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      Nur würde seine Geschichte heute alles andere als witzig sein.

      Grzyeks osteuropäisches Temperament lief gerade zur Hochform auf und Karstens machte sich auf eine Familiengeschichte gefasst, weil sie dabei die Nase so komisch kraus zog, wie sie es immer tat, wenn sie von ihren Brüdern oder Eltern erzählte.

      “Ich dachte, es wären Kirill oder Tolja”, legte sie dann auch erwartungsgemäß los. “Ich mein, wer sonst außer meinen Brüdern traut sich, mich an meinem ersten freien Sonntag seit Wochen aus dem Bett zu klingeln? Na, gut, ihr vielleicht noch, aber sonst?”

      Vorsichtshalber nickten alle zustimmend, man konnte ja nie wissen. Selbst ihr neuer Kollege, Kommissar Matthias Werter, hatte in seinen gerade mal drei Wochen bei ihnen schon gelernt, dass das gesünder für ihn war.

      Er mochte zwar nicht der Hellste sein, kein Vergleich jedenfalls zu Ben Müllenbeck, seinem Vorgänger. Aber dass es besser war, Rina ausreden zu lassen, hatte er schnell begriffen.

      “Und, wer war es nun?”, wagte ihr Teamleiter Hauptkommissar Torsten Herwig zu fragen. Wahrscheinlich der Einzige von ihnen, der sich das erlauben konnte.

      “Nun wart's doch ab“, sagte sie tadelnd. “Ich gehe also zur Tür und hab schon ein passendes Donnerwetter auf den Lippen und da sehe ich einen Paketboten die Treppe raufhetzen. Sonntags!”

      Neben Karstens straffte sich Herwigs muskulöser Körper merklich und eine unerklärliche Härte schlich sich in seine markanten Gesichtszüge. “Und?”, fragte er gepresst.

      Irritiert sah Grzyek ihn an, dann fuhr sie fort.

      “Er überbrachte mir ein kleines Päckchen, Absender unbekannt, aus Holland.”

      Triumphierend sah sie von einem zum anderen, als sei damit schon die Katze aus dem Sack. Doch während Karstens und Werter sich fragende Blicke zuwarfen, verlor Herwigs Gesicht alle Farbe. Grau wie eine Wand saß er da und starrte sie wortlos an.

      Grzyek bemerkte seine Veränderung jedoch gar nicht.

      “Ich hatte schon Sorge, Tolja hätte mir seinen Monatsvorrat Cannabis geschickt, um ihn nicht über die Grenze tragen zu müssen. Aber das war's nicht.”

      Wieder legte sie eine Kunstpause ein und allmählich war Karstens Geduld überstrapaziert. Er war mehr der pragmatische und logische Typ. Rätsel raten hasste er wie die Pest und das hier ging immer mehr in diese Richtung.

      “Kannst du mal auf den Punkt kommen, bitte?”, fuhr er sie genervt an. “Ich hätte da auch noch was zu berichten, was vielleicht nicht ganz unwichtig ist!”

      “Soll heißen, was ich zu sagen habe ist genau das – unwichtig?”

      “Das habe ich damit nicht gesagt!” Seine Hitzigkeit würde ihn irgendwann noch seine letzten Sympathisanten kosten. “Ich mein ja nur. Du machst es halt ganz schön spannend”, fügte er etwas versöhnlicher hinzu.

      Ihre Augen feuerten noch ein paar giftige Blitze in seine Richtung ab, dafür bequemte sich ihr Mund aber, mit ihrer Geschichte zum Ende zu kommen.

      “Also, um es kurz – und Jojo recht zu machen: Es war ein sehr hübsches Holzkästchen mit einem schwarzen Handschuh aus Spitze darin.”

      “Nein!”, rief Karstens überrascht aus, während Herwig neben ihm gequält aufstöhnte.

      Karstens verstand sofort, im Gegensatz zu Grzyek, die davon ausging, Post von einem unbekannten Verehrer bekommen zu haben.

      “Du auch?”

      Herwig nickte wortlos.

      “Paketbote?”

      Wieder ein Nicken.

      “Nun”, sagte Karstens gedehnt. “Ich habe auch einen schwarzen Spitzenhandschuh zugestellt bekommen.” Verwundert sahen seine Kollegen ihn an. Jetzt war er es, der es spannend machte. “Meiner kam aber nicht als Paketpost.”

      Wieder stockte er, diesmal jedoch nicht der Dramaturgie wegen, sondern weil es ihm tatsächlich schwer fiel, weiterzusprechen.

      “Mein Handschuh wurde mir von Jennifer Hölters zugestellt. Von Kitty!”

      Ungläubig starrten Herwig und Grzyek ihn an.

      “Das ist nicht komisch!”, zischte Grzyek wütend.

      “Nein, das ist mein Ernst”, erwiderte Karstens und sah ihr so fest in die Augen, dass sie merkte, wie ernst es ihm war.

      “Aber...”, stotterte sie hilflos. “Aber sie ist tot!”

      “Danke, dass du mich noch mal daran erinnerst.”

      Herwig stand auf und wirkte dabei, wie um zwanzig Jahre gealtert. Ziellos lief er im Büro auf und ab und versuchte zu begreifen, was er da gehört hatte.

      “Sie war in deiner Wohnung?”, fragte er seinen Kollegen schließlich vorsichtig. Jeder von ihnen wusste, dass die junge Frau, die, wie so Viele vergangenes Jahr im Laufe der “Brender-Morde” zu Tode gekommen war, Karstens nicht gleichgültig gewesen war.

      “Soll das etwa heißen, jemand hat sie ausgebuddelt und...”

      “...und mit dem Handschuh in der knöchernen Hand in mein Bett gelegt, ja!”

      Mitleid mit Karstens spiegelte sich in Grzyeks eben noch ungläubigem Gesicht, aber auch tiefe Abscheu vor jemandem, der es fertig brachte, eine seit einem Jahr verstorbene Frau auszubuddeln und durch die Gegend zu transportieren.

      “Aber, wer macht so was?”

      Bitter stieß Herwig seine Antwort hervor. “Ich denke, das wissen wir alle ziemlich genau, Rina! Oder?”

      “Wie jetzt?”, schaltete Werter sich ein, bei dem die Tatsache, dass Karstens eine skelettierte Tote im Bett liegen hatte, scheinbar gar nicht angekommen war. “Ihr habt gestern alle drei so einen Handschuh bekommen?”

      Ratlos blickte einer zum anderen.

      “Dann habt ihr jetzt wohl eine Fehde!”, stellte der Neuling begeistert fest und strahlte sie an, als könne er sein Glück, das mal erleben zu dürfen, kaum fassen. “Fehdehandschuhe! Das ist ja mal krass, Leute!”

      Köln Mediapark, später Vormittag

      Unfassbar laute Musik riss Christoffer Frey aus seinen Träumen von Urlaub in der Karibik mit Surfen, Kite-Board fahren und eisgekühlten Cocktails.

      Schlaftrunken wie er war, dauerte es einen Moment, bis er registrierte, dass die Geräusche von seinem Smartphone kamen, das direkt neben seinem Ohr lag.

      Welcher Idiot hatte es denn bitte schön da hingelegt?

      Fünfzehn Sekunden gnadenloses Gebimmel später begriff er endlich, dass er nicht etwa zu Hause in seinem Bett lag, sondern allem Anschein nach mit dem Gesicht auf der Tastatur seines Rechners am Firmenschreibtisch eingeschlafen war.

      Er wollte doch nur kurz die Augen zugemacht haben.

      Erbarmungslos plärrte das Gerät weiter vor sich hin, so dass er sich langsam genötigt fühlte, doch mal dranzugehen.

      Er war so todmüde, er konnte höchstens ein paar Minuten geschlafen haben. Andererseits, den Schmerzen am ganzen Körper nach zu urteilen, musste er sogar mehrere Stunden so gelegen haben. Mühsam versuchte er sich aufzurichten.

      “Ist ja gut, ich komme ja schon”, hatte er sagen wollen, doch seine steifen Muskeln ließen ihn nur schmerzgeplagt aufstöhnen. Bis er endlich den Arm Richtung Smartphone bewegt und ein halbwegs verständliches “Frey” rausgewürgt bekam, hatte der Anrufer allerdings aufgegeben.

      Mürrisch sah er nach, wer es gewesen war und sofort besserte sich seine Laune. Anna hatte angerufen. Das musste bedeuten, dass sie und Vivien wieder zurück waren.

      Schön!

      So konnte ja vielleicht doch noch was aus diesem

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