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uns die Erde verschlingen würde, sobald wir darauf geboren sind; geschweige denn, daß wir uns danach durch unser ganzes Leben so böse gehalten haben. Das also das rechte Maß auf uns wäre gewesen der Tod und die Hölle. Aber was tut Gott? Er nimmt hinweg alles, was wir verdient haben, Zorn, Ungnade, Gericht, Tod, Hölle, und schenkt uns den Himmel, Gnade und Freiheit von der Anklage des Gesetzes und unseren bösen Gewissens. Er schüttet aus allen Mangel und Schuld, und gibt alles Gute. Das heißt doch gnädig gemessen. Aber danach, wenn du anderen Leute nicht willst also wieder messen, so erwarte nur anderes nicht, denn wie du mißt, also wird dir Gott auch wieder messen. Zuvor hatte Gott dir nur Gnade eingemessen: aber jetzt, gleich wie du tust und mißt mit deinem Undank, also soll dir auch gemessen werden.

      Dieses ist eine wunderbare Predigt, in welcher man sieht, daß Gott sich viel mehr des Dienstes gegen den Nächsten annimmt, denn seines eigenen Dienstes. Denn in seiner Sache und so viel ihn betrifft, vergibt er alle Sünde, und will sich nicht rächen, was wir wieder ihn getan haben. Wiederum aber, wenn wir uns gegen unseren nächsten Übel halten, so will er auch uns gar nichts vergeben. Deswegen muß man das Messen hier verstehen nach dem Glauben, und nicht vor dem Glauben. Denn ehe du zum Glauben gekommen bist, da hat Gott mit dir nicht gehandelt nach deinem Verdienst, sondern nach Gnaden. Er hat dich zu seinem Wort kommen lassen, und dir Vergebung deiner Sünde zugesagt. Das ist das erste Maß, womit er uns gemessen hat, da wir angefangen haben zu glauben.

      Weil wir nun solch ein Maß von Gott empfangen haben, sagt er: Gedenke, und bist du zu anderen Leute nicht anders. Tust du es aber nicht, so soll es dir gehen, wie du anderen tust. Du bist ihnen ungnädig: ich will dir auch ungnädig sein. Du richtest und verdammst sie: ich will dich auch richten und verdammen. Du nimmst und gibst nichts: ich will dir auch nehmen und nichts geben. Da geht das Maß an nach dem Glauben, daß sich unser lieber Herr Gott der Werke gegen den Nächsten so sehr annimmt, daß er will zurück rufen, was er für Gutes getan hat, wenn wir unserem Nächsten nicht auch Gutes tun wollen.

      Deswegen, wer da denkt Gott treulich zu dienen, der tue seinen Nächsten, wie Gott ihm getan hat, das ist, er richte nicht, er verdamme nicht, er vergebe und gebe gern, sei freundlich und hilfreich, wo er kann. Denn sonst wird es ihm gehen, wie mit dem Knecht, Matthäus 18. Diesem war eitel Gnade zugemessen, daß der Herr ihn ohne Schuld entließ, da er aber nicht wollte seinem Nächsten die hundert Groschen schenken, noch Geduld haben, bis er sie bezahlte; der kamen die 10000 Pfund wieder auf ihn, und wurde den Peinigern überantworte, bis er alles bezahlte.

      Nun ist wohl war, möglich ist es nicht, daß wir uns an diese Regel immer halten könnten. Wir vergessen der Barmherzigkeit sehr oft: wo wir freundlich sein sollten, da zürnen wir; wo wir gute Worte geben sollten, da fluchen wir. Wenn sich nun alles bei uns zuträgt, daß wir in diesem Fall gegen den Befehl Christus tun, da sollen wir beachten, daß wir uns vor der Sünde der Pharisäer hüten, und unser Gewissen nicht tot machen und in der Sünde fortfahren, sondern daß wir bald umkehren, an dieses Bild denken, und tun, wie uns unser Vater getan hat, daß wir auch vergessen und vergeben, und uns durch keinen Undank bitter machen lassen.

      Doch wenn man vergeben soll, so gehört auch dazu, daß der Teil, dem man vergeben soll, seine Sünde erkenne und lasse diese sich leid sein. Denn daß ich dem Papst und anderen Feinden des Wortes ihre Sünde vergeben soll, das ist mir nicht möglich. Ursache, sie halten es für Recht, daß sie unsere Lehre verfolgen. Denn so man Sünde vergeben soll, so muß ja Sünde da sein. Wer nun Recht haben will und Sünde nicht bekennen, wie Saul mit Samuel tat, dem kann man die Sünde nicht vergeben.

      Das ist die Lehre vom christlichen Leben, welche der Herr aus dem Beispiel unseres Vaters im Himmel uns vorhält. Diese Lehre hält er uns vor in dem Gleichnis vom Splitter im Auge, und dem Balken. Als wollte er sagen: Ich sehe wohl, es ist euch sauer, denn wenn ihr Schaden habt tut es euch so weh, ihr könnte es nicht sobald vergessen: sobald ihr euren Widersacher seht, wo der an ihn denkt, so läuft euch die Galle über, und denkt: Er hat mir das und das getan, ich wollte, daß er alles Unglück hätte. Liebe Kinder, spricht Christus, nicht so: wenn er dir schon da und dort Schaden getan, oder dich mit einem Wort geärgert hat, so ist es doch in der Wahrheit nur ein Splitter, ein kleines Staubkorn im Auge, dagegen hast du einen großen Balken im Auge, wenn du dahin sehen willst, was du gegen Gott getan hast. Darum gehört sehr viel dazu, wer einen anderen richten und verdammen will.

      In anderen Sachen ist es also, daß der Schulmeister muß gelehrter sein als sein Schüler, sonst wird der Schüler nicht viel von ihm lernen. Was bist du denn für ein Schulmeister, der du andere lehren und richten willst, und hast genauso viel Schuld, und kannst ebenso wenig als der, den du dich unterstehst zu lehren? Vor den Leuten, will der Herr sagen, taugt solches keinen Tropfen; wie will es sich denn schicken in meinem Reich und vor Gott, da ihr alle gleich viel Schuld habt?

      Darum so lerne solches Gleichnis fein in das Werk ziehen: wenn du etwas hörst, siehst, leidest, daß du nicht gern hörst, siehst oder leidest, daß du sagst: es ist eine geringe Sünde gegen meine Sünden; Gott sieht viel mehr Mangel an mir, denn ich an anderen Leuten sehen kann: darum will ich gern still schweigen und vergeben ist; das Gott mir auch vergebe und still schweige. Aber da wird nichts draus; in der Welt straft immer ein Bruder den anderen um des Splitters willen, und er selbst hat doch einen großen Balken im Auge. Denn wo du eine Sache zu deinem Nächsten hast, dagegen hat Gott tausend und aber tausend zu dir, daß du seine Gebote dein Leben lang nie gehalten, ja, häufig dagegen gesündigt hast. Solches siehst du nicht, willst deinen Nächsten um eines bösen Wortes willen fressen. Pfui dich, bist du denn so scharfäugig und kannst doch einen solchen großen Balken nicht sehen?

      Darum soll ein Christ sich anders gewöhnen: wenn er den Splitter in seines nächsten Auge sieht, soll er zuvor, ehe er urteilt, vor den Spiegel treten und sich darin besehen; da würde er so große Balken finden, aus denen man Schweinetröge machen möchte, und er sagen müßte: Was soll doch das sein? Mein Nächster beleidigt mich in einem viertel, halben, ganzen Jahr einmal; ich aber bin so alt geworden, und habe meines Gottes Gebote noch nie gehalten, ja, übertretet sie stündlich, wie kann dich denn so ein großer verzweifelter Schalk sein? Meine Sünden sind so groß wie Eichbäume; und den kleinen Splitter, daß Staubkorn in meines Bruders Auge, nehme ich mich mehr an denn als meinem großen Balken? Aber es soll so nicht sein; ich muß zuvor sehen, wie ich meine Sünde los werde. Denn ich bin Gott, meiner Obrigkeit, meinen Vater und Mutter, meiner Herrschaft ungehorsam, mache dabei immer weiter, und höre nicht auf zu sündigen: und will noch gegen meinen Nächsten so ungnädig sein und ihm nicht ein einziges gutes Wort gönnen? Oh nein, so sollen Christen nicht sein.

      Als so will der Herr uns immer auf das Beispiel unseres Vaters im Himmel weisen, der unsere großen Balken nicht sehen will, auf das wir mit dem kleinen Splitter auch Geduld haben, und nicht richten und verdammen.

      Der nun solche herrliche, schöne Verheißung sich zur Barmherzigkeit nicht will bewegen lassen, daß Gott alles Gericht und Verdammnis aufheben und uns gern vergeben will, wenn wir uns untereinander vergeben und nicht richten, daß keine Hölle noch Tod, sondern lauter Gnade und Freundlichkeit da sein soll; wiederum, wer sich nun nicht schrecken lassen will vom Gericht und von der Verdammnis, daß wo er einen Splitter den seines Nächsten Auge findet, Gott dagegen in seinen Augen viel Balken findet, da kann ich nicht wissen, was ihn noch sollte bewegen, Trösten oder erschrecken.

      Sind wir nicht heillose Leute und große Narren, daß wir nicht einem ein gutes Wort gönnen, so doch Gott uns allen unsere Sünde dagegen zu gute halten? Und wo wir einen Augenblick unser richten nachlassen? Was hilft es uns aber, wenn wir solches nicht tun, und mehr dem Beispiel der Welt, denn dem Beispiel unseres Vaters im Himmel folgen wollen? Anderes nicht, denn daß wir uns aus der Gnade in die höchste Ungnade werfen, und wo wir sonst einen gnädigen, barmherzigen, milden Gott haben könnten, da machen wir selbst Gott uns zum Feind, und bewegen ihn zu Zorn und Strafe gegen uns.

      Diesen Jammer sollten wir wohl bedenken, und unser Leben also christlich lernen anstellen, auf das jedermann, Freunde und Feinde, an uns sehen können, daß wir rechte Schüler Christi wären, und ein solches Herz hätten, wo eine unerschöpfte Quelle der Liebe innen ist, die nimmermehr versiegt. Das wolle uns unser lieber Vater im Himmel durch seinen Heiligen Geist um Christ die Willen allen gnädiglich verleihen, Amen.

      Am

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