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Das wundersame Leben des Justin Hoppa. Clochard Raade
Читать онлайн.Название Das wundersame Leben des Justin Hoppa
Год выпуска 0
isbn 9783847673897
Автор произведения Clochard Raade
Издательство Bookwire
"Der junge Justin Hoppa, von dem wir bereits gesprochen haben", entgegnete Herr Braunau.
Justin verbeugte sich.
"Das ist also der Junge", begann Herr Grimm.
"Ja, das ist der Junge",. entgegnete Herr Braunau und nickte Justin dabei zu.
"Nun, wie geht es dir?" fragte Herr Grimm.
"Ich danke, viel besser", antwortete Justin.
Herr Braunau schien zu befürchten, dass sein absonderlicher Freund irgend etwas Unangenehmes auf der Zunge hätte. Er trug daher Justin auf, Frau Lessow zu bestellen, dass sie den Tee bereithalten solle. Nachdem
Justin gegangen, fragte Herr Braunau:
"Ist es nicht ein hübscher Junge?"
"Weiß nicht", erwiderte Grimm mürrisch.
"Wie, Sie wissen es nicht?"
"Nein, ich weiß es nicht. Kann nie einen Unterschied an Jungen entdecken. Kenne nur zwei Arten von Jungen, nämlich Mehlsuppen-Gesichter und Beefsteak-Gesichter."
"Und zu welchen gehört Justin?"
"Zu den Mehlsuppengesichtern. Ein Bekannter, von mir hat einen Jungen, dessen Gesicht so recht die Mästung mit Fleisch ausdrückt. Sie nennen ihn einen schönen Jungen, weil er einen so runden Kopf, rote Backen und glänzende Augen hat. Mir ist der Bursche etwas Schreckliches - ein Körper und Gliedmaßen, die die Nähte seines blauen Anzuges auseinanderzusprengen drohen. Dazu kommt noch die Stimme eines Fuhrknechts und der Hunger eines Wolfes. Ich kenne den Schlingel."
"Nun, derartige Eigenschaften besitzt Justin nicht und verdient deshalb nicht Ihren Zorn."
"Wenn nicht derartige, so hat er vielleicht noch schlimmere", entgegnete Herr Grimm.
Herr Braunau hustete nervös, was Herrn Grimm mächtig zu ergötzen schien.
"Ja, er hat vielleicht noch schlimmere, sage ich", wiederholte Herr Grimm. "Woher kommt er? Was ist er?
Er hat Fieber gehabt - warum? Fieber ist bei ordentlichen Leuten nicht gewöhnlich. Schlechtes Volk hat bisweilen Fieber. Ich habe einen Menschen gekannt, der in Jamaika gehängt wurde, weil er seinen Herrn umgebracht hatte. Er hatte sechsmal das Fieber und wurde deshalb nicht zur Begnadigung empfohlen."
Im Innern seines Herzens musste Herr Grimm aber zugeben, dass Justin etwas Gewinnendes an sich hatte. Sein starker Hang zum Widersprechen und sein Grundsatz, sich nie von einem andern ein Urteil über das Aussehen eines Jungen vorschreiben zu lassen, hatte ihn bewogen, seinem Freunde Opposition zu machen.
Als daher Herr Braunau zugestand, dass er sich noch nicht eingehend über Justin erkundigt hätte, kicherte Herr Grimm boshaft und fragte mit höhnischem Lächeln, ob die Haushälterin auch Abends immer das Silbergeschirr nachzähle, denn er würde sich nicht wundern, wenn einen schönen Tages mal ein paar Löffel fehlten - - usw.
Herr Braunau, der selbst etwas temperamentvoll war, nahm jedoch all dies gemütlich hin, da er die Eigentümlichkeiten seines Freundes kannte. Als dieser die Keks und den Tee lobte, wurde die Unterhaltung wieder angenehmer, so dass selbst Justin, der inzwischen zurückgekommen war, freier zu atmen begann.
"Und wann gedenken Sie sich den ausführlichen und wahrhaften Bericht von Justin Hoppas Leben und Taten erstatten zu lassen?" fragte Grimm, nachdem der Tee getrunken war. Er streifte dabei Justin mit einem Blick.
"Morgen früh", entgegnete Herr Braunau. "Ich möchte dann allein mit ihm sein. Komm morgen um zehn Uhr zu mir herauf, mein Kind!"
"Ja, Herr Braunau", sagte Justin mit einigem Zögern. Er war etwas verwirrt, da ihn Grimm scharf ansah.
"Ich will Ihnen etwas sagen", flüsterte Herr Grimm Braunau zu, "er wird morgen früh nicht zu Ihnen heraufkommen. Haben Sie nicht bemerkt wie er zögerte? Er betrügt Sie, lieber Freund!"
"Ich möchte drauf schwören, dass dies nicht der Fall ist, erwiderte Herr Braunau mit Wärme.
„Wenn es nicht so ist, wie ich sagte, so will ich meinen Kopf - -", damit stieß Grimm seinen Stock heftig auf die Erde.
"Ich setze mein Leben auf die Wahrhaftigkeit des Jungen", sagte Herr Braunau und schlug mit. der Hand auf den Tisch.
"Und ich meinen Kopf auf seine Tücke", schrie Herr Grimm.
"Nun, wir werden ja sehen", sagte Herr Braunau, seinen Unmut bezwingend.
"Allerdings, wir werden es sehen", sagte Herr Grimm mit einem herausforderndem Lächeln. Das Schicksal wollte es, dass in diesem Augenblick Frau Lessow mit einigen Büchern hereintrat, die Braunau am Vormittag bei demselben Buchhändler gekauft hatte, der schon einmal in unserer Geschichte eine Rolle spielte. Sie legte sie auf den Tisch und wollte das Zimmer wieder verlassen, als Braunau sagte:
"Lassen Sie den Boten einen Augenblick warten, er muss noch etwas mitnehmen."
"Er ist bereits fort", entgegnete Frau Lessow.
"Rufen Sie ihm nach, die Sache ist wichtig. Die Bücher sind noch nicht bezahlt, und der Mann braucht sein Geld. Auch will ich ihm einige mir zur Ansicht gesandten Bücher zurückgeben."
Man lief dem Boten nach, dieser war aber nirgends mehr zu sehen.
"Schicken Sie doch Justin damit hin", sagte Grimm mit ironischem Lächeln. "Sie wissen, er wird sie sicher abliefern."
"Ja, lassen Sie sie mich hintragen", sagte Justin. "Ich renne schnell hin."
Der alte Herr wollte gerade erklären, dass Justin auf keinen Fall gehen sollte, als ein boshaftes Husten Grimms ihn bestimmte, den Jungen doch zu schicken. Sein Freund sollte die Ungerechtigkeit seines Argwohns einsehen lernen.
"Du kannst gehen, Justin. Die Bücher liegen auf dem Stuhle neben meinem Tische. Bringe sie her!"
Justin war froh, sich nützlich machen zu können. Die Bücher unterm Arm und die Mütze in der Hand, erwartete er den Auftrag.
"Sage also dem Buchhändler", sprach Braunau und sah dabei Grimm scharf an, "du brächtest die Bücher wieder zurück und wolltest die vier Pfund und zehn Schillinge, die ich ihm schuldig bin, bezahlen. - - Hier ist eine Fünf Pfund Note; er wird dir zehn Schillinge herausgeben."
"In zehn Minuten bin ich wieder zurück", sagte Justin lebhaft, verbeugte sich und verließ das Zimmer. Frau Lessow folgte ihm zur Haustür und bezeichnete ihm den Weg zum Buchhändler.
"Gott sei mit dir", murmelte sie, als sie ihm nachblickte. Es tut mir leid, dass ich ihn aus den Augen lassen soll."
In diesem Augenblick sah sich Justin um und winkte ihr zu, ehe er um die Ecke bog. Frau Lessow erwiderte seinen Gruß und ging dann nach ihrem Zimmer zurück.
"Nun wollen wir sehen, in spätestens zwanzig Minuten wird er wieder zurück sein", sagte Herr Braunau und zog seine Uhr aus der Tasche, die er auf den.Tisch legte.
"Inzwischen wird es dunkel geworden sein."
"Sie glauben also wirklich, dass er wiederkommt?" fragte Grimm ironisch.
"Sie nicht?" fragte Braunau lächelnd zurück.
"Nein", sagte er, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug. "Der Junge hat einen neuen Anzug auf dem
Leibe, einen Packen wertvoller Bücher unter dem Arme und eine Fünf Pfund Note in der Tasche. Er wird wieder zu seinen alten Freunden, den Langfingern, gehen und Sie auslachen. Wenn der Junge je wieder hierher zurückkehrt, will ich meinen Kopf aufessen."
Mit diesen Worten rückte er seinen Stuhl näher an den Tisch und so saßen die beiden Freunde, die Uhr vor sich, in schweigender Erwartung da. Es wurde so dunkel, dass man die Zahlen der Uhr nicht mehr erkennen konnte, aber die beiden alten Herren saßen immer noch schweigend da - und warteten.
Der alte Russe und Fräulein Lancy
In einer armseligen