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DIE LSD-KRIEGE. Gerald Roman Radler
Читать онлайн.Название DIE LSD-KRIEGE
Год выпуска 0
isbn 9783748592853
Автор произведения Gerald Roman Radler
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Schulwart schlich wie ein Spion hinter mir her. Er beobachtete zudem jene Gruppe, die allgemeine Lehrmethoden in Frage stellte. Nachdem ich allmählich ein fixer Bestandteil dieser Verfolgung wurde, nahmen die Lehrer mich automatisch in die Liste, der zu überprüfenden Schüler auf. Obwohl meine Kameraden in der Klasse einige Intelligenz besaßen, zweifelten sie nie an der Richtigkeit des Systems. Das war erstaunlich, zumal sie sich in sonst keinem Punkt von meiner Entwicklung unterschieden – und doch musste da eine Unbekannte sein, die man nicht berechnen konnte. Für mich ergab das Leben keinen Sinn, so wie es sich darstellte. Während die anderen sich mit der Realität abfanden, nutzte ich die, von der Natur zur Verfügung gestellte Zeit, Alternativen zu suchen. Ich war davon überzeugt, dass es etwas Besseres gab, als diese eine Möglichkeit, zu parieren. Denn auch meine früheren Freunde waren zu bestimmten Zeiten lebensüberdrüssig, aber sie verschwendeten nicht ihre Zeit mit einer womöglich erfolglosen Suche, sondern akzeptierten die bereitgestellten Regeln.
Die Lehrer befanden sich in der Tretmühle und glaubten, nur ein fügsamer Schüler hätte im Leben Erfolg. Sie litten unter dem Schock, den die kolossalen Veränderungen der 68er im Establishment auslösten. Die Schule war die erste Instanz, die sich mit aufkeimenden Widerständen befassen konnte, um sie im Keim zu ersticken. Er wurde nach Gründen gesucht, warum eine Generation komplett revoltierte. Ich war anderen Werten auf der Spur. Und ich suchte Mitstreiter, denn meine bisherigen Freunde überschritten niemals den Punkt, der ihr komplettes Weltbild ad absurdum führte. Warum suchten die Jungen neue Werte? Warum hinterfragten sie die alten Regeln?
Schließlich kam ich mit einem auffälligen Burschen aus der Oberstufe in Kontakt, der es für angemessen hielt, nach den essenziellen Gründen eines Menschenlebens zu fragen.
In Jimi fand ich jemanden, der mit seinen Überlegungen dort ansetzte, wo die Gedanken der Zurückgelassenen endeten. Genauso wie ich, war er im Aufbruch begriffen in eine neue Welt, deren Regeln wir selbst bestimmten. Wenn ich ihn traf, spürte ich die gleiche Erregung, die auch von mir Besitz ergriffen hatte. Im Gegensatz zu uns, folgten meine Mitschüler den vorgefertigten Saumpfaden. Sie übernahmen kritiklos, was die Lehrer ihnen erzählten und bauten auf ein morsches Fundament. Sie nahmen Regeln, Formeln und längst überholten Beobachtungen als gegeben hin. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, einen Menschen zu finden, der tatsächlich gegen das Establishment rebellierte. Faktisch waren alle jungen Menschen, die ich bisher kannte, ohne eigene Ideen. Sie wollten ihre Prüfungen absolvieren, studieren, heiraten und Kinder bekommen. Manche gedachten, auch ohne Familiengründung ihr Leben zu genießen. Niemand aber nahm ernstlich Anstoß an den gesellschaftlichen Zwängen, wenn auch im Scherz, oder bei Diskussionen mancher einen schön formulierten Denkanstoß gab, der rein philosophischer Natur war.
Mein Auftreten war eine einzige Provokation für den Lehrkörper. In den Pausen wurde ich, mit Jimi ins Gespräch vertieft, angetroffen. Dadurch ahnte ich natürlich den Grund für die plötzlich verschärfte Situation und die Anspielungen des Klassenvorstandes. Es war so unglaublich ungerecht, dass ich einfach Widerstand leisten musste.
Er betonte immer, dass eine Verbindung mit anderen Schülern, die auf der Abschussliste standen, Folgen haben würde. Er meinte, wer sich mit diesen Individuen einließ, passe besser zu den Bandlhurchern, als ins Gymnasium. Dieser alte Historiker und Lateinprofessor hasste nämlich die Autowerkstätte, in einer Seitengasse neben dem Schultor, abgrundtief. Auf dem Weg zum Parkplatz plagte ohrenbetäubende Rockmusik seine strapazierten Nerven.
Ich besaß seit meinem zwölften Lebensjahr nur einen Mono-Kassetten-Rekorder, den ich mir vom kargen Taschengeld meiner Großmutter zusammengespart hatte. An jedem Mittwoch besuchte sie uns, kochte, nähte, bügelte und gab mir zwanzig Schilling.
Die echten Bandlhurcher spielten ihre Klänge in der Werkstatt, über eine teure Stereoanlage ab, die den Traum jedes jungen Menschen in dieser Zeit verkörperte. Die Mechaniker stammten allerdings aus einfachen Familienumständen. Die Sippe hielt integer zusammen, Probleme wurden nicht in die Öffentlichkeit getragen. Ein pragmatischer Aspekt veranlasste sie, schon frühzeitig für ihren Unterhalt zu sorgen, um ihr Leben in den Griff zu bekommen. Groteskerweise stellten sie eher die Prototypen der braven Bürger dar, die wir nie werden sollten. Sie hatten bald schon genug Geld für Autos und Motorräder und lernten die wirkliche Welt dort draußen kennen. Sie erwarben die Fähigkeit sich durchzusetzen und verstanden sich frühzeitig auf das Zusammenleben mit Frauen. Sie gründeten Familien und übernahmen Verantwortung, die uns über den Kopf gewachsen wäre.
Ich erinnerte mich mit Unbehagen an die Hofordnung. Bei schönem Wetter durften wir uns während der fünfzehn Minuten dauernden Pause um elf Uhr nur im Uhrzeigersinn bewegen. Ungefähr zehn Personen kümmerten sich nicht um das Gebot. Der Lehrkörper bedachte unsere Auflehnung gegen die Hofordnung mit Tadel. Immer wieder baute sich ein Lehrer vor mir auf und bekundete sein Missbehagen über mein Vergehen. Andere standen wie Späher an einem Gangfenster. Sie wunderten sich, dass ein verschwindender Teil das Gebot in Frage stellte und aussetzte, während der Großteil der Schüler die Verfügung als gegeben hinnahm. Die Regel zum geordneten Hofbetrieb wurde irgendwann einmal aufgestellt, um strikt befolgt zu werden. Die Vorstellung, Schüler wie Affen zu dressieren, reichte weit zurück. Ich empfand diese Verordnungen als unzeitgemäß und antiquiert. Das Gehen im Uhrzeigersinn war eine Schikane, die eine Erholung vereitelte. Weniger Mutige gingen für kurze Zeit in die falsche Richtung. Hob ein Lehrer den Finger in ihre Richtung, oder warf er ein strenges Auge auf sie, machten sie am Absatz kehrt und reihten sich in die Menge ein. Es war ganz so, als hätten sie nur einen Anstoß gebraucht, um ihre verlorene Orientierung wieder zu finden. Amüsiert sah ich sie gebückt schleichen, um nicht noch einmal in den Blickwinkel der Aufseher zu gelangen.
Ein noch schlimmerer Verstoß gegen die geltenden Grundsätze war das Abstützen an der alten Backsteinmauer zum Nebentrakt. Die ärgsten Gesetzesbrecher stachen aus der Masse grob hervor. Sie saßen, oder lehnten an der verbotenen Wand und kümmerten sich nicht um herannahende Lehrer. Ihnen war das Marschieren gegen den Uhrzeigersinn eine zu leichte Übung.
Jimi hatte eine verkrüppelte Hand, die er auffällig zur Schau trug. Über das Gelenk hatte er einen kurzen, bunten Schal gebunden. Mit seinem Kraushaar, das einen schwarzen Schlapphut hielt, wirkte er auf mich wie der weiße Bruder von Jimi Hendrix. Mit ihm wollte ich unbedingt befreundet sein. Er strahlte starke Selbstsicherheit aus.
Einem anderen Burschen begegnete ich täglich im Schultrakt. Er hatte pudelartige Haare und hing lässig an der Hofmauer, neben Jimi. Er hatte die Augen halb geschlossen, nach oben gedreht, als wolle er unbedingt zeigen, dass er High war. Der nächste in der Reihe war der Sohn der Sekretärin des Hofrates. Er kopierte die Gestalt des Sängers Marc Bolan von Tyrannosaurus Rex. Er hatte eine Frisur, die wie ein Dreieck aussah, dessen Spitze über den Scheitel deutete. Ob er wirklich den Begründer des Electric Boogie imitierte, oder sein Aussehen der Erfolg einer Neuorientierung war, konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie alle hatten etwas gemeinsam.
Sie trugen schwarze Sonnenbrillen.
Diese Gruppe von Schülern war ein eigener Stamm. Er entwarf inhärente Regeln, um Autonomie zu signalisieren, wie etwa die Bewegungsverweigerung, oder das Marschieren gegen den Uhrzeigersinn. Ich untersuchte die Lehrer akribisch, die uns ihrerseits beobachteten. Dazu stand mir meine neue Fähigkeit zu Gebot, die ich den Hinterwildalpen erworben hatte. Ich konnte hinter die Maskerade der menschlichen Lügen blicken, ohne den Grund für ihr Verhalten zu verstehen.
Ich kam zu dem Schluss, dass wir für sie ausgesonderte Versuchskaninchen waren. Die Lehrer durchleuchteten die Gebärden innerhalb des Grals und erforschten meine schrittweise Annäherung an die Stammesälteren. Das war für sie ein offensichtlich spannender Vorgang. Je weniger Achtung die Meuterer vom Hauptstamm, den ordentlichen Schülern, bekamen, desto enger zogen sie ihre Kreise um den avantgardistischen Nebenstamm. Solange sie ihre Identifikation durch gute Beurteilungen bezogen, bemerkten sie die Jungen gar nicht. Kaum verschlechterte sich ihre Leistung und ihr Notendurchschnitt sackte ab, suchten sie die Nähe der Außenseiter. Ich war ein geeignetes Lehrbeispiel und bestätigte, die von mir postulierte Regel.
Erst als meine Leistung abgefallen und mein Interesse an der Schule geschmälert war, nahm ich Kontakt mit den Ausgestoßenen