, da würde er sich wohl kaum eine von oben bis unten vernarbte und kaputt gevögelte Ex-Nutte ans Bein binden. Dass er sich überhaupt mit ihr abgab, übertraf schon all ihre Erwartungen um Längen und sie wollte ihr Glück nun wirklich nicht überstrapazieren.

      Stattdessen versuchte sie noch einmal, ihre Freundin zu überreden, sie zu begleiten. “Bitte, komm doch mit. Wenn du Madame erklärst, was los ist, wird sie dir sicher frei geben für heute Abend!” Doch sie hatte keinen Erfolg.

      “Versteh' doch bitte, ich brauch das Geld! Ich muss da heute hin!”

      Anna verstand nicht.

      Immerhin hatte sie gerade eine Botschaft von dem Mann bekommen, der sie schon zwei Mal beinahe umgebracht hatte. War es da so ungewöhnlich, dass sie ihre einzige wirkliche Vertrauensperson bei sich wünschte? Zumal sie ja nicht wusste, was sie bei Chris unter Umständen noch erwarten würde.

      Vivien verhielt sich irgendwie komisch. Wenn Anna genauer darüber nachdachte, hatte sie sich in den vergangenen Monaten häufig eigenartig verhalten. Sie hatte ihre Freundin sogar schon darauf angesprochen, hatte aber nur eine Abfuhr bekommen.

      Nun, Vivien wusste, dass sie jederzeit zu ihr kommen konnte, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. Sie würde ihr nicht weiter hinterher laufen.

      Achselzuckend ging sie zurück ins Wohnzimmer, wo Frey gerade unter dem Beistelltisch nach der Spritze suchte und vor sich hin fluchte.

      “Was denkt sich dieser Mistkerl eigentlich? Kann der uns nicht einfach in Ruhe lassen?”

      Schließlich bekam er die Spritze zu packen, legte sie mit spitzen Fingern zurück in das Holzkästchen und schloss es eilig, als könnte sein Inhalt ihm plötzlich ins Gesicht springen.

      Zuletzt schnappte er sich noch die Champagnerflasche, die er achtlos auf den Tisch gestellt hatte und hielt sie Anna unter die Nase.

      “Egal was heute noch passiert und wo wir am Ende des Tages sein werden – den gönnen wir uns heute noch!”

      Keine halbe Stunde später waren sowohl der Champagner, als auch der Ärger beim Dreh und eventuell nicht richtig sitzende Frisuren so egal, wie nur irgendetwas sein konnte.

      Polizeipräsidium Köln Kalk, Hülsers Büro

      “Sie gehen also davon aus, dass jemand Sie und Ihre Familien umbringen will, weil ein Anfänger, der seine Freizeit scheinbar zu oft auf irgendwelchen Mittelaltermärkten verbringt, Ihnen eine Blutfehde eingeredet hat?” Mit hochrotem Kopf und einem vernichtenden Blick für Werter marschierte Hülser vor dem Ermittlerteam auf und ab und brüllte sich gerade mal wieder in einen seiner Anfälle hinein. Er hatte sogar ganz vergessen, sich seine neuen Wunderpillen einzuschmeißen. “Und Sie erwarten ernsthaft, dass ich aufgrund eines solch vagen Verdachts Personenschutz für mindestens zwanzig Personen abstelle?”

      “Mit Verlaub, Herr Hülser”, unterbrach Werter seinen Monolog. “Das ist nicht irgendein vager Verdacht, sondern ein ziemlich handfester. Und wie ich Ihnen gerade erläutert habe, ist es mitnichten irgendjemand, sondern Tom Lorenz, von dem wir hier sprechen. Wenn mich nicht alles täuscht, sind Ihnen die näheren Umstände zu dem Fall durchaus geläufig. Da frage ich mich doch ernsthaft, wie Sie noch an der Notwendigkeit unseres Anliegens zweifeln können!”

      “Wie wagen Sie es, mit mir zu sprechen?”, keifte Hülser und hielt sich mit dramatischer Geste sein Herz. “Immerhin bin ich Ihr Vorgesetzter!”

      “Das ist mir durchaus bewusst. Trotzdem darf man ja wohl gerade von einem fähigen Vorgesetzten ein bisschen mehr Respekt für die Leute erwarten, die jeden Tag die Feldarbeit machen. Ohne Fußvolk kein Vorgesetzter! Oder sehe ich das falsch?”

      Der Junge hatte es drauf, Leute in ihre Schranken zu weisen, das musste Herwig ihm lassen. Ein bisschen respektlos gegenüber deutlich Höhergestellten vielleicht, aber solange er das nicht bei ihm versuchte, sondern es sich für die richtige Adresse aufhob, konnte Herwig gut damit leben. Und Hülser war mit seiner Verstocktheit gerade mit Sicherheit die richtige Adresse.

      Anfangs war Herwig nicht sonderlich begeistert gewesen, dass ihr neuer Kollege wieder ein recht junger Beamter war. Er erinnerte ihn einfach zu sehr an Ben. Nicht, dass er ihm nichts zutrauen würde, den Fehler würde er nicht noch ein weiteres Mal begehen. Denn gerade um dieses Thema war es mit Ben immer gegangen und letztlich hatten Herwigs Sticheleien den jungen Kollegen dann zu der unüberlegten Tat getrieben, die ihn das Leben kostete. Zumindest sah Herwig es so.

      Aber das war Vergangenheit und vielleicht tat ihnen ein bisschen frischer Wind tatsächlich mal ganz gut. Und bis jetzt machte Werter seinen Job ja auch ganz ordentlich.

      Der war allerdings immer noch nicht fertig mit seiner Zurechtweisung des Kriminaloberrats. Er setzte sogar noch eins drauf.

      “Im Übrigen täte es Ihrer Allgemeinbildung vielleicht auch mal ganz gut, sich mit den Gepflogenheiten unserer Vorfahren zu beschäftigen”, schoss er die nächste Salve auf den vor Wut schnaubenden Mann ab. “Vielleicht wäre Ihnen dann auch aufgefallen, dass Lorenz mit dem Versenden der Handschuhe eine deutliche Warnung ausgesprochen hat. Und dass er dafür Fehdehandschuhe nutzt, ist sicher kein Zufall, sondern bewusstes Kalkül. Er will offensichtlich mit allen abrechnen, die seine Ehre gekränkt haben und wie kann man jemanden besser treffen, als über seine Liebsten?”

      Herwig musste an eine Bemerkung des neuen Kollegen denken, die er auf dem Weg zu Hülsers Büro hatte fallen lassen. Werter hatte ihnen von Annas Postsendung berichtet und hatte sich gefragt, warum Lorenz ihr und Karstens eine solch persönliche Widmung beigefügt hatte. Oder anders gefragt, welche persönliche Gemeinheit Lorenz noch für Rina und ihn selbst, Hauptkommissar Herwig vorgesehen hatte, dass sie nicht mit ins Päckchen passte.

      Entweder hatten sie Werter bislang völlig falsch eingeschätzt oder es hatte einfach ein bisschen Aklimatisierungszeit gebraucht, um seine wahren Qualitäten zum Vorschein zu bringen.

      “Der macht dir noch deinen Rang als teameigener Vulkanier streitig”, raunte Herwig Karstens grinsend zu. “Wart's ab!”

      “Der gefällt mir”, flüsterte Karstens zurück. “Erst der Kantinendrache, jetzt Hülser...doch, gefällt mir!”

      Gespannt, wer von den beiden als Sieger aus dem Duell gehen würde, richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Streitgespräch. In dem Moment bimmelte Herwigs Handy.

      Hülser bedachte den Kommissar mit einem missbilligenden Blick, als dieser aufstand, um den Raum für das Gespräch zu verlassen.

      “Susanne? Hör zu, Schatz! Ich bin grad in einer Besprechung. Ich ruf dich gleich...”

      Einen Moment lang hörte er schweigend zu, dann krachte er wie vom Blitz getroffen auf seinen Stuhl zurück. “Nein!”, keuchte er. “Sag, dass das nicht wahr ist!”

      Die anderen im Raum waren sofort alarmiert. Viel sagende Blicke wurden ausgetauscht und jeder von ihnen war auf das Schlimmste gefasst. Nur Hülser schien nicht zu verstehen und wirkte eher beleidigt, dass Herwig seine Schlacht mit Werter unterbrochen hatte.

      “Ich...wir kommen sofort”, hauchte Herwig so leise, dass man ihn kaum verstand. Mit zitternden Händen beendete er das Gespräch und starrte sie hilflos an. Es dauerte einen Moment, bis er sich soweit gefangen hatte, dass er reden konnte.

      “Dieses Schwein hat meine Kinder”, krächzte Herwig mit rauer Stimme. “Meine Kinder!!!”

      Noch bevor Hülser irgendwie reagieren konnten, stürmte das Team auch schon zu Tür heraus. Nur Werter nahm sich die Zeit, Hülser noch einmal fest ins Gesicht zu sehen, bevor er den Kollegen eilig folgte.

      “Und, noch Fragen?”

      Köln,

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