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Das wundersame Leben des Justin Hoppa. Clochard Raade
Читать онлайн.Название Das wundersame Leben des Justin Hoppa
Год выпуска 0
isbn 9783847673897
Автор произведения Clochard Raade
Издательство Bookwire
"Hm, was ist das?" murmelte er, "ich höre bloß zwei. Wo mag der dritte sein? Sie werden ihn doch nicht geschnappt haben? Horch!"
Langsam öffnete sich die Tür, und der Ludok und Gunter Bund traten ins Zimmer.
Justin und seine Bekanntschaften
„Wo ist Justin?" rief der Russe wütend, "wo ist der Junge?"
Die jugendlichen Diebe waren über die Heftigkeit ihres Lehrmeisters so erschrocken, dass sie nicht sofort antworten konnten.
"Was ist aus dem Jungen geworden?" schrie der Russe und packte den Ludok am Kragen, dabei schreckliche Verwünschungen ausstoßend.
"Sprich, oder ich erwürge dich."
"Die Polizei hat ihn erwischt - das ist alles", entgegnete der Ludok mürrisch.
"Nun lassen Sie mich mal los", damit befreite er sich aus den Händen des Russen und ergriff die Bratgabel. Er wollte damit gerade dem Alten auf den Pelz rücken, als die Tür aufging und ein stämmiger Kerl mit einem weißen, zottigen Hund eintrat.
"Was ist hier los, Morgan?" Der Sprecher war ein Mann von ungefähr fünfundvierzig Jahren mit einem plumpen, unrasierten Gesicht, in dem zwei düster blickende Augen saßen. Eins davon schillerte in allen Regenbogenfarben, die Folgen eines gut gezielten Faustschlages.
"Warum bist du so aufgeregt, alter Gauner, und willst den Jungen verhauen?" Er setzte sich bedächtig.
"Es wundert mich nur, dass sie dir nicht den Hals abschneiden. Ich würde es an ihrer Stelle tun!"
"Nur mit der Ruhe, Herr Silles, Ruhe", antwortete der Russe zitternd, "sprecht nicht so laut"
"Ich pfeife auf deine Anrede mit Herr"', sagte der Strolch, "du hast immer einen Schurkenstreich vor, wenn du mir so kommst. Du kennst meinen Namen, und ich werde ihm keine Schande machen, wenn meine Zeit gekommen ist."
"Schön, nun denn - Bill Silles", sagte der Russe kriechend, "Ihr scheint schlechter Laune zu sein."
"Kann sein", erwiderte Silles, bei dir scheint es jedoch auch der Fall zu sein. Aber nimm dich in acht, Halunke, wenn du redest -"
"Seid Ihr verrückt?!", rief der Russe, indem er Silles am Ärmel erwischte und auf die Jungen zeigte. Silles begnügte sich pantomimisch unter seinem linken Ohre einen Knoten zu machen, und ließ dann den Kopf auf die rechte Schulter sinken. Eine sinnbildliche Darstellung, die der Russe vollkommen zu verstehen schien. Dann verlangte er Schnaps und fügte scherzend hinzu:
"Das du mir aber kein Gift hineintust."
Hätte er jedoch den teuflischen Seitenblick sehen können, mit dem der Russe sich in die Lippen biss, als er an den Wandschrank ging, so hätte er seine Mahnung sicher nicht für unnötig gehalten.
Nachdem Silles einige Gläser Schnaps hinuntergestürzt hatte, zog er gnädig die beiden jungen Herrn in ein Gespräch. Der Ludok erzählte umständlich und mit allerhand Ausschmückungen von Justins Verhaftung.
"Ich fürchte, er wird uns verpfeifen, und wir kommen dann in Teufels Küche", sagte der Russe.
"Höchstwahrscheinlich", antwortete Silles boshaft grinsend. "Du fällst unbedingt rein."
"Doch wenn mir das Handwerk gelegt wird", fuhr der Russe fort, die andern dabei scharf ansehend, "kommen auch noch andere in den Schlamassel. Jedenfalls würde es euch schlimmer ergehen als mir."
Silles sprang auf und wollte gegen Morgan heftig werden. Dieser zuckte jedoch nur mit den Achseln und starrte die gegenüberliegende Wand an. Es trat eine lange Pause ein. Schließlich begann Silles im leisem Ton:
"Wir müssen rauskriegen, was sich vor dem Richter mit Justin zugetragen hat."
Der Russe nickte zustimmend.
"Wenn er nicht gepfiffen hat und verurteilt worden ist, brauchen wir nichts zu befürchten, bis er wieder rauskommt. Dann aber müssen wir ein wachsames Auge auf ihn haben und versuchen, ihn in unsere Hände zu bekommen."
Der Russe nickte wieder. Der Plan war gut, aber seiner Ausführung stellte sich ein großes Hindernis entgegen. Die vier Herren hatten einen nicht zu besiegenden Widerwillen dagegen, mit der Polizei in Berührung zu kommen. Sie saßen stumm da und sahen sich unsicher an, als die zwei jungen Damen auftauchten, die Justin bei einer früheren Gelegenheit kennengelernt hatte.
"Wie gerufen", sagte der Russe. "Lou wird hingehen, nicht wahr, meine Liebe?"
"Wohin?" fragte die junge Dame.
"Nur ein wenig auf die Polizei, Liebling", sagte der Russe schmeichelnd. Wir müssen der Dame Gerechtigkeit widerfahren lassen und sagen, dass sie dieses Ansinnen nicht geradezu ablehnte. Sie erklärte bloß mit Nachdruck, der Henker solle sie holen, wenn sie auf die Polizei ginge. Eine ungemein zarte Ablehnung der Bitte, die beweist, dass das junge Mädchen zu viel Gutmütigkeit besaß, um
ihre Mitmenschen durch eine runde und entschiedene Weigerung zu kränken. Der Russe wandte sich nun an Lancy:
"Was sagen Sie dazu, meine Liebe?"
"Geben Sie sich keine Mühe, Morgan, ich tue es auch nicht", entgegnete diese.
"Wie soll ich das verstehen?" brauste Silles auf.
"So, wie ich es gesagt habe, Bill", sagte Lancy ruhig.
"Du bist gerade die rechte Person dazu", entgegnete Silles, "niemand kennt dich in dieser Gegend."
"Ist mir auch sehr lieb, wünsche gar nichts anderes!"
"Also sie wird gehen, Morgan", sagte Silles.
"Sie wird sich hüten", entgegnete Lancy.
"Doch, sie wird es machen, Morgan", bekräftigte Silles. Und er hatte recht. Das Mädchen ließ sich durch Drohungen und Versprechungen endlich bewegen, den Auftrag auszuführen. Aus den Vorräten des Russen wählte sie eine weiße Schürze, die sie umband, und einen Strohhut. In die Hand nahm sie ein Körbchen mit Stoffbezug.
"Ach, mein Bruder! Mein armer, lieber, kleiner Bruder!" rief Lancy, in Tränen ausbrechend. "Was ist aus ihm geworden? Wo hat man ihn hingebracht? Ach, habt Erbarmen, liebe Leute, und sagt mir, was mit dem Kind geschehen ist. Bitte, bitte, sagt es mir doch."
Als Lancy diese Worte im kläglichsten Tone hervorgebracht hatte, verbeugte sie sich lächelnd gegen die Zuhörer und verschwand.
"Das ist ein Mädel, Jungens", sagte der Russe. "Da könnt ihr euch ein Beispiel dran nehmen."
"Sie ist eine Zierde ihres Geschlechts", rief Herr Silles und hob sein Glas. "Sie lebe hoch!"
Lancy schlug indessen den nächsten Weg zur Polizei ein. Dort angekommen, trat sie durch die Hintertür in das Gebäude ein und klopfte leise mit dem Schlüssel an eine der Zellentüren. Dann horchte sie. Da sich nichts in der Zelle rührte, so hustete sie und horchte wieder. Abermals keine Antwort. Lancy wandte sich daher unmittelbar an den Gerichtsdiener und fragte mit den kläglichsten Jammertönen nach ihrem lieben Bruder.
"Er ist nicht hier", sagte der alte Gerichtsdiener.
"Mein Gott, wo ist er denn?" meinte Lancy trostlos.
"Nun, der Herr hat ihn mitgenommen."
"Was für ein Herr, um Himmelswillen?" rief Lancy.
Der Gerichtsdiener erzählte ihr den ganzen Vorgang und schloss damit, dass der alte Herr unweit Keatonville wohne. Lancy eilte auf schnellstem Wege zum Russen zurück. Sie hatte sich kaum ihres Berichtes entledigt, als Bill Silles schnell seinen Hund rief, den Hut auf den Kopf stülpte und sich schleunigst ohne Gruß entfernte.
"Wir müssen Justin finden", sagte der Russe in großer Aufregung. "Lancy, mein Liebling, ich muss ihn wiederhaben. Auf Sie und den Ludok kann ich mich