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großer Frevel in unserem Volk überall ist, jeder will für seine Arbeit und seine Ware soviel Geld haben, wie er nur bekommen kann. Jedermann sammelt Geld, schlemmt und praßt, belügt und betrügt daneben einer den anderen, wo er nur kann. Dieses sollte wohl eine Unlust machen, wenn sie in eine Not kommen, daß man denken würde: Das ist richtig, damit die Buben müde werden. Aber ein Christ soll nicht so tun, sondern sagen: Was liegt mir daran, ob sie gleich böse sind? Dieses soll mich nicht bewegen, daß ich auch wollte böse sein, ich will tun wie ein guter Baum. Wenn man die Früchte abbricht, die er getragen hat, über ein Jahr bringt der andere, und zürnt darum nicht, also will ich es auch tun. Habe ich dir zuvor Gutes getan, und du bist und dankbar gewesen und hast mir dagegen Böses getan; damit sollst du mich nicht bewegen, daß ich auch sollte böse werden. Du bist ein Dornstrauch, der nichts weiter kann als stechen, so bleibe es, darum will aber ich keiner werden, sondern ein feiner, fruchtbarer Weinstock bleiben und gute Trauben bringen. Denn also tut mein Vater in Himmel auch: Der gibt bösen Buben genau so, als Frommen und Gerechten, Vieh, Ochsen, Eier, Butter, Käse, Haus, Hof, Geld, Gut, Leib und Seele, Frieden, schönes Wetter, und was man bedarf. Er läßt die liebe Sonne leuchten, obwohl wir wohl verdient hätten, daß er höllisches Feuer herunter regnen ließe. Aber er tut es nicht: er will kein Dornstrauch werden wegen unseres Undankes willen; sondern spricht: Wollt ihr nichts anderes denn böse sein, so will ich doch gut bleiben, meine Sonne, meinen Regen über Böse und Gute gehen lassen.

      Das ist das Beispiel, welches unser lieber Herr Christus uns zeigt, daß wir in solcher Frömmigkeit auch bleiben, und anderer Leute Bosheit uns nicht dazu verleiten sollen, daß wir auch böse werden, wie es in der Welt geschieht, die rächt sich, bezahlt gleiches mit gleichem. Das soll unter den Christen nicht sein, sondern sollen sagen: Du bist ein Dornstrauch, hast mich übel gestochen; aber um deiner Sünde willen will ich nicht auch zu einem Dornstrauch werden, sondern dir in deiner Not alles Gute tun; dazu Gott für dich bitten, daß er dir solches vergeben, und dich aus dem Dornstrauch zum schönen fruchtbaren Weinstock machen wolle. Das heißt: «Seid barmherzig, wie euer Himmlische Vater barmherzig ist,» der seinen ärgsten Feinden das allerbeste tut.

      Nun muß man aber solches also verstehen, daß man nicht denke, Gott will alle Strafe verboten und hinweg haben. Denn Christus predigt hier seinen Jüngern, die kein Regiment hatten. Die Kinder im Hause, die Bauern im Dorf, die Bürger in der Stadt, die Politiker in der Regierung, da verhält es sich anders, denn im Haus regiert Vater und Mutter, im Dorf der Richter, in der Stadt der Bürgermeister usw. die Kinder im Haus, die Bauern im Dorf die Bürger in der Stadt, die Politiker in der Regierung sind alle gleich untereinander, deswegen sollen sie diese Regel untereinander halten, welche der Herr hier gibt, daß keiner dem anderen soll übles tun, sondern untereinander barmherzig sein. Wo aber die Personen ungleich sind, als, Politiker in der Regierung gegen das Volk, der Richter über die Leute, da soll man keine Barmherzigkeit gegen die bösen brauchen, sondern das Böse strafen. Also sollen die Eltern nicht barmherzig sein gegen die Kinder, wenn sie böse sind, sondern strafen, was zu strafen ist, und nichts übersehen. Das fordert Gott von ihnen; und wo Sie es nicht tun, müssen sie Gott harte Rechenschaft dafür geben.

      Also geht dieser Befehl Christi von der Barmherzigkeit allein auf die, die gleich sind. Wo aber ungleiche Personen sind, der soll ein jeder seines sonderlichen Befehls warten, und sich die Barmherzigkeit an solchem Befehl nicht hindern lassen. Aber wo gleiche Personen sind, Bürger gegen Bürger, Bauer gegen Bauer, Kind gegen Kind, da soll ein Christ sprechen: Du hast mir Leid und Übel getan, daß dir es Gott vergebe; aber ich habe dich darum nicht zu strafen. Das heißt Barmherzigkeit.

      Wo nun dir weiter Leid geschieht, so sage es deinem Vater, Richter, Bürgermeister, und sprich: Daß und das tut mir der; auf das du nur nicht richtest noch urteilst. Also soll kein Kind das andere, kein Bauer, kein Bürger den anderen schlagen, kein Mensch soll den anderen übervorteilen; sondern es soll der Obrigkeit angesagt werden: Dies und das ist mir widerfahren, ich aber soll es nicht strafen, denn ich habe das Amt dazu nicht. Das heißt denn auch eine Barmherzigkeit, wo man dies ordentliche Mittel sucht bei denen, die dazu die Macht haben, daß den bösen Buben der Mutwillen genommen wird. Also tat Josef. Der sah viel Unrecht von seinen Brüdern, aber er selbst straft es nicht, denn es war ihm nicht befohlen; sondern sagte es dem Vater an: Vater, so tut Simeon, so tut Levi; ihr mögt zusehen und wehren. Das war recht und wohl getan, und ein sonderliches Werk der Barmherzigkeit. Aber er verdiente Ungunst, Haß und Neid damit. Denn seine Brüder konnten es nicht glauben, daß er es so gut mit ihnen meinte und so ein großes Werk der Barmherzigkeit an ihnen täte. Denn mit solchem Ansagen half Josef der Seele vom Teufel und dem Leibe vom Henker.

      Also solle es unter den Kindern und Menschen auch noch gehen, daß niemand sich selbst räche, sondern aus sanftem und nicht bitterem Herzen der Herrschaft, den Eltern oder Herrn es sage, was für ein Unrecht geschehen ist. Damit hilft eins dem anderen an Leib, Geld und Gut, ja auch an der Seele, daß du nicht mehr so faul, unachtsam, untreu bist, sondern dich besserst. Darum soll das junge Volk solche Barmherzigkeit lernen, wenn dir ein Leid geschieht, oder du etwas schlechtes siehst, daß du nicht dazwischen schlagen, sondern sagst: Es ist mir leid, ich wollte, du hättest es nicht getan. Solches heißt ein Gebet für deinen Nächsten getan. Danach kannst du hingehen, und dem sagen, der die Macht hat es strafen, daß er es bessern und ändern soll, und den Befehl hat, daß er als tun soll. Denn Gott hat Leute genug dazu verordnet, nämlich, Richter, Herren, Vater, Mutter, Pastoren, und zuletzt auch die Henker, die sollen die Untugend strafen. Die anderen, so in diesen Ämtern nicht sind, sollen es ungestraft lassen und Barmherzigkeit beweisen, das ist, beraten und helfen, womit sie können.

      So sollen wir nun wohl merken, daß dieser Befehl hier geht gegen gleiche Personen, wo keiner über den anderen Macht oder Befehl hat. Wo aber ungleiche Personen sind, ist einer Vater, der andere Richter, der dritte Amtmann, die sollen gegen ihres Gleichen auch Barmherzigkeit beweisen; aber nicht gegen die Untertanen. Denn da steht der sonderliche Befehl, daß sie das Übel an den Kindern, Volk und Untertanen strafen sollen. Aber wo gleiche Personen sind, die sollen gegen einander ein freundlich, gütig, mitleidendes Herz tragen, helfen, vermahnen, ansagen; das heißt christlich gelebt. Ob man dich aber darüber schimpfen würden, wie die Kinder und das Volk pflegen, und dich einen Verräter heißen, das schadet nicht. Denke du, daß du ein Feigenbaum oder guter Weinstock bleibst, und las dich nur nicht zu einem Dornstrauch machen. Also tut die liebe Sonne auch: die sieht jetzt manchen Menschen an, der die vergangenen Nacht gestohlen hat, wo er die Ehe gebrochen hat, und dennoch bleibt sie eine schöne Sonne, ob du gleich ein schwarzer Teufel, und einer Sünde wegen nicht wert bist, daß sie ansehen solltest. Denn Sie denkt so: Wenn ich doch auch deine Bosheit sehen mußte, so will ich doch einmal auch zu sehen, daß man dich an den Galgen hänge. Jetzt lachst du meiner und ich muß dir zu deiner Bosheit leuchten; aber was gilt es, wenn du dich nicht besserst, ich werde dir auch einmal zu deiner Strafe leuchten?

      Die Erfahrung lehrt uns, daß keine Untugend und Bosheit von Gott ungestraft bleibt. Denn wer Vater und Mutter entläuft, der entläuft doch den Henker nicht. Du mußt entweder büßen und dich bessern, oder gewiß auf die Strafe warten; denn Gott will nichts ungestraft lassen, wo nicht Besserung folgt. Mancher Mörder und Dieb wird nicht gefaßt, zieht aus dem Lande, und entgeht so eine Zeitlang der Strafe; wo aber keine Besserung folgt, so findet es sich letztlich wunderbarer Weise, daß er doch der Obrigkeit in die Hände läuft und seinen Lohn empfängt. Denn das Sprichwort fehlt nicht: Den Eltern können böse Buben entlaufen, aber dem Henker können sie nicht entlaufen. Darum was der Vater nicht zwingen kann mit der Rute, daß soll des Henkers Strick und Schwert zwingen. Willst du dich an die Lebensstrafe nicht kehren, so leide die Todesstrafe, die ist dein verdienter Lohn.

      Also wollte der Herr Christus gern, in das wir ein gutes Leben führten, und gute Werke unter einander täten, die rechtschaffen, und nicht ein schlechter Schein wären. Er befiehlt deswegen, wir sollen barmherzig sein, nicht wie die Heiden, die barmherzig sind gegen die, von welchem sie wieder eine Hilfe erwarten, daß also eine Hand die andere wasche. Nicht so, sondern wie der Vater im Himmel, der schüttet mit Haufen herunter, was wir bedürfen, daß die ganze Welt genug hat zu nehmen: nicht allein die Frommen, die hätte er an einem Tage alle bezahlt; sondern auch den Bösen. Darum läßt er seine Güte nicht versiegen, obwohl der meiste Teil böse und undankbar ist, ja, die Bösen bekommen dabei sogar noch den besseren Teil.

      Diesen, spricht Christus, setze

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