ТОП просматриваемых книг сайта:
DIE LSD-KRIEGE. Gerald Roman Radler
Читать онлайн.Название DIE LSD-KRIEGE
Год выпуска 0
isbn 9783748592853
Автор произведения Gerald Roman Radler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wir dachten, dass für heute das Schlimmste überstanden sei. Gleichzeitig wollte keiner von uns, die Schmach der Demütigung allein ertragen müssen. Wir rückten durch den erlittenen Schock näher zusammen und suchten das aufwühlende Erlebnis, das so jäh abriss erneut. Wir wollten weiterspinnen, was uns im Bann geschlagen hatte und wir fühlten uns zunächst sicher. Mehr konnten sich die Eltern nun wirklich nicht mehr leisten. Auch deren desolater Energie und niederträchtiger Häme war Grenzen gesetzt. Wir hofften, dass sie alle bis zum Morgen in einen dumpfen Schlummer verfallen waren. Es vergingen weitere zwei Stunden der körperlichen und geistigen Nähe, bis wir fassungslos die Lichter starker Taschenlampen erblickten. Beide Familien und die Unterkunftsgeber durchkämmten das Waldstück, offensichtlich um uns aufzustöbern. Wir erkannten sie sofort an den Stimmen, die abwechseln unsere Namen riefen. Wir fühlten uns wie Verbrecher, die im Schutz des Waldes die irdische Gerechtigkeit flohen. Eine Weile amüsierte uns das blinde Tappen der Menschen mit ihren winzigen Scheinwerfern. Doch dann begriffen wir – Carola sehr rasch, ich mit ziemlicher Langsamkeit – dass uns die Häscher bald aufstöbern würden, wenn wir auf unserer Bank sitzen bleiben würden. Carola wurde unruhig, doch sie blieb sitzen. Da wusste ich, dass sie gar nicht davonlaufen wollte, obwohl ihr klar war, dass die Eltern uns finden würden. Mir war es gleich. Ich hatte nichts gegen eine Konfrontation. Wohin hätten wir so schnell fliehen können? Wir konnten immer noch gemeinsam auf und davon gehen. Ich erwartet kein großes Aufsehen. Vielleicht waren diese Leute nur ausgeschwärmt, da sie sich Sorgen machten.
»Da sitzen sie ja! Was habt ihr euch dabei gedacht« rief die Stimme meiner Mutter.
»Das darf doch nicht wahr sein, da sitzen sie, als wenn nichts wäre!« hob mein Vater mit unnatürlich zwergenhaft hoher Stimme an. Ich konnte bereits die bleichen Gesichter meiner Eltern erkennen. Wirklich entsetzt war ich aber über den Ausdruck des Mannes, der schnaufend wie ein Eber heranstürmte und Carola, ohne mich zu beachten, eine so mächtige Ohrfeige gab, dass sie von der Bank fiel. Ich war starr vor Schreck, während meine Eltern durch den Übergriff aufwachten. Meine Mutter ging kreischend auf mich los. Als wäre sie von einem furchtbaren Dämon besessen, hatte sie sich auf mich gestürzt und stieß wilde, altertümliche Verwünschungen aus, während ich das Klatschen der Schläge und Carolas Weinen hörte. Ich spürte die Schläge und Kratzer meine Mutter nicht, doch sie raubte mir die Sicht auf Carola. Ich warf einen entsetzten Blick auf ihre Mutter, die neben einem Baum stand und sich die Hand vor den Mund hielt. Sie sah mir direkt in die Augen. Von ihr war keine Hilfe zu erwarten. Ihr Blick sagte: Siehst du, es ist deine Schuld, wenn Carola von Daddy verprügelt wird!
Ich riss mich von meiner Mutter los. Sie strauchelte und fiel ordinär fluchen in einen Buschen. Mein Vater versuchte mehrmals mit erhobener Hand und irr verzerrtem Gesicht, einen Schlag in mein Gesicht zu landen. Doch die Hand blieb zuckend in der Luft stehen, als müsse er immer wieder und wieder ausholen, um den kräftigsten Schlag seines Lebens zu landen, der dann nie ausgeführt werden konnte. Seine Augenlider zwinkerten unruhig, als fürchte er meinen Angriff mehr, als seinen eigenen vernichtenden Schlag. Er war eine bedauernswerte Figur. Ich verachtete ihn.
Dann bekam ich wieder den Blick frei auf Carola. Ihr Vater stand über das am Waldboden zusammengekauerte Mädchen und ließ seine Arme wie Dreschflegel auf sie herab sausen. Dazu stieß er brunftige Laute aus, als hätte er gerade vortrefflichen Sex. Carola wehrte die Schläge, so gut sie es vermochte ab und rutschte immer weiter in den Wald, um ihren Peiniger zu entkommen.
Doch ihr Vater kannte kein Pardon. Er beschimpfte sie als Nutte und läufige Hündin. Bald gingen ihre Schreie in ein Wimmern über, das von schwachen Aufschreien durchsetzt war. Mit einem Aufschrei stürzte ich mich von hinten auf ihn, erwischte seine beiden Ellenbogen und drehte sie so fest ich konnte am Rücken zusammen. Dann riss ich ihn weg von Carola, die ihre Chance nutzte, aufsprang und weglief. Ich stieß ihn mit voller Wucht gegen einen Baum. Dann machte auch ich kehrt und eilte Carola nach. Doch es war zu spät. Als ich sie eingeholt hatte, drehte sie sich im Laufen um und schrie: »Geh weg, geh weg!«
Sie sah schrecklich aus. Ihr Gesicht war angeschwollen und die Hautverfärbungen hatten im vollen Mondlicht ein gespenstisches Ausmaß angenommen. Ihr linkes Auge sah wie nach einem Boxkampf aus. Es hatte sich geschlossen und ein Cut über der Braue schimmerte schwarz. Weder verstand ich, was einen Vater veranlassen konnte, seine Tochter derart zu misshandeln, noch konnte ich mich in ihre Mutter hineinversetzen, die das Massaker wortlos genoss. Sie stand immer noch abseits und beobachtet verstohlen das Szenario. Ihr Gesicht spiegelte einen Anflug von Bosheit wieder. Denn in Wahrheit gestand sie Carola wohl die Demütigung zu und missgönnte ihr die aufkeimende, neue Gefühlsebene, die sie selbst seit langem verlassen hatte.
Mein Bruder erwartete mich schon. Er hatte alles mitgehört, die Bilder lieferte ich ihm dazu. Er forderte mich auf, mit ihm aufs Zimmer zu gehen, doch ich wollte warten, bis die wahren Verbrecher wieder zum Haus kamen. Bald erschien Carolas Vater im Gefolge seiner Frau und meiner Eltern. Er hatte eine kreisrunde Wunde auf der Stirne, wo er auf die Rinde der Tanne geprallt war. Ich konnte ein Lachen kaum unterdrücken. Ich bereute nichts und war bereit mich zu wehren, falls er mich angreifen wollte. Für seine Tat hatte er eine lange Gefängnisstrafe verdient. Doch ich wünschte ihm mehr. Abgetrennte Gliedmaßen und ewige Schmerzen. Ich starrte ihm in die Augen, als er gebückt an mir vorbei schlich. Er sagte nichts und er tat nichts.
Die Eltern drängten mich sofort in ihr Zimmer. Sie versuchten meinen Willen zu brechen, doch ich verriet nichts. Sie wollten ein Geständnis, dass wir intim geworden waren. Ich ließ sie im Ungewissen. Sie erfanden ihre eigene Fabel davon, was sich im Wald abgespielt hatte. Sie erklärten mir ununterbrochen, was sie an meiner Stelle getan hätten. Die Räume in diesem Haus waren mit unflätigem Schimpfen erfüllt. Bizarre Abwandlungen von Ausdrücken, die eine Hure bezeichnen sollten, wurden herausgeschrien. Die Erwachsenen ließen ihrem perversen, unterdrückten Sexualtrieb freien Lauf, ohne auf die Bedürfnisse ihre Kinder Obacht zu geben. Ich wusste, Carola würde aus Rache genauso schweigen wie ich. Sie sollten an ihre eigenen Fantasien ersticken. Sie sollten leiden, so wie ich litt.
Tags darauf reisten wir ab. Sie alle sprachen miteinander kein Wort mehr. Es herrschte eisiges Schweigen. Meine Eltern zeigten Carolas Eltern die kalte Schulter. Und Carolas Familie straften meine Eltern mit vorsatzloser Verachtung. Sie ließen ihre Tochter buchstäblich keine Sekunde aus den Augen und ich musste mich beherrschen, nicht mit den Fäusten auf sie zu stürzen, oder laut zu schreien. Carolas Vater saß verbissen im Garten. Immer wieder wischte er mit dem Handrücken über die große, schimmernde Wunde an seiner Stirne. Er nahm einige Fische, die in einem Weidling lagen, mit einem langen Messer aus. Seine Lippen waren gefährlich schmal – wie sein Messer. Sein hasserfüllter Blick verriet, dass ich der Fisch war. In dieser Grenzbelastung traten die wahren pathologischen Personenkerne zutage. Über unseren Köpfen tobte der Krieg der Paranoiker. Carola wurde nicht zu einem Arzt gebracht. Anscheinend war nichts geschehen. Vielleicht waren ihre Verletzungen nicht einmal gesäubert worden. Ihr Gesicht war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Die Haut war an zahlreichen Stellen von der Wucht der Schläge geplatzt. Die Lippen waren irgendwie schief und ihre Wange war ausgestülpt, als beherbergte sie einen Knödel darin. Die Oberarme wiesen Blutergüsse auf, die sich gegenseitig an Größe und Form übertrafen. Ich sah keine Möglichkeit für einen neuerlichen Kontakt zu ihr. Unsere Zuneigung war ihr erfolgreich heraus geprügelt worden.
Der Urlaub war zu Ende, wofür ich die alleinige Verantwortung zu tragen hatte. Die Gesichter meiner Eltern spiegelten die vereitelte Erholung,