Скачать книгу

Gibt es nichts zu essen?“

      „Du hast doch gegessen. Bist du denn mit der riesigen Jägerwurst und den Pommes immer noch nicht zufrieden?“ Meine Mutter seufzte. „Ja, ja das Wachstum. Schau doch mal im Kühlschrank nach und stör mich jetzt nicht.“

      „Wir haben doch nur einmal gevögelt“, meldete sich der Mann im Fernsehen wieder. „Wie kann da so etwas passieren?“

      „Nun geh schon, Tim.“ Meine Mutter stopfte sich drei Pralinen gleichzeitig in den Mund.

      „Was ist vögeln?“, ließ sich Steffi, die endlich das Bad freigegeben hatte, von der Tür her vernehmen. Ich schoss aus dem Zimmer zum Bad, doch gerade schloss sich die Tür hinter meinem Vater. Achselzuckend kehrte ich in die Küche zurück.

      Der Mops hatte inzwischen auch seinen Weg dorthin gefunden, lief kreuz und quer zwischen dem Tisch und den Stühlen umher und hob schließlich am Türrahmen sein Bein. Ich wandte mich angeekelt ab und öffnete den Kühlschrank. Irgendetwas Essbares musste doch zu finden sein. Ein dickes Stück Fleischwurst lachte mich an und ich wusste, dass ich es auch ohne Brot herunterbekommen würde. Ich sah mich noch einmal um, doch was sollte mir passieren: Schließlich hatte Mutter mich doch selbst zum Kühlschrank geschickt. In dem Moment, als ich nach der Wurst greifen wollte, sauste ein Schatten an mir vorbei, polterte in den Kühlschrank hinein, schnappte sich die Wurst und rannte damit - so schnell ihn seine kurzen Beinchen tragen konnten - aus dem Zimmer. Ich fiel vor Schreck auf meinen Hintern und blieb vor dem offenen Kühlschrank sitzen.

      „Was machst du denn da, Tim?“, hörte ich meine Mutter hinter mir. „Du sollst doch den Kühlschrank nicht so lange offen stehen lassen! Das kostet doch viel zu viel Energie. Tim, dass du so unvernünftig bist!“

      Anscheinend war der Dokumentarfilm mit dem dummen Mann, der nicht wusste, wo die Kinder herkamen, zu Ende gegangen. Mich hätte schon interessiert, ob er letztlich doch noch erfahren hätte, wie es passierte, dass man Kinder bekam, doch das traute ich mich Mutter nicht zu fragen. Die war jetzt ohnehin damit beschäftigt, den Inhalt des Kühlschranks zu inspizieren. „Wo ist denn die Fleischwurst geblieben?“, fragte wie argwöhnisch. „Hast du das ganze Stück gegessen?“

      „Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Das war der Hund.“

      Meine Mutter lachte schrill und es klang wie das Lachen zuvor im Fernseher. Allerdings sagte sie nichts davon, dass sie ein Kind bekäme, sondern bemerkte kopfschüttelnd: „Der Hund? Tim, du willst mich wohl für dumm verkaufen? Fang noch an zu bellen und ich glaube dir!“

      „Wau wau“, machte es in diesem Moment hinter ihr und meine Mutter blickte sich irritiert um.

      „Iiiih, was ist das denn?“

      „Ein Hund“, erklärte ich. „Um es genauer zu sagen: Der Hund, der die Wurst gefressen hat.“

      „Das ist ja ein Mops, igitt“, kreischte meine Mutter jetzt und schlug in dem Moment die Kühlschranktüre zu, als der Hund zum Sprung ansetzte. Vielleicht wollte er sich das Stück Käse noch holen. Jedenfalls knallte der Köter mit dem Kopf gegen die Türe und rollte sich jaulend ab. „Wo hast du den denn her, Tim? Du weißt doch, dass du keine Hunde mit nach Hause bringen sollst ...“

      „Das ist nicht mein Hund“, erklärte ich beleidigt. Wie konnte meine Mutter annehmen, dass ich so eine hässliche Kreatur hierhin mitbringen würde? „Der gehört Steffi.“

      Meine Mutter drehte sich zur Tür und brüllte durch das Haus: „Stefanie. Komm sofort her.“

      Einige Minuten später trottete meine Schwester heran, sah den Mops und grinste glücklich. „Hier bist du, ich habe dich schon gesucht.“

      Mutter zeigte auf den Hund. „Erklär mir das Mal, Stefanie!“

      „Das ist ein Hund“, meinte meine Schwester und streichelte den Mops, der immer noch vor dem Kühlschrank lag, Entweder war der Hund ein hervorragender Schauspieler, oder er hatte sich bei dem Sprung gegen die Tür ernsthaft verletzt.

      „Dass das ein Hund ist, sehe ich selbst. Wo kommt das Tier plötzlich her?“ Meine Mutter hatte definitiv schlechte Laune und ich überlegte, ob ich irgendwie in mein Zimmer entkommen konnte. Doch das hier war bald schon so interessant, wie der kurze Dialog im Fernsehen, den ich vorhin mitbekommen hatte.

      „Den hat Papa aus einem Busch gerettet.“

      Wieder drehte sich meine Mutter zur Tür. „Thoooomas, komm sofort her.“

      Zwei Sekunden später stand mein Vater in der Küchentür. Er war noch nass vom Duschen und trug ein Handtuch um die Hüften. „Sabine, was ist los? Ist irgendetwas passiert?“

      „Das da.“ Meine Mutter zeigte auf den Hund. „Trägst du dafür die Verantwortung?“

      „Also ... hmm ... eigentlich ...“

      „Hast du das Vieh ins Haus geschleppt?“ Der Ton meiner Mutter wurde immer bedrohlicher. „Wo kommt das überhaupt her?“

      „Von draußen. Es saß da so ... traurig unter einem Busch.“

      Jetzt sah ihn meine Mutter genauer an. „Thomas, was ist mit deinem Gesicht los? Und mit deinen Händen? Hast du vielleicht wieder versucht, dich nass zu rasieren?“

      Vater hob abwehrend die Hände. „Nein, nein, das waren die Dornen. Von dem Busch. Als ich den Hund gerettet habe.“

      „Der Hund verschwindet. Sofort!“, schrie meine Mutter. „Bring ihn dahin zurück, wo du ihn herhast. Auf der Stelle!“

      „Ja aber ...“ Vater sah an sich herunter und blickte auf das Handtuch. „So?“

      „Das ist mir vollkommen egal. Ich will in meinem Haus keinen dieser Flohtaxis haben.“

      Jetzt fing Steffi laut an zu weinen. Sie hielt den Mops im Arm und streichelte ihn unentwegt. „Mein Hund hat keine Flöhe“, jammerte sie und drückte den Köter fest an sich. „Papa hat ihn vor dem Erfrieren gerettet! Papiii ...“

      „Der Hund hat keine Flöhe“, echote mein Vater hilflos und zupfte an dem Handtuch, das allmählich zu rutschen begann. Zu seinen Füßen bildete sich eine Wasserlache, die sich mit der, die der Mops vorhin produziert hatte, verband. „Das geht ja bei dem kurzen Fell auch gar nicht.“

      „Alle Hunde haben Flöhe“, bestimmte Mutter. „Wie konntet ihr mir das antun?“

      „Wir bringen ihn morgen zum Tierheim“, ließ sich mein Vater lahm vernehmen. „Sobald ich von der Arbeit heimgekehrt bin.“

      „Nein, der Hund kommt jetzt weg. Sofort! Oder ich gehe.“

      Ich versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Das hier war wesentlich besser, als die Sache mit dem blöden Mann im Fernsehen. Rasch überlegte ich, welche Nachteile wir dadurch bekommen würden, wenn Mutter uns wirklich verließ. Vielleicht war da der Hund die bessere Alternative. Aber - mein rationales Denken gewann die Oberhand - der Hund wäre vermutlich nicht in der Lage, uns ein Mittagessen zu kochen. Und er fraß uns ja auch die Wurst weg.

      „Was gibt es da zu lachen, Tim?“, grollte Mutter, die ihre Augen natürlich überall hatte. „Du nimmst dir jetzt deinen Vater und dann bringt ihr beide diesen dämlichen Köter dahin zurück, wo ihr ihn herhabt.“ Mutter nahm den Mops am Nacken hoch und drückte ihn meinem Vater in die Hand. Der hielt mit der anderen sein Handtuch fest und sah hilflos von meiner Schwester zu mir.

      „Und jetzt raus mit dem Vieh!“ Mutter drängte meinen Vater samt Hund zur Haustür. „Los Tim, du gehst mit!“ Sie schob uns auf den Gehweg hinaus und warf hinter uns die Tür ins Schloss.

      Vater trottete los, in Richtung der Laterne mit dem Busch, wobei er mit einer Hand das Handtuch festhielt. Ich folgte ihm, versuchte aber möglichst nicht aufzufallen. Am Ende hätte ich den Mops noch tragen dürfen.

      Da es immer noch in Strömen regnete, erreichten wir schließlich unbehelligt die Laterne. „Unter den Busch krieche ich auf keinen Fall noch einmal“, grunzte Vater zu sich selbst und wickelte

Скачать книгу