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Predigten durch ein Jahr. Martin Luther
Читать онлайн.Название Predigten durch ein Jahr
Год выпуска 0
isbn 9783753184319
Автор произведения Martin Luther
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Am dritten Sonntag nach Trinitatis
Lukas 15,1-10
Es nahten zu ihm allerlei Zöllner und Sünder, daß sie ihn hörten. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und ißt mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat, und so er der eines verliert, der nicht lasse die neun und neunzig in der Wüste, und hingehe nach dem verlorenen, bis das ers finde? Und wenn er es gefunden hat, so legt er es auf seine Achseln mit Freuden. Und wenn er heim kommt, ruft er seinen Freunden und Nachbarn, und spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, vor neun und neunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. Oder welch ein Weib ist, die zehn Groschen hat, so sie der einen verliert, die nicht ein Licht anzündet und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht: Freuet euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder der Buße tut.
Dieses ist eines der tröstlichen Evangelien, daß man im ganzen Jahr predigt, darin der Herr Jesus uns lehrt, daß sein Amt ein Hirtenamt ist, daß er den Sünder nachgehen, sie suchen und wieder zu recht bringen soll, daß sie dem Wolfe, dem Teufel, nicht zu Teil und ewig verdammt werden. Solche Predigt aber ist, daß allerlei Zöllner und Sünder den Herrn Christus nachliefen, daß sie seine Predigt hörten. Dieses sahen die Pharisäer und Schriftgelehrten, murrten darüber und legten ihm das sehr übel aus, als wäre es eine besondere Leichtfertigkeit. Denn einem Frommen Mann steht es zu, daß er sich zu Frommen Leuten halten und gesellen soll. Aber der Herr antwortet sehr wohl und sagt: Er tue eben das, daß sonst die Leute tun in anderen Sachen, an denen nicht einmal soviel gelegen ist. Will also von Pharisäern ungestraft sein und in seiner Sache recht erhalten.
Denn dieses ist die Frage worum es hier geht: Wie mit den Sünder umzugehen und was mit ihnen zu tun sei? Es ist genau mit zwei Menschen, die doch beide Gottes Wort studiert haben, zusammen kommen; so ist die Antwort auf diese Frage sehr unterschiedlich. Die Pharisäer und Schriftgelehrten wissen von Gottes Worten nicht mehr, denn was Mose und das Gesetz gelehrt. Weil nun das Gesetz immer so predigt: Gott will denen gnädig sein, die fromm sind und seine Gebote halten; dagegen die Bösen, die seine Gebote nicht halten, strafen; daher kommt es, daß die Pharisäer und Schriftgelehrten hier meinen, es wäre von den Menschen nicht recht, mit den Sündern umzugehen, denn wie Gott mit ihnen umgeht. Weil Gott über sie zornig ist, sich ihrer nicht annimmt, sollen sie die Leute auch nicht annehmen, sondern fahren lassen.
Genauso urteilt unsere Vernunft auch. Sobald ein Mensch seine Sünden spürt und gewahr wird, denkt er, Gott zürne, es sei keine Gnade da, man müsse ein großes Unglück erwarten. Wie wir es an Adam und Eva auch sehen: als sie von dem verbotenen Baum gegessen, und das Gewissen ihnen schlug, sie hätten wieder Gott getan; da verkrochen sie sich und durften sich nirgends sehen lassen. An den jungen Kindern sehen wir es auch: wenn sie wissen, daß sie Unrecht getan haben, verstecken sie sich. Denn das ist die Art der Sünde, daß sie ein ängstliches Herz macht, daß sich um Ungnade und Strafe sorgt. Da aber, wo das Gewissen unschuldig ist, da bekommt der Mensch einen Mut, fragt nichts danach, ob jemand sich ungnädig stellt; denn dar steckt das Vertrauen immer im Herzen. Du weißt, daß unschuldig ist, es wird sich ein anderer finden, der schuldig ist, daß du frei ausgehen wirst.
Wenn nun ein Herz, daß weiß das es schuldig ist, natürlich nichts anderes kann als sich fürchten, und deswegen alle Gnade vergißt, und auf Ungnade wartet, also urteilen die Pharisäer hier von den Sündern auch. Sie sehen, daß Zöllner und Sünder in einem sündigen Stande bis er gelebt; schließen deswegen schnell darauf: Mit bösen Buben soll niemand umgehen, noch ihnen einige Gnade beweisen; denn Gott selbst ist ihnen ungnädig, will ihrer nicht, will nur fromme, gottesfürchtige Herzen haben, die mit solchen groben Sünder nicht geladen sind.
Aber da denke du ihm nach, wenn solch ein Urteil wahr sein soll, daß Gott mit den Sündern keine Geduld tragen und immer mit der Keule zuschlagen will, wie wird es uns allen gehen? Wo wird er Leute und eine Kirche haben? Denn wenn wir auch in äußerlichen groben Sünden und Laster nicht liegen: es ist, Gott Lob! Mancher Ehemann, der seine Ehe nicht gebrochen, mancher, der mit der Hand nicht gemordet, nicht gestohlen, noch anderes getan hat, daß unehrlich und ungöttlich ist, so müssen wir uns alle vor Gott als Sünder bekennen. Denn wir sehen und erfahren, daß in unseren Herzen nichts Gutes ist, wenn auch an einem die Hände, der Mund und andere Glieder rein sind denn an einem anderen. Nun will aber Gott nach dem Herzen sein Urteil stellen. So nun Gott allen Sündern gnädig sein soll, sie wegwerfen und ihrer sich nicht annehmen, wie die Pharisäer hier das Urteil nach dem Gesetz fällen: so müßte ja folgen, daß kein Mensch kann selig werden. Aber die Pharisäer selbst müssen bekennen, diese Meinung ist falsch und unrecht.
Darum fällt unser lieber Herr Jesus Christus ein anderes Urteil und will solche Antwort der Pharisäer ganz und gar nicht gelten lassen, und macht das Widerspiel, nämlich, daß Gott den Sündern nicht feind ist, und auch nicht Lust an ihrem Tode hat; deswegen könne er, der Herr Christus, ihnen auch nicht feind sein, er ist deswegen in diese Welt gekommen, daß er die verirrten Schafe suchen und wieder zu recht bringen will. Und alle Menschen, besonders aber die Prediger, sollen diesem Beispiel folgen, daß sie, genau wie man ein Haus pflegt, wo etwas verloren ist, allen Fleiß dahin wenden soll, daß das verlorene wieder gefunden werde.
Dieses ist eine andere Lehre und Predigt denn als sie Mose und die Gesetzes Predigt, die nicht in unseren Herzen gewachsen, sondern durch den Sohn Gottes vom Himmel herab zu uns gebracht ist. Wie Johannes der Täufer sagt: «Gott hat niemand jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat es uns verkündigt.» Denn solchen Willen Gottes, daß er mit den Sündern nicht zürnen, sie wegen der Sünden nicht verdammen, sondern viel lieber zu Gnade annehmen und sie selig machen will, weiß kein Mensch. Das Widerspiel wissen und fühlen wir. Deswegen wo die Sünde ist, da folgt, wie zuvor gemeldet, daß man sich vor Gott fürchtet. Aber da lehrt uns unser lieber Herr Christus durch sein Evangelium, daß es eine andere Meinung mit den Sündern vor Gottes Gericht habe, daß er nicht über sie zürnen, sondern sie zu Gnaden annehmen will, und daß die Engel in Himmel oben alle Freude und Lust daran haben, wo die Sünder zur Buße kommen und sich bekehren.
Diese Lehre soll man darum fleißig merken, weil unsere Vernunft das Widerspiel schließt, daß wir uns gegen unser Böses Gewissen und Sünde lernen sollen trösten. Denn wer ein solche Anfechtung irriges Gewissens seinem eigenen Herzen, Vernunft und Verstand folgen will, der geht dahin, und ist die weder zur raten noch zu helfen, er muß verzweifeln. Darum liegt alle Macht an denen, daß hier, gegen unser eigenes Herz und Gewissen, mit Christus dahin kommen, und sagen: Ich bin ein armer Sünder, das kann, ja, will ich nicht leugnen; ich will aber darum nicht verzweifeln, und mein Gott wollte mich nicht. Ursache, meinte Jesus Christus sagt, es ist ein Sünder gleich wie ein Schaf, das seinen Hirten verloren und in die Irre geraten ist. Solche ein irriges Schaf will er nicht in der Irre lassen, sondern suchen, und zu den anderen Schafe tragen. Das ist ja ein Zeichen, daß er uns wegen der Sünde nicht wegwerfen, sondern allen Fleiß dahin wenden will, wir uns von Sünden und wieder zur Gnade bringen kann.
Nun zeigt aber das Evangelium an anderen Orten genug Ursache an, warum