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Moores. Vorsatz aber bedeutet stets Plan und Ziel zu haben.

      Das getötete Mamut aus dem Talkessel oder dem Sumpf zu holen – das alles erforderte nicht zwei, sondern Dutzende von Händen, die diese Arbeit verrichteten. Es erforderte „Absprache“, was damals noch bedeutete: Dutzende von Menschen, die ihre Kräfte durch mehr oder weniger artikuliertes Geschrei vereinten, schleppten mühsam ein riesiges, zottiges Mammutbein über den Boden hin zu ihrer Höhle. Hier waren es wieder Dutzende von Händen, die die Jagdbeute zerlegten, zubereiteten oder mit Asche haltbar machten.

      Der Wettlauf des Menschen mit den anderen Tieren war zu Ende: Der Mensch ging als Sieger durch das Ziel, er überwältigte das größte aller Tiere. Es war weniger ein Wettkampf im Laufen als im Essen: Wer isst wen? Der Mensch wurde derjenige, der alle übrigen isst und von niemandem gegessen wird. Seitdem begann die Zahl der Menschen zu wachsen, rascher und rascher. Mit jedem Jahrhundert, jedem Jahrtausend wurden es immer mehr, und zum Schluss besiedelten sie die ganze Welt.

      Nun ging es auch in der kulturellen Entwicklung rasch vorwärts. Der Mensch braucht nicht mehr selber weiden und pflanzliche Nahrung sammeln. Er kultiviert Tiere und lässt sie für sich weiden. Er hortet die im Fleisch gesammelten Vorräte an Stoff und Energie, die im Laufe vieler Jahre in dem (nun geschlachteten) Tier entstanden waren. Und solche Vorräte wurden auf dem kälter werdenden Globus bitter nötig. Aber dabei blieb es nicht. Denn eine Änderung zog die andere nach sich. Seit der Mensch Vorräte hielt, musste er auch sesshafter werden, konnte er sich nicht mehr so leichtfertig durch die Landschaft bewegen. Ein geschlachtetes Tier kann man nicht immer mit sich herumschleppen – doch auch diesen Zeitabschnitt gab es im Leben der Menschheit.

      Auch aus anderen Gründen war es für den Menschen Zeit, das Leben eines obdachlosen Vagabunden aufzugeben. Es war die bereits erwähnte vorrückende Eiszeit, die ihn Schutz vor der Kälte, vor den Schneestürmen suchen ließ. So kam es dazu, dass der Mensch sich in der großen, kalten Welt seine eigene, kleine, warme Welt zu bauen begann. Wir wollen jetzt nicht im Einzelnen die verschiedenen Behausungen, die „Himmelsgewölbe“ beschreiben, die sich der Mensch im Laufe der nun folgenden Jahrtausende suchte.

      Neben die Entdeckung der Werkzeuge, der Zeit, des Feuers, der Arbeit in der und für die Gemeinschaft, neben die Entdeckung von Plan und Ziel tritt eine entscheidende Erfindung hinzu: die Arbeitsteilung. Die Aufteilung der Arbeit nach den Werkzeugen spricht dafür, dass die Verteilung der Arbeit unter den Menschen schon in der Zeit der urmenschlichen Jäger begonnen hat. Diese Arbeitsteilung wurde immer mannigfaltiger. Um mehr zu schaffen, um mehr ZEIT zu schaffen, mussten die einen diese Arbeit verrichten, die anderen jene. Während die Männer auf der Jagd den Tieren nachspürten, blieben die Frauen nicht untätig. Sie erbauten Hütten, wurden also zu architektonischen „Hausfrauen“, verfertigten die Kleidung, sammelten Wurzeln, Gemüse, Brennstoffe, sorgten für Vorräte.

      Aber es gab auch eine andere Teilung der Arbeit: die zwischen den Alten und Jungen.

      Die Schule, durch die seitdem die Menschheit ging, dauerte Tausende von Jahren.

      Vorlesung 5

      Zu jeder Arbeit muss man befähigt sein. Diese Fähigkeit fällt aber nicht vom Himmel, man muss sie von jemandem erwerben. Wenn jeder Zimmermann selbst Beil, Säge und Hobel erfinden und herstellen müsste, wenn er sogar noch erarbeiten müsste, wie man dann mit diesen Werkzeugen umzugehen hat, dann gäbe es in der ganzen Welt keinen einzigen Zimmermann. Wenn jeder von uns, der Geographie lernen möchte, die ganze Welt umreisen, Amerika entdecken, Afrika und Asien erforschen, den Mount Everest erklettern, alle Landzungen und Landengen besuchen müsste, so würde sein Leben nicht ausreichen, selbst wenn es tausend Mal länger wäre.

      Je weiter die Menschen die Natur bewältigten, je ausgefeilter und effektiver sie dies taten, umso notwendiger wurde es für sie, zu LERNEN. Jede neue Generation erhält von der vorangehenden einen immer größeren Vorrat an Kenntnissen, Nachrichten/Informationen und Entdeckungen.

      Wir sehen es an unseren Kindern: Die ersten zehn Jahre gehen schon allein damit hin, die Grundschule zu beenden und Grundkenntnisse zu erlangen. Das Wissen nimmt rasant zu; die Zahl der Wissenschaften explodierte in den letzten zweihundert Jahren. Unter dem Druck der neuen Erkenntnisse haben sich die Wissenschaften geteilt und vermehrt wie lebende Zellen.

      In der Steinzeit gab es natürlich noch keine Wissenschaften. Die Menschheit begann erst, ihre Erfahrungen zu sammeln und aufzuspeichern. Die Arbeit des Menschen war nicht so kompliziert wie heute. Daher verging auch nicht so viel Zeit bei der Lehre. Und doch mussten die Menschen auch damals schon lernen. Um ein Tier aufzuspüren, es zu erlegen, das Fell zu zerteilen, die Hütte zu bauen und ein Steinmesser herzustellen, musste man Handfertigkeiten besitzen, Meisterschaft erlangen. Und woher kommt diese Fertigkeit? Der Mensch wird nicht als Meister geboren, er muss die Meisterschaft erwerben. Hier sieht man, wie weit sich der Mensch inzwischen vom Tier entfernt hat. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass den Tieren die „Werkzeuge“ angeboren und nicht austauschbar oder bearbeitbar sind. Tiere benötigen weder Werkstätten noch Schulen. Anders beim Menschen. Er macht seine Werkzeuge selbst. Er wird nicht mit ihnen geboren. Daher bekommt er auch die Fähigkeit, sie zu gebrauchen, nicht als Erbschaft von Vater und Mutter mit, sondern von den Lehrern und von den Älteren während der Arbeit.

      Zum Glück für die Menschheit haben wir uns von den Fesseln der Natur befreit und werden nicht mit abgeschlossenen Fertigkeiten geboren. Wir lehren und lernen, und jede Generation steuert etwas zu dem allgemeinen Vorrat menschlicher Erfahrungen und Entdeckungen bei. Die Erfahrung wächst und wächst. Die Menschheit schiebt die Grenze der Unkenntnis immer weiter von sich. Wie jeder Schüler, so geht auch die ganze Menschheit durch eine Schule und erkennt immer Neues. Diese tausendjährige Schule hat den Menschen zu dem gemacht, was er ist. Sie gab ihm Wissenschaft, Technik und Kunst, gab ihm die ganze vielfältige Kultur.

      In die tausendjährige Schule trat der Mensch schon in der Steinzeit ein. Alte, erfahrene Jäger unterrichteten die Jünglinge in der schwierigen Kunst der Jagd, lehrten sie Spuren zu erkennen und zeigten ihnen, wie man ein Tier anschleichen muss, um es nicht aufzuschrecken. Auch für die Frauen war Schulung nötig. Musste die Frau doch gleichzeitig Hausfrau, Architektin, Holzfällerin und Schneiderin sein. Auch Giftiges musste sie beim Sammeln vom Essbaren unterscheiden lernen.

      In jeder Menschenhorde gab es alte, erfahrene Männer und Frauen, die der Jugend die Erfahrungen eines arbeitsreichen Lebens übergaben. Wie aber übergibt man sein Können, seine Erfahrungen anderen. Indem man zeigt und erzählt.

      Dazu ist Sprache nötig.

      Die Tiere brauchen ihren Kindern nicht beizubringen, wie die lebendigen Werkzeuge – Pfoten und Zähne – zu benutzen sind. Daher brauchen die Tiere nicht sprechen können.

      Die Sprache war nötig, sowohl um gemeinsam zu arbeiten, als auch um die Arbeitserfahrungen und Arbeitskenntnisse von den Alten an die Jungen weiterzugeben. Wie hat der Mensch der Steinzeit gesprochen?

      In der Tiefe der Höhlen und auf den Jagdplätzen der vorzeitlichen Menschen findet man mitunter sie selbst, oder vielmehr das, was von ihnen übriggeblieben ist. Ihre Schädel und Skelette wurden an vielen Stellen gefunden: in Frankreich, Deutschland, Belgien und in Russland. Nach dem Neandertal, wo einer der ersten Funde gemacht wurde, nennt man all diese damaligen Zeitgenossen „Neandertaler“.

      Wir werden unseren Protagonisten auch „Neandertaler“ nennen. Wir müssen es kurz machen: Bei ihm werdet ihr nicht mehr auf den Gedanken kommen, er sei ein Affe. Und doch ähnelt er noch stark einem Affen. Die niedrige Stirn überragt die Augen wie ein Mützenschirm, die schräggestellten Zähne ragen vor. Hauptsächlich aber sind es Stirn und Kinn, die ihn von uns unterscheiden. Die Stirn flieht nach hinten, und das Kinn ist kaum angedeutet. In diesem fast stirnlosen Schädel fehlten offenbar noch Gehirnteile, die der heutige Mensch besitzt. Der Unterkiefer mit dem abgeschrägten Kinn war zum Sprechen ungeeignet. Ein Mensch mit solcher Stirn und solchem Kiefer konnte niemals so denken und sprechen wie wir denken und sprechen. Trotzdem musste er sprechen.

      Die gemeinsame Arbeit erforderte das Sprechen. Wenn Menschen miteinander arbeiten, so müssen sie sich über die Arbeit verständigen.

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