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Das wundersame Leben des Justin Hoppa. Clochard Raade
Читать онлайн.Название Das wundersame Leben des Justin Hoppa
Год выпуска 0
isbn 9783847673897
Автор произведения Clochard Raade
Издательство Bookwire
"Er ist bereits verletzt", schloss der alte Herr seine
Ausführungen, "und ich fürchte, er fühlt sich gar nicht wohl."
"Ich glaube es auch", sagte Herr Fingerling höhnisch lächelnd.
"Höre mal, du kleiner Landstreicher, mach hier kein Theater, damit kommst du bei mir nicht durch. Wie heißt du?"
Justin wollte antworten, konnte aber keinen Ton herausbringen. Er wurde leichenblass, und alles schien sich um ihn zu drehen.
"Wie heißt du, verstockter Lümmel?", schrie ihn Herr Fingerling wiederholt an. "Gerichtsdiener, wie heißt er?"
Dieser, ein alter Mann, beugte sich über Justin und wiederholte die Frage. Als er fand, dass der Junge tatsächlich außerstande war zu antworten, nannte er, um den Richter nicht noch wütender zu machen, aufs Geratewohl einen Namen.
"Er sagt, er heiße Tim Waste, Euer Gnaden!"
"Wo wohnt er?" fuhr Herr Fingerling fort.
"Wo er kann, Euer Gnaden", antwortete der Gerichtsdiener, indem er sich so anstellte, als spräche er Justin nach.
"Hat er Eltern?" fragte Herr Fingerling.
"Er sagt, sie seien in seiner frühesten Jugend gestorben, Euer' Gnaden", entgegnete der Gerichtsdiener, indem er auf gut Glück die in solchen Fällen übliche Antwort gab.
Justin hob jetzt den Kopf hoch, sah mit flehenden Blicken um sich, und bat leise um einen Schluck Wasser.
"Quatsch!" sagte Herr Fingerling. "Willst mich wohl zum Narren halten?"
"Ich glaube, ihm ist wirklich schlecht, Euer Gnaden", wandte der Gerichtsdiener ein.
"Ich weiß das besser", brüllte Herr Fingerling.
"Halten Sie ihn, Gerichtsdiener", rief der alte Herr, unwillkürlich die Hände ausstreckend, "er fällt gleich."
"Nichts da, Gerichtsdiener", schrie Herr Fingerling,
"lassen Sie ihn fallen, wenn er Lust hat."
Justin machte von dieser gütigen Erlaubnis Gebrauch und fiel ohnmächtig zu Boden.
"Ich wusste, dass es Verstellung war", sagte Herr Fingerling. "lasst ihn liegen, er wird bald wieder werden!"
"Wie gedenken Sie in diesem Falle zu verfahren, Herr?" fragte leise der Gerichtsschreiber.
"Summarisch", antwortete Herr Fingerling. Er wird drei Monate eingesperrt -, natürlich mit harter Arbeit. Schafft ihn fort!"
Einige Beamte schickten sich gerade an, den bewusstlosen Justin in seine Zelle zu tragen, als ein älterer Mann von anständigem, aber erbärmlichem Äußern atemlos ins Zimmer stürzte und vor den Richter trat:
"Halt, halt! Tragt ihn noch nicht fort. Um Himmels willen, wartet einen Augenblick!"
"Was ist los? Wer sind Sie? Hinaus mit dem Menschen. Räumt den Gerichtssaal!" schrie Herr Fingerling.
"Ich will aussagen", rief der. Mann ."Ich lasse mich nicht hinauswerfen. Ich sah alles mit an. Ich bin der Besitzer der Bücherbude. Ich verlange vereidigt zu werden. Ich lasse mich nicht abweisen. Sie müssen mich anhören, Herr Fingerling. Sie dürfen mein Zeugnis nicht ablehnen!"
Der Mann kannte seine Rechte und trat bestimmt auf. Man konnte nicht darüber hinweggehen.
"Lassen Sie den Menschen schwören", knurrte Herr Fingerling mürrisch.
"Nun, was haben Sie zu bekunden?"
"Folgendes. Ich sah drei Jungen - diesen hier und zwei andere - auf der anderen Seite der Straße dahinschlendern, als dieser Herr vor meiner Bude stand und las. Der Diebstahl wurde von einem anderen Jungen begangen. Ich habe es genau gesehen und auch bemerkt, dass dieser Junge hier darüber ganz erstaunt und wie vor den Kopf geschlagen war!"
"Warum kamen Sie nicht schon früher?" fragte Fang nach einer Pause.
"Ich bin allein in meiner Bude und hatte keine Vertretung. Erst vor fünf Minuten konnte ich jemand auftreiben und bin dann Hals über Kopf hierher geeilt."
"Also der Ankläger las, nicht wahr?", fragte Fang nach einer weiteren Pause.
"Ja", erwiderte der Mann, "im selben Buche, das er jetzt noch in der Hand hat!"
"So - in diesem Buch? Ist es denn bezahlt?"erkundigte sich Herr Fingerling.
"Nein, noch nicht", erwiderte der Buchhändler mit einem kleinen Lächeln.
"Himmel, das habe ich über der Geschichte hier ganz vergessen", sagte der zerstreute alte Herr ganz unbefangen.
"Ein feiner Mann, aber eine Klage gegen einen armen Jungen vorbringen", sagte Herr Fingerling und bemühte sich krampfhaft, eine menschenfreundliche Miene anzunehmen.
"Nach meiner Ansicht haben Sie sich unter sehr verdächtigen Umständen in den Besitz dieses Buches gesetzt und dürfen sich beglückwünschen, wenn der Eigentümer keine Anklage gegen Sie erhebt. lassen Sie sich das zur Warnung dienen, sonst möchte das Gesetz einmal gegen Sie in Anwendung kommen. Der Junge ist freizulassen. Räumen Sie den Saal."
"Donnerwetter", schrie der alte Herr. Der so lange aufgespeicherte Zorn kam nunmehr zum Ausbruch.
"Donnerwetter, ich will -"
"Gerichtsdiener! Räumen Sie den Saal! Hören Sie?" brüllte der Richter. Man führte den entrüsteten alten Herrn, der ein Bild der Wut und der Entrüstung darbot, schnell auf den Hof heraus. Dort fand er den kleinen Justin auf dem Steinpflaster liegend, sein Gesicht war leichenblass, und ein krampfartiges Zittern ging durch seinen Körper.
"Armes Kind!" sagte Herr Braunau, als er sich über ihn
beugte. "Will niemand so gut sein und mir einen Wagen holen?" Man holte einen und bettete Justin auf einen Sitz, während Herr Braunau auf dem anderen Platz nahm.
"Darf ich Sie begleiten?" fragte der Buchhändler.
"Himmel, ich hatte Sie ganz vergessen. Steigen Sie ein, lieber Freund. Und das unglückliche Buch habe ich auch noch. Der arme Junge! Geschwind, es ist keine Zeit zu verlieren."
Nachdem der Buchhändler in den Wagen geklettert war, zogen die Pferde an.
Für Justin wird gesorgt
Nach ziemlich langer Fahrt hielt die Kutsche vor einem hübschen Hause in einer ruhigen Straße, unweit Keatonville. Herr Braunau ließ für seinen Schützling rasch ein Bett herrichten und sorgte für ihn mit einer Aufmerksamkeit, die keine Grenzen kannte. Justin blieb jedoch viele Tage für die Wohltaten seiner neuen Freunde unempfindlich. Ein starkes Fieber zehrte an seiner Kraft. Schwach, abgemagert und blass erwachte er endlich wie aus einem langen, wüsten Alptraum. Er richtete sich mit Mühe in seinem Bette auf und blickte sich ängstlich um.
"Wo bin ich? Wer hat mich hergebracht?" murmelte er leise. Der Vorhang vor seinem Bett wurde schnell zurückgezogen, und eine mütterliche alte Frau näherte sich ihm.
"Still, Lieber", sagte die alte Dame sanft. "Du musst dich ganz ruhig verhalten, sonst wirst du wieder kränker. Leg dich nur brav wieder hin."
Mit diesen Worten drückte sie ihn sanft in die Kissen zurück. Drauf strich sie ihm das Haar aus der Stirn und schaute ihm so gütig und wohlwollend ins Gesicht, dass er sich nicht enthalten konnte, seine abgemagerten Händchen auf ihre zu legen und sie dann um seinen Nacken zu schlingen.
"Lieber Gott", sagte die Frau mit Tränen in den Augen, "wie dankbar der Kleine ist. Was würde wohl seine
Mutter fühlen, wenn sie so wie ich an seinem Krankenbett gesessen hätte und ihn jetzt sehen könnte."
"Vielleicht sieht sie mich", flüsterte Justin und