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Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt
Читать онлайн.Название Brand und Mord. Die Britannien-Saga
Год выпуска 0
isbn 9783862827725
Автор произведения Sven R. Kantelhardt
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ceretic sah ihn erstaunt an. Wieso diese Eile? Doch der Hochkönig schien seine Gedanken zu erraten. „Ich habe gestern glückliche Nachricht erhalten. Die Pikten haben den hohen Wall überschritten.“
Ceretic sah seinen Herrn ungläubig an. „Glückliche Nachricht?“, entfuhr es ihm, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte. Er war entsetzt. Was außer einem toten Pikten konnte einen glücklich machen?
Der König grinste breit. „Ahearn, der König von Elmet, hat die Krieger der nördlichen Reiche um sich geschart, sich aber nach einer verlorenen Schlacht hinter den Mauern von Eboracum verkrochen. Wenn ich sie aus der Notlage befreie, wird mich der ganze Norden als Hochkönig anerkennen. Nicht nur Elmet und Ebrauc, nein, auch die Herrscher von Rheged, Bryneich, Gododdin, bis hinauf zum hohen Steinwall, werden die Knie vor mir beugen. Also beeile dich, damit wir die Pikten nicht schon aufgerieben haben, bevor du mit den Sachsen nachkommst!“
„Warte mit der Schlacht, bis ich die Sachsen heran gebracht habe, sie werden dich nicht enttäuschen“, versprach Ceretic.
„Außerdem“, fuhr Vortigern fort, „wird es den halsstarrigen Londiniern guttun zu sehen, wer jetzt in meinem Dienst steht. Ihre Loyalität schwankt immer noch zwischen mir und diesem verdammten Ambrosius, als könnten sie sich zu jeder Gelegenheit aussuchen, wer ihnen besser passt. Und auch den Sachsen wird es gut tun, die Mauern Londiniums und seine Bauwerke zu bestaunen. Das wird diese Barbaren lehren sich darüber zu freuen, mir dienstbar zu sein. Ich bin der rechtmäßige rex britannorum!“
Also fängt der schlaue Fuchs wieder einmal zwei Fliegen mit einer Klappe. Ceretic nickte anerkennend. Doch nun war Eile geboten. Innerhalb einer Stunde verließ er mit den beiden Sachsen das Nordtor Durovernums in Richtung Regulbium.
VIII. Den blauen Dämonen entgegen
Londinium, Juni 441
Ordulf
Drei Tage später befand sich die kleine Flotte der Sachsen auf einem breiten Strom, der sich träge wie die Ælf dem Meer zuwälzte. Die Männer schwitzten, während sie die Schiffe mit der gerade erst einsetzenden Flut den Fluss hinaufruderten. Plötzlich tauchte vor ihnen ein Segel auf. Bisher hatten alle Boote vor den Langschiffen Reißaus genommen, aber bald erkannten sie, dass das Segel zu einem größeren Fahrzeug gehörte, das direkt auf sie zuhielt. Kurz bevor die Fremden auf Rufweite heran waren, holten sie plötzlich das Segel ein und legten den Mast um.
„Sie wollen uns doch nicht etwa angreifen?“, staunte Gerolf.
Doch die Fremden ließen ihr Schiff im gerade zwischen Flut und Ebbe stehenden Flusswasser dümpeln, anstelle es mit den Rudern auf Angriffsgeschwindigkeit zu bringen. Ordulf, der gerade zur Freiwache gehörte, betrachtete das Schiff mit zusammengekniffenen Augen.
Es war lang und extrem schlank. Er zählte 15 Riemen auf der ihnen zugewandten Seite, die aber alle reglos im Wasser schwammen. Die Ruderer selbst wurden von ihren runden Schildern verdeckt, welche sie an der Bordwand aufgehängt hatten.
Eine schlaue Idee, dachte Ordulf. Wie oft wurden nicht die Ruderer beim Angriff Ziel von Pfeil und Speer?
Auch der Steven hatte eine seltsame Form. Er schwang sich nicht in einer eleganten Kurve aus dem Wasser, wie bei der Heritog oder der Heldir, sondern bildete dicht über der Wasserlinie eine Spitze aus. Ein Rammsporn. Ein einzelner Balken ragte darüber nach oben und lief in einem stilisierten Drachenkopf aus. So ein Schiff hatte Ordulf noch nie gesehen. Es wirkte wie eine Schlange auf dem Wasser und ihr Biss konnte für andere Schiffe vermutlich ebenso todbringend sein, wie der einer Kreuzotter für Kinder und Fohlen.
Die fremden Riemen senkten sich ins Wasser. Das Schiff stoppte auf und ein Mann rief in der seltsam melodischen Sprache der Britannier zu ihnen hinüber. Ceretic übersetzte so laut, dass auch Ordulf alles verstehen konnte.
„Das ist Vortimer, der Sohn des Hochkönigs. Er wird uns nach Londinium und dann weiter in den Norden gegen die Pikten führen.“
Nun kniff auch Hengist die Augen zusammen, allerdings wegen der Sonne, die bereits ihren Zenit überschritten hatte, und nicht weil er so stumpfe Augen wie Ordulf gehabt hätte. Er hob die Hand zum Gruß. „Sag ihm, dass Hengist Witgissunu, seinen Gruß erwidert“, forderte er Ceretic auf und rief seiner Besatzung dann zu: „Wir wollen den Prinzen gebührend grüßen. Hoch Vortimer!“
Dreimal schickten die Sachsen von ihren Ruderbänken ein donnerndes „Hoch Vortimer“ zu dem fremden Schiff hinüber.
Am Abend, sie hatten die Schiffe beim Einsetzen der Ebbe ans schlammige Ufer gezogen, denn gegen den Strom gab es kaum ein Vorankommen, bemerkte Ordulf ein unheimliches Glimmen am nördlichen Horizont.
„Die Lichter der großen Stadt“, erklärte Tavish auf mehrfache Nachfrage. Er tat sich immer noch schwer mit dem Sächsischen, Ordulf verstand ihn nur mit Mühe.
Ein kräftiges Lachen lenkte Ordulfs Aufmerksamkeit von dem jungen Britannier und den Lichtern der Stadt ab. Vortimers britannische Besatzung lagerte abseits der Sachsen am Ufer des dunkel daliegenden Stromes. Fast wurden sie von den hängenden Weiden und Erlen verdeckt.
Ordulf schlug gedankenverloren nach einer Mücke. Sein Blick glitt weiter am stillen Ufer entlang. Nur der Prinz selbst saß zusammen mit Hengist, Horsa, Willerich und Ceretic in der Runde der angeworbenen Sachsen. Vortimer schien nicht im Mindesten besorgt. Er erzählte eine Geschichte, die Ceretic für die Zuhörer von jenseits des Meeres übersetzte. Hengist schien sich zu amüsieren wie schon lange nicht mehr. Sein helles Lachen durchschnitt die Stille der Nacht. Hatte er ihn überhaupt einmal so ausgelassen erlebt?, wunderte Ordulf sich.
Am darauffolgenden Tage kamen sie nach Londinium. Die Stadt schien noch bedeutend größer als Durovernum zu sein. Die Mauer, mehr als drei Mann hoch, umschloss eine unzählbare Menge steinerner Gebäude. Doch selbst Ordulf fiel auf, dass Londinium einmal für mehr Menschen gebaut worden war, als nun darin wohnten. Große Flächen im Inneren der grauen Mauern lagen brach oder waren mit den Trümmern verfallener Häuser bedeckt.
Am meisten beeindruckt hatte ihn gleich bei ihrer Ankunft der Hafen. Dort lagen insgesamt drei der schlanken Naves lusoriae. So hatte Ceretic Vortimers Schiff bezeichnet. Nach ihrer Größe und dem niedrigen Freibord zu urteilen, waren sie nur für den Einsatz auf dem Fluss – der Thamesa, wie er inzwischen erfahren hatte – und allenfalls in Küstennähe gebaut. Doch trotz ihrer schlanken Linien waren nicht sie es, die Ordulfs Blick gefesselt hatten. Nicht weit von ihnen lagen die verrottenden Gerippe weiterer Schiffe im Schlick. Unter ihnen eines, welches Ceretic als Liburne bezeichnet hatte. Es musste einmal mehr als doppelt so groß wie die stattliche Heritog gewesen sein.
Und noch etwas am Hafen hatte Ordulf den Atem stocken lassen: die Brücke. Nicht ein einfacher Holzsteg, wie er ihn aus Sachsen kannte. Nein, die Brücke ruhte auf mehreren Pfeilern inmitten des Flusses. Die Wassermassen schossen und tosten an den Pfeilern vorbei und hoch darüber spannten sich schier endlos lange steinerne Bögen, die eine dieser geraden Römerstraßen quer über den Strom trugen. Seitdem hatten sie mehrere Flüsse auf ähnlichen, wenn auch kleineren Brücken überquert. Es klang hohl, wenn die Hufe der Pferde auf die steinernen Straßen schlugen, doch sie scheuten nicht ein einziges Mal und auch Ordulf selbst nahm nicht das geringste Schwanken wahr.
Fünf Tage nachdem sie Londinium durchquert hatten, befanden sie sich wieder auf einer der schier endlosen, geraden Römerstraßen. Die Sonne der letzten Tage hatte sich verzogen. Der Wind stand ihnen entgegen und Regen peitschte Ordulf ins Gesicht. Er fluchte leise unter dem Gewicht seiner Ausrüstung. Hengist und einige ausgesuchte Sachsen waren in Londinium mit Pferden versorgt worden. Für den Rest von ihnen hatte Vortigern lediglich drei Ochsenkarren bereitstellen lassen, viel zu wenig, um das gesamte Gepäck der hundertzweiundfünfzig Männer aufzunehmen. Auch Ceretic und Vortimer mitsamt seiner Eskorte waren selbstverständlich beritten. Daher sah Ordulf von ihnen nun auch nichts mehr. Sie hatten sich, sobald die ersten Tropfen vom Himmel fielen, nach Norden abgesetzt und würden vermutlich in einer trockenen Scheune auf sie warten. So hatte sich Ordulf den Kampf gegen die Pikten nicht vorgestellt.
Wenigstens