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DIE LSD-KRIEGE. Gerald Roman Radler
Читать онлайн.Название DIE LSD-KRIEGE
Год выпуска 0
isbn 9783748592853
Автор произведения Gerald Roman Radler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ich widmete mich der Vaterfigur des Gurus, der irgendwo in der Ferne wohlwollend meine Übungen überwachte und zurückhaltend mein Fortkommen forcierte. Ich versuchte mein Glück unter der Schirmherrschaft der ehrwürdigen Meister, die mich, den Bart streichend, sicher schon als Nachwuchs entdeckt hatten. Ich vertraute nur der allumfassenden Erkenntnis der Yogis. Angestrahlt von der hellen Sonne der vollendeten Instruktive, fühlte ich mich endlich rundum wohl. Gleichzeitig begann ich mich, für die Grenzwissenschaften zu begeistern.
Zwei Jahre bevor ich den ersehnten Kontakt knüpfte, der mich zu meinem ersten halluzinogenen Drogenerlebnis führte, beschäftigte ich mich mit dem Leben nach dem Tod und ungewöhnlichen Sinneswahrnehmungen.
ASW, außersinnliche Wahrnehmung, nannte man damals den jungfräulichen Zweig, der gemeinsam mit der Parapsychologie im Underground boomte. ASW schien mir eine Antwort auf all meine Fragen zu geben. Die Beschäftigung mit Wundern und Naturkräften hatte es schon seit Menschengedenken gegeben, aber der Strom dieser geheimen Kenntnisse, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war neu. Ich stellte meine Gedanken in einfachen Bildern und elementaren Worten auf Papier dar. Zu diesem Zweck bekam ich von meinem Vater schwarze, vorzüglich gebundene, linierte Bücher im Format A4, denen ich verschiedenen Themen widmete. Solche Bücher standen bei der niederösterreichischen Landesregierung in der Buchhaltung in Verwendung. Ich konstruierte Modelle einer Verbindung von Diesseits und Jenseits, deren Brücke die Träume waren. Einige Monate später bemerkte ich betrübt, dass meine Vorstellungen rein intellektueller Natur waren und nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben mussten. Ich las den, damals eher in Deutschland bekannten, Autor Hans Holzer und tastete mich an Experimente, die ASW auslösen sollten, heran. Schließlich landete ich dort, wo ich nicht hin wollte. Ich stellte das Leben in Frage. Täglich schrieb ich meine düsteren Gedanken nieder, mittlerweile auch in lyrischer Form.
Meine Karriere als Schriftsteller begann. Meine Funktion als Operateur meiner eigenen Psyche, nahm in diesem Jahr ihren Ausgang. Nach gründlicher Erforschung aller zu Gebote stehender Möglichkeiten, schien mir der Selbstmord die beste Chance, die Wahrheit zu erfahren. Gleichzeitig konnte ich der Beengtheit meiner Kindheit, die ich erst jetzt am Weg zum Erwachsenen zu spüren begann, entkommen. Obwohl ich meine Kindheit nachträglich gar nicht als unglücklich empfand, erahnte ich verschwommen, was Schiefgelaufen war. Ich hinterfragte jeden Satz, den die Eltern je an mich gerichtet hatten. Ich zog die Tauglichkeit ihrer Anliegen, die meistens wie Befehle klangen, in Zweifel. Ich ließ mich nicht mehr hinters Licht führen und machte ihnen zu oft klar, dass ich aufgewacht war und über mich selbst bestimmen wollte. Ihnen jagte meine Rebellion Angst ein. In dem Maße, wie ihr Verhalten von Unsicherheit bestimmt wurde, stieg auch ihre Angriffslust und die Anzahl autoritärer Übergriffe. Sie fürchteten angeblich um meinen Verstand. Es war verhängnisvoll, sie an meinen Veränderungen und Einsichten teilhaben zu lassen. Als tiefe Zweifel über die Glaubwürdigkeit ihrer Erziehung auftauchten, glaubten meine Eltern, ich litt an Jugendirrsinn und müsse rasch geheilt werden.
Der berühmte Dr. Zippo, ein in Wien angesehener Psychiater, wurde heimlich konsultiert. Die Eltern vereinbarten hinter meinem Rücken einen Hausbesuch. Ich war ehrlich geschockt, als es zuerst läutete und dann ein seriöser, graumelierter Herr im Nadelstreif plötzlich in meinem Zimmer stand. Er hatte die Daumen selbstsicher in die Seitentaschen seines Gilets gehackt und musterte mich amüsiert und doch prüfend durch seine teuren Brillen mit Goldrand. Ich kämpfte meine Enttäuschung nieder und machte gute Miene zum bösen Spiel.
»Das ist der Herr Doktor Zippo«, sagte meine Mutter, »und er möchte sich mit dir unterhalten.«
Meine Eltern schalteten einen Arzt ein, als sie mit ihrem Latein am Ende waren. Sie missbrauchten mein Vertrauen, indem sie Hilfe von außen suchten, ohne mit mir zu sprechen. Ich steckte mitten in den Reformen der Pubertät, während das Testosteron aus mir eine eigene Persönlichkeit formen sollte. Irgendwie hofften meine Eltern, ich wäre in Wahrheit krank, weil ich nicht mehr der liebe Bub war, den sie gezüchtet hatten. Sie suchten eine Verstärkung durch eine respektable Person der Öffentlichkeit, die ihnen zustimmte. Ich hatte sämtliches zugängliche Material über Schizophrenie gelesen, insbesondere die Bücher von Sigmund Freud. Ich hatte das Werk über die Hysterie, die Neurosen, die Traumdeutung und nicht zuletzt »Totem und Tabu« mehrmals eingehend studiert. Sogar Eugen Bleuler war mir weit mehr als nur ein Begriff. Ich hatte sein umfangreiches psychiatrisches Werk mit Faszination durchgenommen.
Panik ergriff von mir Besitz, denn der Teufelskreis, in den die Patienten gerieten, denen nichts mehr geglaubt wurde, schloss sich nur allzu rasch. Dr. Zippo würde den Fehler, der mir verborgen geblieben war, in mir finden und mich in Widersprüche verwickeln. Ich würde mich durch den Mediziner womöglich zu einem Dialog anstacheln lassen, der mich in Aussagen verstrickte, aufgrund der ich mit gefährlichen Arzneien kuriert werden musste. Ich fürchtete eiskalte Wassergüsse und Elektroschocks als Vorboten der notwendigen Lobotomie. Mir war nach Weinen zumute. Ich wollte »Verrat!« schreien, »ich bin völlig gesund und normal« und »das vergesse ich euch nie!«
Aber ich schwieg und es kam anders. Anfangs war das Gespräch recht holprig. Dr. Zippo gab sich mit seelenkundlicher Feinfühligkeit Mühe – in einem Gespräch unter vier Augen – einen Zugang zu meiner kindlichen Psyche zu finden. Mein Blick wurde immer wieder von seiner goldenen Uhrkette angezogen. Er betrachtete wohlwollend die vielen Poster an der Wand. Ich hatte sie ohne elterliches Einverständnis in deren Abwesenheit an die Wand gehängt hatte. Diese mit Klebestreifen an die Mauer gehefteten Bilder, sollten das Hauptindiz für meine Schizophrenie bilden. Besonders meine Mutter ereiferte sich wiederholt mit einem Spruch aus ihrer eigenen Kindheit, mit dem Kindern die Inaktivität verordnet wurde: »Narrenhände beschmieren Tisch und Wände!«
Besonders interessierte sich Zippo für Keith Emerson von Emerson, Lake and Palmer, der im gleißenden Scheinwerferlicht in den verschiedensten Aktionen posierte. Er hielt ihn für Udo Jürgens, den er anscheinend kannte und zur Not gerade noch als Künstler akzeptieren konnte. Die Unterhaltungsmusik schien ihn also auch nicht anzusprechen. Ich begriff sofort, dass er ein Klassikfan sein musste und keinen Einblick in die Facetten der Rockmusik hatte. Er begrüßte meinen vermeintlichen Musikgeschmack nicht sonderlich, was er geflissentlich verbarg. Ich wollte ihn schleunigst für mich gewinnen, wohlwissentlich mich eventuell wie ein paranoider Schizophrener zu gebärden. Ich legte also eine Kostprobe, einer der Klassik nahe stehender LP von Emerson, Lake and Palmer, auf den Plattenteller.
Es war Pictures at an Exhibition und basierte auf dem gleichnamigen Werk von Modeste Mussorgsky.
Ich hatte den Nagel am Kopf getroffen. Zippo spitzte die Ohren, bei den für ihn zweifellos exotischen Klängen. Von the Hut of Baba Yaga zeigte er sich begeistert und diskutierte mit mir über die perfekte Interpretation, die jene eleusinische Stimmung deutlicher als das Original hervor arbeitete. Meine kühnsten Hoffnungen wurden übertroffen.
Ich spielte noch andere Alben von ELP an, die sehr umstritten waren. Eingeschworene Klassikfans empfanden die Verschmelzung von Rock mit Klassik als Blasphemie. Niemand dachte zurzeit der Aufnahme dieses Konzerts daran, dass die Bilder einer Ausstellung derartig erfolgreich sein würde. Das Auditorium hatte dieses Experiment begeistert aufgenommen. Ich war sicher, Zippo hörte zum ersten Mal diese neue Stilrichtung. Er war für die Modulationen des Moog-Synthesizers aufgeschlossen. Greg Lake’s klare, wandlungsfähige Stimme zog ihn unwiderstehlich an. Ich glaubte nicht, dass sein Verständnis nur ein Trick war, um sich einen Zugang zu meiner putativ verkorksten Psyche zu erkämpfen. Er notierte sogar die Namen der Alben. Ich ahnte, er würde sie gleich kaufen wollen, denn es war ihm wie mir ergangen, als ich ELP’s Werken erstmalig lauschte.
Ich beschloss also, ihm kurzerhand zu vertrauen. Wir verstanden uns plötzlich prächtig und ich erzählte