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Lüthy, ob er das Zimmer zwei weitere Nächte behalten könne.

      Noch an der Rezeption klingelte sein Handy. Nummer 2. Er fragte als Erstes:

      »Glauben Sie wirklich, dass sich das Mädchen die E-Mail-Adresse gemerkt hat?«

      »Sie wissen, wie der Umgang mit solchen Problemen aussieht«, erwiderte Alfonso Gabriele, »zudem ist da ja noch das Rezept. Wer sagt, dass sie es nicht mit ihrem Handy fotografiert hat?«

      »Das erscheint mir sehr unwahrscheinlich. Und es war ja nur eine temporäre Adresse, die mittlerweile nicht mehr existiert. Ich glaube, man kann mal eine Ausnahme …«

      »Nein«, unterbrach ihn Gabriele in scharfem Ton, »Policies müssen eingehalten werden. Haben Sie ein Problem damit?« Nummer 2 schluckte.

      »Nein, nein, durchaus nicht. Natürlich bin ich Ihrer Meinung. Ich dachte nur, man sollte nicht zu viel Aufsehen erregen. Aber Sie haben recht. Die Geschichte wird umgehend erledigt. Ich sende eine verschlüsselte E-Mail an den Jäger.«

      »Gut. Geben Sie mir Bescheid. Apropos, ist der Frachtführer schon in Berno eingetroffen?«

      »Er müsste eigentlich, ist es aber nicht. Das letzte ›Fracht OK‹ kam nach Überquerung der Schweizer Grenze, vom Colle del Gran San Bernardo. Ich habe ihn schon ein paar Mal zu erreichen versucht. Ergebnislos. Vielleicht wegen der prekären Wetterverhältnisse …«

      Gabriele unterbrach ihn:

      »Ok, bleiben Sie dran und schaffen Sie die Probelieferung her.« Dann hängte er grußlos auf.

      Kurze Zeit später hatte Gabriele die finale Analyse zum Drogenmarkt Europa fertiggestellt. Die Schweiz konnte man problemlos überschwemmen. Das Marktvolumen betrug jährlich 3 Milliarden Schweizer Franken. Mit 520 Millionen Kokain war die Organisation Marktführer. Gefolgt von MDMA, auch Molly genannt. Dann Amphetamine, hergestellt von Amateuren in kleinen Laboren in Osteuropa. Die schmale Konkurrenz würde man terminieren, die Marktpenetration ein leichtes Spiel. Weder hatte die Polizei in der Schweiz die notwendigen Kapazitäten und Ressourcen, der Welle an billigen Drogen rasch und effektiv zu begegnen, noch war die Gesetzgebung besonders hart. Es war ein bombensicheres Geschäft in der Schweiz, ein 30 Milliardengeschäft in Europa.

      »Wenn das mich nicht zur Nr. 1 in Europa macht …«, murmelte er im Selbstgespräch.

       Freitag, 13. Dezember, 14:45 Uhr,Myanmar, Yangon

      Schon der kurze Spaziergang hatte Asara Unwohlsein verursacht. Er strich sich mit der rechten Hand über seinen feisten Wanst. Die Party der letzten Nacht hatte es in sich gehabt. Die am Tage zuvor ebenso.

      Als Senior Director des Goldenen Dreiecks Myanmar, Thailand, Laos konnte er sich alles leisten und alles erlauben. Sein liebster Kumpan bei seinen Exzessen war Ihu, der Vice Director. Schade nur, dass sie sich aufgrund 600 km Entfernung nur alle paar Monate treffen konnten.

      Heute musste es erst einmal ums Geschäftliche gehen. Vielleicht hatten sie danach noch kurz Zeit für ein paar minderjährige, zugedröhnte Nutten aus einem seiner Bordelle.

      Von seinem Boss, Andrej Pushka, hatte er im Sommer eine verschlüsselte E-Mail erhalten. Er war alles andere als zufrieden mit dem Absatz von Yaba. Das Produkt laufe, im Unterschied zu Krokodil, überhaupt nicht. Der Umsatz in sämtlichen Ostblockstaaten sei absolut ungenügend. Das Problem sei, so hatte Ihu damals eingewandt, dass die Pillen zu bitter schmeckten und deshalb von Kindern und Jugendlichen nicht so angenommen würden. Er hatte versprochen, das Experimentallabor würde eine Lösung finden. Ihu schüttete die modifizierten Pillen auf Asaras Handfläche. Sie sahen aus wie Smarties. Nicht nur der Geschmack war verändert worden, sondern man hatte der Droge zusätzlich poppige Farben verpasst. Es gäbe sie in den Geschmacksvarianten Schokolade, Orange und Erdbeere, aber man werde sie weiter ausbauen, versprach der Mönch.

      Asara lobte Ihu für den Durchbruch und fuhr fort:

      »Heute habe ich Anweisung bekommen, die Yaba Produktion raufzufahren. Nach der Markteinführung in der Schweiz soll ganz Europa überschwemmt werden.«

      Ihu rieb sich die Hände.

      »Eine erste Einführungstranche habe ich bereits via Genua spedieren lassen.«

      Ein Junge trabte über die Brücke auf sie zu und blieb unschlüssig stehen, als er sie erblickte. Asara winkte ihn heran. »Wenn das nicht der nette Bub ist, der mir eben ein Almosen gegeben hat. Hier, nimm dir als Zeichen meines Dankes ein Smartie.«

      Mit einem Lächeln hielt er ihm die Handfläche entgegen.

       Freitag, 13. Dezember, 13:40 Uhr,Cappellen, Weiler Hübeli

      Als das Handy vibrierte, war Anna gerade in »Menon«, ein Werk über den fiktiven Dialog von Platon und Menon von Pharsalos, vertieft. Großvaters Bild lachte ihr auf dem Display entgegen. Obwohl der Gymnasiallehrer seit einigen Jahren pensioniert war, betreute er noch immer umtriebig Projekte für den Verband der Schweizer Gymnasiallehrer und so kam er auch gleich zur Sache:

      »Hallo Anna, alles klar?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, redete er weiter:

      »Hör mal, der Verband will die Reihe ›Jugend ohne Maulkorb‹ nächstes Jahr fortsetzen. Der Vorstand möchte dich wieder dabeihaben, was meinst du?«

      Anna lachte und erwiderte:

      »Hallo Opa, mir geht es gut und dir?«, und gab ihm genauso wenig eine Gelegenheit zum Antworten:

      »Ja, hat mir gefallen letztes Mal. Wie viele Podiumsdiskussionen sind geplant?«

      »Neun in der gesamten Deutschschweiz.«

      »Und die Themen?«

      »Das Motto der Reihe heißt ›Der Mensch ohne Zukunft?‹. Dazu möchte der Vorstand drei Themen aufgreifen, nämlich 1. Psychologie der Weltanschauungen; 2. Ökologische Herausforderungen und Wirtschaftspolitik; 3. Arbeit und digitaler Wandel.«

      Anna pfiff.

      »Ganz schöne Herausforderung. Da werde ich mich gut vorbereiten.«

      Großvater lachte. »Na, das hast du doch in fünf Minuten drauf.«

      »Aber Opa, ich bin doch kein Wunderkind!«, protestierte Anna.

      »Rhea hat mir gesagt, die würden dich direkt an der Uni nehmen.«

      »Ja, schon. Aber die Schulpsychologen meinten, ohne Ritalin würde ich das nicht schaffen. Aber ehrlich gesagt, ich will mich nicht mit Medikamenten zudopen, nur damit ich das Gymnasium überspringen kann. Ich will auch keine Ausnahme sein. Alle machen das Gym. Warum ich nicht?«

      Großvater lachte erneut. »Na, wegen deinem IQ.«

      Er wurde ernst.

      »Ich bin ganz deiner Meinung, Anna. Ich glaube auch, es ist gesünder so. Du hast Zeit genug. Das mit dem Sturm habt ihr mitbekommen?«

      Anna grinste. »Ja, wenn Mam zurück ist, verbarrikadieren wir uns.«

      »Dann muss ich mir ja nur Sorgen machen, dass euer Haus nach Oz geblasen wird. Also bis bald, ich melde mich.«

      Als Anna aufhängte, knallte ein Schneeball gegen ihre Fensterscheibe und rutschte daran herunter.

      Vor dem Haus stand Hagen, fuchtelte mit beiden Armen und rief etwas Unverständliches hoch. Anna öffnete das Fenster:

      »Was willst du?«

      »Ich habe auf dich gewartet, wir hatten um eins bei der Scheune abgemacht.«

      »Ich habe nicht gesagt, dass ich komme.«

      »Du bist feige! Hast Angst vor ein paar Schneeflocken.«

      »Angst?«, Anna schüttelte verächtlich den Kopf. »Ich bin nicht gekommen, weil es mich null interessiert. Verstehst du? Null!«

      Hagen verzog das Gesicht.

      »Weißt du, mir war von Anfang an klar, dass du feige bist. Deshalb habe ich auch mit Leon um zwanzig Stutz gewettet, dass du die Hose

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