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DIE LSD-KRIEGE. Gerald Roman Radler
Читать онлайн.Название DIE LSD-KRIEGE
Год выпуска 0
isbn 9783748592853
Автор произведения Gerald Roman Radler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er selbst war ein ansehnlicher Bursche mit nackenlangem, gescheiteltem Haar. Sein Körperbau war athletisch und er war etwas kleiner als ich. Er hatte ein markantes, hervorstehendes Kinn und eine stumpfe, breite Nase. Beides verhinderte, dass man ihn als ausgesprochen schön bezeichnen konnte. Seine Gesamterscheinung mit den Jeans und dem karierten Holzfällerhemd war aber angenehm. Offensichtlich sah er mich nicht in dem Licht, das ich auf mich strahlen sah. Seine Eltern verhielten sich ihm gegenüber liberal. Das konnte ich mir nur schwer vorstellen. Aber vielleicht machte das einfache Leben die Menschen doch gerechter und gab ihnen die klare Sicht auf die Dinge, die meinen Eltern gänzlich fehlte. Sein Vater war ein eigensinniger Mann, den die Einsamkeit seiner tagelangen Wanderungen in den nahen Bergen geprägt hatte. Er war berufsmäßiger Jäger und schwärmte von der Kraft des Blutes erlegter Tiere.
Einmal schleppte er einen Rehbock vor das Anwesen, schnitt seine Kehle auf und trank den ersten Strahl gierig. Er aß Tollkirschen, um seine Streifzüge im Wald auszukosten und um Hunger und Müdigkeit vertreiben zu können. Das berichtete er mir, als ich ihn unweit des Hauses auf einer alten, geschnitzten Bank am Waldesrand traf. Er nahm gerade einen Rehbock aus und seine Arme waren blutverschmiert. Sonst eher wortkarg, geriet er in Plauderlaune und erzählte von seinen Gewohnheiten. Wohl auch um ein wenig mit seiner Kraft und seinem Wissen anzugeben. Mit dem Messer in der Hand und dem Blut wollte er mir einen Schreck einjagen. Ich überlegte mir aber nur, wie es wäre, hier zu leben und Tollkirschen zu essen und nie wieder in die Stadt zurückkehren zu müssen. Als Vater wünschte ich mir diesen seltsamen Mann auch nicht gerade.
Dieser Urlaub versetzt mich dann unerwartet in eine ähnliche Lage, mit der ich schon im Winter konfrontiert war. Ich hatte mir mit meinem Geburtstag erneut ein Limit gesetzt, das Mädchen meiner Träume zu finden. Daher hielt ich die Augen offen, um eine Begegnung weder aus Scheu noch aus Intoleranz zu verpassen.
Nach einigen Tagen wurde das Zimmer, in dem Michaela mit ihren Eltern gewohnt hatte, von einer Familie aus Düsseldorf bezogen. Der Vater war ein verlebter, ausgelaugter Arbeiter aus einem Kohlenbergwerk. Die Frau bekam ich fast nie zu Gesicht. Sie hielt sich vornehmlich in der Stube, oder hinter dem Haus auf. Es dauerte nicht lange bis ich die hellen Stimmen, die einen Weg durch Flur und Wände zu meinen Ohren fanden, zuordnen konnte. Die beiden Eheleute hatten zwei Kinder. Eine Tochter war knapp zwölf Jahre – also so alt wie mein Bruder – und Carola, das andere Mädchen war so alt wie ich. Sie war sehr hübsch und abermals verliebte ich mich augenblicklich.
Als ich sie das erste Mal im Gang zur Toilette sah, spürte ich einen unangenehmen Stich im Magen. Ihre Wangen wurden sofort rot und sie blickte verlegen zu Boden. Als ich mich nach ihr umdrehte, stand sie in der Türe zu ihrem Zimmer und sah mir verlegen in die Augen. Mein Herz klopfte wild. Ihre tiefen grünen Augen, mit den winzigen, schwarzen Flecken und das lange schmutzig blonde Haar sah ich noch im Traum. Sie zeigte ihr offenkundiges Interesse, indem sie mich nicht nur innig anblickte, sondern charmant lächelte. Mir war allerdings nicht nach Frohsinn zumute. Ich hielt ihr jähes Erscheinen und unsere spontane Adhäsion für eine göttliche Fügung. Um meine ernsthaften Absichten zu unterstreichen, setzte ich mein finsterstes Gesicht auf. Ich war dem Schicksal dankbar, das dieses Mädchen an solch einen verlassen Ort entführt hatte. Wir konnten uns gar nicht mehr aus dem Weg gehen. Meine Schüchternheit stellte in einer derart maßgeschneiderten Prüfung kein Hindernis mehr dar. Ich sprang über meinen Schatten und sprach sie an. Ich stellte ihr eine Frage über ihre Herkunft und ihren Namen und wollte wissen, wie lange sie blieb. Später, als wir entspannter an der Treppe lehnten, fragte ich sie nach ihren Hobbys, ihren Vorstellungen und ihren Träumen. Ich konnte es gar nicht fassen, dass sie mir bereitwillig Auskunft gab. Sie schien Gefallen an unserer Konversation zu finden und stellte Gegenfragen. Es ergab sich, dass wir uns am Ende des Tages auf einer kleinen Holzbank hinterm Haus wieder fanden. Die Bank stand auf einem sanften Hügel und der Mond war schon voll. Wie konnten das Haus zwar sehen, unser Platz lag allerdings im Schatten der Bäume. Sie lehnte den Kopf an meine Schulter und gestand, wie froh sie darüber war, einen Menschen wie mich gefunden zu haben. Ich schluckte schwer und konnte kaum mehr atmen. Plötzlich saßen wir Hände haltend aneinander geschmiegt. Ich konnte mich nicht erinnern, wann sich unsere Position verändert hatte. Als sich unsere Körper näher kamen, musste ich wohl ein Black-out gehabt haben. Ihre Finger waren feucht und warm und ihre Handflächen glitschig. Ich spürte eine unerträgliche Hitze meine Wirbelsäule hoch kriechen. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum klar denken konnte. Carola hielt mein Gesicht in ihren nassen Fingern und ich hatte ein seltsames Gefühl, welches ich später noch öfter und genauer, zu bestimmen lernte.
Später am Abend schlossen wir uns im Badezimmer ein, um uns zu küssen. Der Schweiß rann mir über den Rücken. In diesem seligen Moment rüttelten unsere beiden Eltern an der Türe. Zuerst wollte Carola darauf bestehen, alleine ein ungestörtes Bad zu nehmen. Doch unter dem Druck der erzürnten Erwachsenen gaben wir schließlich auf und öffneten die Verriegelung. Das Mädchen wurde übergangslos von ihrem Vater heftig geschlagen. Er traf mit der flachen Hand ihre Wangen, ihren Kopf und sogar ihre Brüste. Ich war erschüttert und wusste nicht, ob ich dem Tobenden in den Arm fallen sollte. Aber Carola entwand sich rasch und lief weinend auf ihr Zimmer.
Ich war geschockt, dass der Versuch unseres Austausches von Zärtlichkeiten mit einem derartigen Gewaltausbruch endete. Mein Bruder stand schweigend und sichtlich angegriffen im Türrahmen. Ich gab ihm symbolisch meinen protzigen Silberring für eine kommende Auseinandersetzung mit den Eltern. Meine Mutter schimpfte ohne Unterbrechung, als hätte ich ihr etwas Schreckliches angetan. Ich wandte mich angeekelt ab, schließlich vermittelten uns beide Eltern, dass wir einen unverzeihlichen Fehler begangen hatten. Von meinem Vater gab es keine Spur, obwohl ich anfangs meinte, seine flüsternde Stimme gehört zu haben. Ich fühlte mich gedemütigt und besiegt. In dieser Stimmung wollte ich mich – düstere, folgenschwere Zukunftspläne schmiedend – in mein Zimmer zurückziehen. Seltsamerweise stand die Türe einen Spalt offen und eine unheilige Ruhe lag in der Luft.
Hinter der Türe lauerte mein Vater und gab mir beim Betreten des Raumes die schlimmste Ohrfeige meines Lebens. Von da an setzte für den Bruchteil einer Sekunde meine Erinnerung aus. Ich holte aus und stieß meinen Vater mit einem wuchtigen Stoß durch den Raum. Er strauchelte rückwärts, fing sich und prallte dann mit gekrümmtem Rücken gegen die Wand. Er gab keinen Laut von sich.
Nach diesem cholerischen Ausbruch zog mein Vater mit hochrotem Kopf und verkniffenem Mund ab. Er drehte sich sogar noch einmal um, die Hand halb zum Schlag erhoben. Als er in meine Augen sah, überlegte er es sich doch anders. Jetzt war sein Gesicht schneeweiß. Er hinterließ eine seelische Verwüstung. Er fragte nichts, er begründete nichts und es kam auch kein vernünftiges Gespräch zustande. Ich wäre auch nicht in der Lage gewesen, meine Emotionen in Worte zu kleiden. Meine Mutter drohte mir nur mit der Abschiebung in ein Heim und untersagte mir jeden weiteren Umgang mit der Hure. Es war mir völlig unverständlich, wie sie mir, ohne jegliche Information über den Hergang unseres Zusammenseins zu besitzen, die bösesten Vorwürfe entgegen schrie. Ich erkannte, dass sie ihre eigenen Interpretationen von dem, was sich zwischen Mann und Frau abspielte, auf uns strohfeurig verliebten Teenager projizierte.
Ich schlich mich noch in derselben Nacht geräuschlos bei der Haustüre hinaus und nahm den Anstieg hinter dem Haus, in der vagen Hoffnung Carola würde wissen, dass ich mich mit ihr treffen wollte. Als ich den Kopf hob, um zu sehen, wo ich mich befand, sah ich Carola, die – wie auf ein geheim verabredetes Zeichen – gerade zwischen den Stämmen auftauchte. Sie befand sich nur einige