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Das wundersame Leben des Justin Hoppa. Clochard Raade
Читать онлайн.Название Das wundersame Leben des Justin Hoppa
Год выпуска 0
isbn 9783847673897
Автор произведения Clochard Raade
Издательство Bookwire
"Ihr müsst rasch machen", flüsterte Strowbarry der Mutter der Toten zu.
"Wir haben uns etwas verspätet, und es wäre unschicklich, den Geistlichen warten zu lassen. Los, Leute, - und so schnell wie ihr könnt."
Man hätte übrigens nicht nötig gehabt, sich so zu beeilen, denn als sie den Kirchhof erreichten, war noch kein Geistlicher zu sehen. Der Küster, der in der Sakristei saß, meinte, es könne wohl noch eine Stunde dauern, bis der Prediger käme. Man setzte den Sarg am Rande des Grabes nieder. Zerlumpte Jungen, die dieses Schauspiel nach dem Friedhof gelockt hatte, spielten herum und machten sich das Vergnügen, über den Sarg hin und her zu springen. Strowbarry und Braun saßen in der Sakristei beim Küster und lasen die Zeitung. Endlich, nach einer guten Stunde, sah man Herrn Braun, Strowbarry und den Küster zum Grab eilen, und gleich darauf erschien der Geistliche. Herr Braun prügelte, um den Anstand zu wahren, ein paar Jungen durch. Der Prediger las aus dem Gebetbuch so viel als sich in fünf Minuten zusammenfassen ließ. Drauf gab er dem Küster seinen Talar und eilte fort.
"Nun, Bill", sagte der Leichenbestatter zum Totengräber,
"wirf das Grab zu."
Nachher wurde der Kirchhof geschlossen, und Strowbarry fragte auf dem Heimweg Justin, wie es ihm gefallen hätte. Mit einigem Zögern sagte dieser, nicht sehr gut.
"Ach, mit der Zeit wirst du dich schon dran gewöhnen", meinte der Meister. "Wenn man es gewöhnt ist, macht es
einem gar nichts mehr, Junge."
Justin machte sich so seine Gedanken, ob Herr Strowbarry lange gebraucht habe, sich an etwas der Art zu gewöhnen. Er hielt es aber für besser, seine Frage für sich zu behalten.
Justin bekommt Selbstbewusstsein
Der Probemonat war vorüber und Justin wurde endgültig als Lehrling eingestellt. Die Jahreszeit war damals gerade ungesund und Särge fanden guten Absatz. Im Laufe einiger Wochen hatte Justin ziemlich Erfahrung gesammelt. Da er seinen Meister in den meisten Geschäften begleitete, um sich die Ruhe des Gemütes und jene Herrschaft über seine Nerven anzueignen, die ein so notwendiges Erfordernis für einen Leichenbestatter sind, so hatte er oft Gelegenheit, Zeuge der Ergebung und Seelenstärke zu sein, mit der so viele Menschen ihre Heimsuchungen und Verluste trugen. Wurde ein reicher alter Herr oder eine reiche alte Dame begraben, die von einer ganzen Anzahl Neffen und Nichten zur letzten Ruhe begleitet wurden, so konnte Justin in den meisten Fällen beobachten, dass dieselben Verwandten, die während der Krankheit der Verblichenen sich ganz trostlos gebärdet hatten, recht fröhlich miteinander plauderten, als ob nichts in der Welt imstande wäre, ihre gute Laune zu trüben. Männer ertrugen den Verlust ihrer Frauen mit der Ruhe. Frauen, die um den dahingeschiedenen Gatten Trauerkleider anlegten, schienen nur darauf bedacht zu sein, recht anziehend auszusehen. Das Justin sich durch das Beispiel dieser guten Leute in eine gleiche Gemütsruhe hineingearbeitet hätte, wage ich als sein Beobachter nicht zu behaupten. Ich kann nur sagen, dass er monatelang die schlechte Behandlung Maxwells mit Geduld über sich ergehen ließ. Giltine misshandelte ihn, weil es Maxwell tat, und Frau Strowbarry war seine erklärte Feindin, da Herr Strowbarry ihn gern zu haben schien. Justin fühlte sich daher zwischen diesen drei Gegnern und den vielen Ereignisse nicht ganz so behaglich, wie ein hungriges Ferkel, das aus Versehen in die Kornkammer einer Brauerei eingeschlossen wurde.
Justin und Maxwell befanden sich eines Tages zur Essenszeit allein in der Küche. Giltine war gerade abgerufen worden, und so musste man aufs Essen warten. Die Wartezeit glaubte Maxwell nicht würdiger ausfüllen zu können, als dass er Justin höhnte und neckte. Maxwell legte also seine Beine auf das Tischtuch,
zupfte Justin an den Haaren, kniff ihn in die Ohren, nannte ihn einen Kriecher und versprach ihm, dabei zu sein, wann und wo immer man ihn hängen würde. Da diese Neckereien ihren Zweck verfehlten, Justin zum Weinen zu bringen, wurde Maxwell noch ausfallender. Er fragte: "Armenhäusler!Wie geht es deiner Mutter?"
"Sie ist tot", entgegnete Justin, "wage es aber nicht, über sie zu reden." Dabei wurde er feuerrot im Gesicht und um seinen Mund zuckte es verräterisch, als ob er im nächsten Augenblick losweinen müsste.
Maxwell sah dies mit Befriedigung und fuhr fort:
"Woran starb sie denn?"
"An gebrochenem Herzen, wie mir eine alte Wärterin gesagt hat",murmelte Justin vor sich hin. "Ich kann mir denken, was das heißt."
Als Maxwell eine Träne über Justins Backen rinnen sah, pfiff er ein lustiges Lied und sagte dann:
"Was bringt dich denn so zum Heulen?"
"Du nicht" entgegnete Justin, indem er rasch die Träne wegwischte. "Glaub das nur nicht."
"Was, ich nicht?" höhnte Maxwell.
"Nein, du nicht", entgegnete Justin scharf. "Nun ist es aber genug. Wenn du noch ein Wort über sie sagst, dann sollst du mal sehen."
"Na, was denn? Was soll ich sehen. Armenhäusler, du wirst frech! Und deine Mutter! Wird auch eine feine Nummer gewesen sein. Du lieber Himmel!" Maxwell rümpfte die Nase. Justin fraß seinen Ärger in sich und schwieg. Dadurch ermuntert, fuhr Maxwell im Ton spöttischen Mitleides fort:
"Du weißt, da ist nichts mehr zu ändern, auch tust du uns allen leid, aber du musst doch wissen, dass deine
Mutter eine ganz schlimme Person war, vollkommen herunter gekommen."
"Was sagst du da", fragte Justin schnell aufblickend.
"Ein ganz heruntergekommenes Frauenzimmer, Armenhäusler", entgegnete Maxwell kühl, "und es ist nur gut, dass sie auf diese Weise starb, sonst hätte sie sicher im Gefängnis oder am Galgen geendet."
Glutrot im Gesicht, sprang Justin auf und Maxwell an die Kehle, nahm dann seine ganze Kraft zusammen und schmetterte ihn mit einem Schlag zu Boden.
"Er bringt mich um!" schrie Maxwell. "Giltine! Frau Strowbarry! Hilfe, Hilfe! Justin mordet mich! Er ist verrückt geworden! Gilt...tine!"
Maxwells Hilfegeschrei wurde durch ein lautes Kreischen Giltinens,und ein noch lauteres der Meisterin erwidert. Erstere eilte durch eine Seitentür in die Küche, während Frau Strowbarry so lange auf der Treppe stehen blieb, bis sie sich überzeugt hatte, dass keine Gefahr für ihr Leben zu fürchten sei.
"Du verfluchter Lump", schrie Giltine, indem sie Justin mit kräftiger Faust packte, "du undankbarer, mörderischer, nichtswürdiger Schurke", dabei schlug sie unbarmherzig auf ihn ein. Nun stürzte auch noch Frau Strowbarry in die Küche und zerkratzte Justin das Gesicht. Diesen günstigen Stand der Angelegenheit machte sich Maxwell zunutze, er sprang auf und knuffte Justin von hinten. Als alle drei müde waren und nicht mehr weiter prügeln konnten, schleppten sie den sich wehrenden, aber keineswegs entmutigten Justin in den Keller und schlossen ihn da ein. Frau Strowbarry sank in einen Stuhl und brach in Tränen aus.
"Himmel, sie stirbt", rief Giltine. "Schnell, liebster Maxwell, ein Glas Wasser."
"Ach, Giltine", stöhnte die Meisterin, "wir müssen Gott danken, dass wir nicht alle in unseren Betten ermordet wurden."
"Ja, der arme Maxwell war schon halbtot, als ich hinzukam."
"Armer Junge!" sagte Frau Strowbarry mitleidig. "Doch was machen wir nun? Der Meister ist nicht zu Hause, und in zehn Minuten wird Justin die Tür eingestoßen haben!"
Seine Fußtritte hörte man auch schon gegen diese donnern.
"Ich