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haben Forscher herausgefunden, dass ein Intelligenztest überraschend verlässlich voraussagen kann, wie sich das Leben des Probanden entwickeln wird: Wie empirische Studien belegen, üben Menschen mit hoher allgemeiner Intelligenz eher als durchschnittlich begabte Mitbürger angesehene Berufe aus, genießen höhere Einkommen und leben in sozial stabileren Verhältnissen.

      Menschen mit niedrigerer allgemeiner Intelligenz dagegen sind der Statistik nach häufiger arbeitslos und von Armut bedroht, leben überdurchschnittlich oft in Scheidung. Sie werden zudem eher kriminell, verbüßen mehr Gefängnisstrafen. Und sie sterben jünger – möglicherweise, weil sie weniger auf ihre Gesundheit achten und sich schwerer tun, im Krankheitsfall die Ratschläge eines Arztes umzusetzen.

      Aufgrund all dieser Erkenntnisse, so der Marburger Forscher Detlef Rost, sei das Konzept einer allgemeinen Intelligenz „das am besten gesicherte Ergebnis der Intelligenzforschung“.

      Und doch: Manche Wissenschaftler halten diese Theorie für zu einseitig. Denn, so ihr Argument, neben den allseits talentierten Menschen gebe es ja durchaus solche, die allein in einem einzigen Bereich brillieren, in etlichen anderen dagegen keine besondere Begabung zeigen. Einen Extremfall solch begrenzter Fähigkeiten finden Forscher bei autistischen Menschen, die sich mitunter im Leben kaum zurechtfinden – und doch auf manchen Gebieten mental unschlagbar sind.

      Deshalb haben Intelligenzforscher Alternativmodelle entwickelt, um die Geisteskraft eines Menschen zu definieren, das bekannteste stammt von dem US-Psychologen Howard Gardner. Der an der Harvard University lehrende Wissenschaftler behauptet, es gebe mehr als nur einen Nährboden, aus dem sich unsere Begabungen speisen.

      Vielmehr verfüge der Mensch über verschiedene Intelligenzen, die unabhängig voneinander existieren, etwa:

      • die logisch-mathematische,

      • die sprachliche,

      • die naturkundliche,

      • die musikalische,

      • die visuell-räumliche,

      • die körperlich-kinästhetische (wie

       sie etwa Sportler auszeichnet),

      • die sozial-interpersonale Intelligenz,

      • die sozial-intrapersonale Intelligenz

       (die uns zur Selbstreflexion und

       Selbstmotivation befähigt).

      Nach Gardners Modell könnte man den Verstand mit einer Pralinenschachtel vergleichen. Jede Intelligenz entspräche einer anderen Süßigkeit – die eine ist mit Nougat gefüllt, eine weitere mit Weinbrand oder Marzipan. Die Pralinen stehen untereinander nicht in Verbindung, sie verfügen über keine gemeinsame Basis.

      Ein Mensch müsse also nicht über eine Intelligenz verfügen, um eine andere zu besitzen. Er könne auf einem Gebiet ein Virtuose sein, auf einem anderen eine Niete. Gardners Konzept stößt vor allem bei vielen Laien auf Resonanz, seine Bücher sind internationale Bestseller. Zudem ist seine Theorie einer der Grundsteine für ein weiteres, höchst populäres Konzept: das der Emotionalen Intelligenz.

      Doch die meisten Psychologen und Bildungsexperten kritisieren, dass Gardners Modell kaum auf wissenschaftlich fundierten Studien und empirischen Erhebungen fußt.

      Mehr noch: Seit wenigen Jahren haben auch die Neurowissenschaftler dazu beigetragen, dass das Modell der allgemeinen Intelligenz heute von einem Großteil der Forscher bevorzugt wird.

      DENN VIELE JAHRZEHNTE LANG hatten die Intelligenzforscher nur mittels Fragebögen – also indirekter Methoden – ausloten können, wie der menschliche Verstand beschaffen ist. Inzwischen aber sind die Neurobiologen in der Lage, direkt zu untersuchen, wie sich unsere Geisteskraft auf zellulärer Ebene organisiert. Mithilfe hochmoderner Hirnscanner können sie dem Menschen beim Denken gleichsam zusehen – und somit auch überprüfen, welche Vorstellung von Intelligenz am ehesten der Arbeitsweise unseres Denkorgans entspricht.

      Die raffinierten Geräte machen beispielsweise den Stoffwechsel der Nervenzellen im Gehirn sichtbar und vermögen so jene Areale aufzuspüren, in denen die Neurone etwa bei der Bearbeitung einer Rechenaufgabe besonders aktiv sind.

      Sollte es tatsächlich, wie die meisten Forscher glauben, eine allgemeine Intelligenz geben, dann müssten bei der Lösung höchst unterschiedlicher Teilaufgaben eines Intelligenztests stets die gleichen Hirnregionen beteiligt sein – Gebiete also, in denen sich gewissermaßen der alles speisende Nährboden des Verstandes verbirgt.

      Wenn es dagegen, wie Howard Gardner annimmt, viele unabhängig voneinander existierende Intelligenzen gibt, dann müssten bei unterschiedlichen Aufgaben jeweils unterschiedliche Hirnregionen aktiv sein.

      Das Ergebnis: Welche Teilaufgaben auch immer in einem Test zu bewältigen waren – ob ein Proband beispielsweise Zahlenreihen vervollständigen sollte, abgebildete Figuren allein in seiner Vorstellungskraft zu drehen hatte oder ungeordnete Buchstaben zu Wörtern zusammensetzen musste –, stets traten die gleichen Regionen in Aktion, darunter Bereiche im präfrontalen Kortex, dem stirnnahen Teil der sogenannten Großhirnrinde.

      Daraus schlossen die Forscher, dass genau dort die allgemeine Intelligenz zu verorten ist.

      Denn dieses Gebiet steuert jene höheren geistigen Prozesse, die wie Planen, Entscheiden oder Lernen unerlässlich für intelligente Leistungen sind. Auch wichtige Teile des Arbeitsgedächtnisses haben ihren Sitz im präfrontalen Kortex.

      Umgekehrt können Verletzungen in diesem Bereich der Großhirnrinde die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschen ganz erheblich beeinträchtigen: Manche Patienten, bei denen ein Teil des präfrontalen Kortex beschädigt ist, erkennen keine Zusammenhänge mehr und können keine unbekannten logischen Probleme mehr lösen.

      ALLERDINGS IST DER PRÄFRONTALE KORTEX nicht die einzige Hirnregion, die aktiv wird, wenn Menschen angestrengt denken. Immer sind auch andere Bereiche des Denkorgans beteiligt – etwa nahe der Schläfe oder unterhalb des Scheitels.

      Darüber hinaus haben Forscher verblüffenderweise auch Zonen ausgemacht, die sie lange Zeit nicht mit intellektuellen Fähigkeiten in Verbindung brachten. So tritt bei manchen Denkprozessen häufig auch das Kleinhirn in Aktion, das stammesgeschichtlich älter ist als die gefurchte Großhirnrinde und vornehmlich den richtigen Ablauf von Körperbewegungen regelt.

      Auch der Hippocampus wird oft aktiviert – jene Struktur im Großhirn, die Erinnerungen verarbeitet, zwischenspeichert und sie an andere Hirnareale weiterleitet.

      All diese Hirnregionen, so vermuten die Forscher inzwischen, bilden die Grundlage für unsere unterschiedlichen Begabungen und Talente, also die bereichsspezifischen (oder „kristallinen“) Intelligenzen; sie repräsentieren gleichsam die Äste, in die sich der Baum unseres Verstandes verzweigt.

      Und so ist unsere Geisteskraft nie allein auf die Aktivität des präfrontalen Kortex zurückzuführen, sondern gilt als eine über das gesamte Gehirn verbreitete Erscheinung. Zudem spielt, wie man heute weiß, die „weiße Substanz“ eine wichtige Rolle bei Denkprozessen. So nennen Wissenschaftler jene Milliarden von Nervenfasern, die die unterschiedlichen Hirnareale miteinander verbinden.

      Darüber hinaus haben Forscher noch etwas herausgefunden: Nicht alle Menschen setzen bei der Bearbeitung eines Problems die gleichen Hirnregionen ein.

      Schon die Geschlechter nutzen ihr Denkorgan unterschiedlich: Frauen arbeiten bei bestimmten Aufgaben eher mit der linken Gehirnhälfte, Männer mit der rechten. Möglicherweise ist das auch einer der Gründe dafür, dass Männer bei mathematischen Schlussfolgerungen und Problemen der Raumvorstellung statistisch besser abschneiden – Frauen dagegen, wenn es etwa gilt, Dinge schnell wahrzunehmen, sich sprachlich gewandt auszudrücken oder Texte rasch zu erfassen.

      Erstaunlicherweise aktivieren, wie Versuche gezeigt haben, sogar Probanden eines Geschlechts mitunter unterschiedliche Hirnareale.

      „Menschen können den gleichen IQ haben und die gleiche Aufgabe gleich schnell und gut lösen, aber dazu verschiedene Bereiche im

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