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wieder dieses Wort, dachte Meinhold.

      „Wir gehen zurück zum Fundort. Kommst du mit, Sebastian oder befragst du weiter den Hund?“, frotzelte Meinhold. Klauk reagierte nicht.

      „Lassen Sie ihn, Jerry kommt sofort nach, wenn er bemerkt, dass ich mich entferne. Der ist sehr auf sein Herrchen fixiert“, flüsterte der Künstlertyp lächelnd.

      „Mein Kollege ist momentan nicht so sehr auf die Arbeit fixiert, wie mir scheint.“

      Es klang wie eine Erkenntnis, die sie nicht erst in diesem Moment äußerte. Doch dem Mann war es egal.

      „Wer ist denn der Tote?“, fragte der Mann jetzt wieder mit ernstem Tonfall.

      „Da muss ich Sie enttäuschen, ich darf nicht über laufende Ermittlungen sprechen!“

      „Schon klar, habe ich mir fast gedacht, kennt man ja … aus den Krimis im Fernsehen“, antwortete der Mann schlagfertig und kniff Meinhold ein Auge zu. „Mein Gott, ein Mord auf dem Annaberger Hof!“, murmelte er dann vor sich hin. Meinhold drehte sich um und sah den Dalmatiner auf sich zu rennen. Klauk folgte im Trab. „Ich brauche einen Hund, Chrissie, ich brauche wieder einen Hund“, sagte er, als er neben seiner Kollegin austrudelte.

      „Du kannst keinen Hund halten, weil wir keine Zeit für ein Tier haben. Wir haben nicht einmal Zeit für einen Partner.“

      *

      Bonn

      Seit Jahren konnte man im Hause Mladic gut von dem leben, was Janko Mladic mit seinen Drogengeschäften verdiente. Sein Vater, Ivan Mladic, war als Gastarbeiter in den Siebzigerjahren nach Deutschland übersiedelt und hatte bis zu seinem schweren Unfall bei den Ford-Werken in Köln gearbeitet. Trotz einer Reha-Maßnahme blieb die rechte Hand von Ivan Mladic nur bedingt einsetzbar. Der Vater verlor die Anstellung bei dem Autobauer, die Rentenversicherung zahlte dem Mann eine knappe Rente. Die Familie war kurz davor, wieder nach Kroatien zurückzukehren. Die Verwandtschaft, die im Land geblieben war, versprach, sich um sie kümmern. Das war Anfang der Neunzigerjahre, im ehemaligen Jugoslawien tobte noch der Bürgerkrieg. Aus Angst, dass ihre Söhne zum Militär eingezogen würden, bestand Jankos Mutter Darija darauf, in Deutschland zu bleiben. Janko legte eine für viele ausländische Jugendliche typische Karriere hin, scheiterte in der Schule, konnte sich nicht anpassen, geriet auf die schiefe Bahn. Bald dealte er an seiner Schule, wurde dabei erwischt, wurde von der Schule verwiesen. Der Schritt in die organisierte Kriminalität war nur eine Frage der Zeit. Trotzdem erreichte ein Streetworker, dass er wenigstens seinen Schulabschluss machte. Als dann der Vater starb, als er 18 Jahre alt war, verlor der junge Mann völlig die Richtung und schloss sich einer kroatischen Bande an, die von einem entfernten Cousin geleitet wurde. Die Mutter kränkelte ebenfalls und wurde bettlägerig, wurde aufopfernd von seiner Schwester Jasna gepflegt. Ohne die illegalen Geschäfte wäre die Familie auseinandergebrochen. Janko ersetzte den Vater und war mit 25 Jahren bald die rechte Hand seines Cousins Stipe Secovic. Bis zu der Nachricht von seiner Ermordung. Seit Stunden lag über dem Hause Mladic tiefe Trauer. Stipe Secovic saß zusammen mit Jankos Bruder Neven im Wohnzimmer.

      „Es gibt zurzeit noch keine bestimmten Anhaltspunkte. Unsere Jungs sind auf der Straße und haben ihre Ohren offen!“, sagte Secovic. Auf seine Worte folgte ein langes Schweigen, sodass er glaubte, Neven Mladic sei von der Trauer überwältigt. Doch dann legte sich seine Hand auf Secovics Knie.

      „Stipe ...?, sagte Neven endlich. „Wer kann das gewesen sein?“

      Seine Worte klange eher wie ein Seufzen.

      „Keine Ahnung, Neven. Ich wünschte, ich könnte es dir sagen. Und ich würde dir garantieren, dass derjenige danach keine fünf Minuten mehr auf dieser Welt verbringt. Dafür würde ich persönlich sorgen.“

      „Das würde ich gerne selber übernehmen“, antwortete Neven Mladic. Er wusste, dass es nach den Regeln der Clans an Secovic gewesen wäre, die Rache auszuüben. Doch in diesem Fall konnte er eine Ausnahme machen, weil es sich um Blutrache handelte. Der Bandenchef sah den jungen Mann streng an.

      „Du hast bisher nichts mit unseren Geschäften zu tun gehabt, Neven. Ich würde dir auch nicht raten, dieses zu ändern. Kümmere dich um dein Studium. Mord ist nicht dein Geschäft.“

      Neven Mladic fuhr hoch. „Janko ist mein Bruder gewesen. Ich will wissen, wer ihm das angetan hat. Wenn es diese albanischen Schweine gewesen sind, dann sollen sie dafür büßen.“

      „Wir werden es herausfinden. Das verspreche ich dir. Wir können es nicht sagen, ob es die Albaner gewesen sind. Janko hatte viele Neider, die ihm seinen Lebensstil nicht gönnten.“

      „Was? Du denkst, dass es einer von uns gewesen sein könnte?“

      „Neven, halt den Ball flach. Das habe ich nicht gesagt. Neider gibt es überall, bei den Albanern, aber auch bei irgendwelchen Typen, die dein Bruder kannte.“

      Mladic stand auf und lief aufgeregt auf und ab.

      „Was ist mit den Bullen? Die werden doch sicher auch nach dem Mörder suchen. Wir müssen schneller sein, Stipe!“

      „Lass das mein Probem sein. Die Bullen werden sich überschlagen, weil sie einen Bandenkrieg verhindern wollen und schnell einen Verdächtigen präsentieren. Ob der es dann auch wirklich war, das bleibt offen.“

      „Dann schnappen die einen, der es nicht war und der sitzt dann im Knast und der wahre Mörder läuft weiter frei herum. So läuft das hier?“, regte sich Neven auf. Wütend schlug er mit der Hand gegen die Türlaibung.

      „Bruder, pass auf!“, sagte Secovic und fasste den Bruder seines besten Mannes am Arm, „du musst dich auf dein Studium konzentrieren, du musst für deine Schwester und für Mladens Verlobte da sein. Und du musst aufpassen, dass du bei den Bullen keinen Scheiß redest, hörst du? Wenn die dich auf dem Kieker haben, dann wirst du observiert und wenn sie dich observieren, dann tun sie das auch bei uns und wer weiß, ob sie dann nicht einen Verdächtigen aus unseren Reihen präsentieren, der mit der Sache so viel zu tun hat wie du?“

      Neven Mladic ließ den Kopf hängen, doch dann riss er sich los, fuhr umso heftiger hoch: „Er ist mein Bruder, den ich geliebt habe. Jetzt ist er tot und ich soll nichts tun? Gleich kommt Velina Palajsic. Was soll ich ihr sagen? Dass es mir nichts ausmacht, dass mein Bruder, der ihr Verlobter ist, tot in seinem Wagen liegt? Dass ich keinen Finger rühre, um seinem Mörder zu finden? Was denkst du, was sie von ihrem Schwager verlangen würde? Was würde passieren, wenn wir noch in der alten Heimat wären? Würdest du dann auch so reden? Sicher nicht ...“, schrie er.

      „Neven, ich gebe dir mein Wort, dass wir den Mörder deines Bruders finden. Scheiß drauf, was die Bullen tun. Wir finden ihn und dann geht es ihm an den Kragen!“

      „Du hast gut reden, Stipe. Dein Bruder ist nicht tot!“, stieß Neven Mladic hervor.

      „Janko war wie ein Bruder für mich, das weißt du genau“, antwortete Secovic und fuhr sich mit der Hand durch das schwarze Haar. Dabei blitzte für einen Moment die Pistole unter seinem Hemd hervor. Mladic starrte auf die Waffe.

      „Und warum ist er dann jetzt tot? Hmh? Warum liegt er in seinem Ford und ist tot? Warum habt ihr dann nicht auf ihn aufgepasst?“

      Secovic wandte sich ab. Auf diese Frage wusste er keine Antwort.

      *

      In einem Nebenraum saß Jasna Mladic am Krankenbett ihrer Mutter. Sie hatte es bisher nicht über das Herz gebracht, ihr die Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu übermitteln. Die Frau, die noch nicht einmal die sechzig Jahre erreicht hatte, würde diese Botschaft nicht verkraften. Sie war zu krank. Ihre Augen waren geschlossen, doch als aus dem Wohnzimmer laute Stimmen zu hören waren, öffnete sie die Lider.

      „Janko …?“, fragte sie mit leiser Stimme.

      „Nein, Mama, es ist nur Neven. Der hört sicher wieder zu laut Musik. Ich werde ihm Bescheid sagen.“ Jasna Mladic wollte sich erheben. Ihre Mutter tastete kraftlos nach ihrer Hand. Drückte sie.

      „Nein,

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