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»Damit wollen wir nichts sagen und glauben auch nichts gesagt zu haben, was der katholischen Kirche und den Kirchenämtern nicht entspräche.«

      

Den Moment, in dem sich Luthers Glauben und Denken vollständig änderte, nennt man auch seinen »reformatorischen Durchbruch«, der Moment, den er im Zitat beschrieb, wird auch sein »Turmerlebnis« genannt.

      Luther wollte also keinen wirklichen Streit und keine neue Kirche gründen. Denn er liebte die Kirche heiß und innig. Er wollte nur »Reformation« im einfachen Sinne des Wortes: »Wiederherstellung, Erneuerung« bedeutet das lateinische Wort eigentlich. Nur: Niemand beachtete dieses erste Diskussionspapier. Mit seiner nächsten Aktion aber erregte Luther eine Aufmerksamkeit, mit der er niemals gerechnet hatte.

      Martin Luther hämmert an eine Kirchentür: Die 95 Thesen

      Am 31. Oktober schickte Luther eine Schrift mit 95 (auf Latein verfassten) Thesen und einen Begleitbrief an den Erzbischof Albrecht von Mainz. Freundlich und fast unterwürfig machte Luther auf das Problem mit dem Ablassverkauf aufmerksam und bat ihn, »doch ein Auge väterlicher Sorge auf diese Sache haben zu wollen und die Ablassinstruktion ganz aufzuheben«.

      Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, ab 1518 Kardinal, und wie Papst Leo X. war auch er habgierig und machthungrig. Die politischen Manöver und Einzelheiten erspare ich Ihnen (auch ein großes Bankhaus spielt eine Rolle – wie aktuell ist das denn alles?!). Jedenfalls wurde Albrecht päpstlicher Ablasskommissar (hatte also den gesamten Ablasshandel unter sich) und später Kurfürst (im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wählten jeweils sieben Kurfürsten den Kaiser). Eigentlich konnten alle glücklich sein: Die Gläubigen fanden gegen ein Entgelt Trost im Ablass, die Bank bekam ihren Kredit mit Zinsen zurück, Albrecht wurde reich und der Petersdom fertig.

      Wenn es denn nicht noch einen Dominikanermönch namens Johann Tetzel gegeben hätte, der alles übertreiben musste und den cholerischen Martin Luther mit dem empfindlichen Gewissen zur Weißglut brachte.

      Tetzel war einer der einflussreichsten unter den Ablasspredigern. Martin Luther beschrieb, wie Tetzel und seine Leute vorgingen: Zunächst zogen sie mit großem Aufwand in einen Ort ein und versammelten die Bevölkerung. Dann predigte Tetzel und verstieg sich zu immer waghalsigeren Aussagen. Er habe vom Papst einen so mächtigen Ablass zu vermitteln, dass selbst der Heilige Petrus weniger Leute in den Himmel gebracht habe als er, Tetzel. Der Ablass sei die Gnade, durch die der Mensch erlöst werde. Und: Selbst wenn jemand die Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, vergewaltigt und geschwängert hätte, würde der Ablass ihn von dieser Sünde befreien – alles eine Frage des Preises. Ob das geflügelte Wort wirklich so gesprochen wurde oder nicht, aber das »sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt« versprach den Hinterbliebenen sofortige Erlösung ihrer verstorbenen Lieben aus dem Fegefeuer. Und wer wollte da nicht zahlen?

      Theologisch gesehen war der Gipfel des Missbrauchs aber, dass der Ablass nicht mehr nur die Strafen für Sünden minderte, sondern tatsächlich zur Vergebung der Sünden verkauft wurde.

      Nach allem, was Sie bis hierher schon über Martin Luthers Temperament und sein Gewissen gelesen haben, können Sie sich vorstellen, dass sein Zorn wuchs. Und was tun Theologen, wenn sie unterschiedlicher Meinung sind? Sie schreiben erst mal. Vorteil: Schreiben räumt den Verstand auf. Und wer schreibt, der bleibt.

      Nicht nur Albrecht bekam Luthers 95 Thesen. Da sie öffentlicher Diskussionsgegenstand waren, nagelte Luther sie an die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Dort wurde alles angeschlagen, was ein Theologe mit seinen Kollegen debattieren wollte (und das ist bei Theologen immer eine Menge; ein Wunder, dass an dieser Tür überhaupt noch Platz für Luthers Liste war).

      Was ist nun der Inhalt von Luthers Thesen? Im Wesentlichen richten sie sich gegen den Handel mit dem Ablass. Das »Gerechtfertigtsein allein aus Glauben« finden wir hier noch nicht, Luther war noch nicht so weit, er kämpfte selbst noch. Aber dass Geld keine Sünden vergibt, das war ihm jetzt schon klar. Hier eine kleine Auswahl aus den Thesen:

       49. Man soll die Christen lehren, dass des Papstes Ablass nützlich ist, wenn man auf ihn nicht sein Vertrauen setzt, dass er aber mehr als schädlich ist, wenn man seinetwegen aufhört, Gott zu fürchten.

       50. Man soll die Christen lehren: Wenn der Papst wüsste, wie die Ablassprediger das Geld erpressen, würde er die Peterskirche lieber zu Asche verbrennen, als sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe aufzubauen.

       54. Man beleidigt das Wort Gottes, wenn in einer Predigt dem Ablass die gleiche oder noch mehr Zeit eingeräumt wird als ihm.

       65. Darum ist der Schatz des Evangeliums das Netz, mit dem man einst Menschen fing, die Reichtümer besaßen.

       66. Der Schatz des Ablasses aber ist das Netz, mit dem man heute die Reichtümer der Menschen fängt.

       84. Seit wann gilt es bei Gott und dem Papst für fromm, einem Gottlosen und Feinde (Gottes) die Erlösung einer frommen und von Gott geliebten Seele um des Geldes willen zu gestatten, diese fromme und geliebte Seele aber nicht um ihrer Not willen aus Liebe umsonst zu erlösen?

      Luther stand unter ständigem Druck, sowohl von außen als auch in seinem Denken. Eine weitere Thesensammlung aus dem Frühjahr 1518 klang schon ganz anders:

       8. Die Erlassung der Schuld gründet sich nicht auf die Reue des Sünders noch auf das Amt und die Gewalt des Priesters.

       9. Sie gründet sich vielmehr auf den Glauben, der sich an das Wort Christi hält (Matthäusevangelium Kap. 16, 19).

       15. Darum ist's also gewiss: Die Sünden sind vergeben, wenn du glaubst, dass sie vergeben sind. Denn die Verheißung Christi, des Heilands, ist gewiss.

      (Disputation zur Erforschung der Wahrheit und zum Trost der erschrockenen Gewissen, 1518)

      Nach dem Thesenanschlag 1517 wurde Luther bekannt – und zum öffentlichen Ärgernis.

      Luthers Thesen wurden in ihrer Druckversion zum Tagesgespräch der gebildeten wie der einfachen Leute. Denn der Ablass betraf jeden. Und wer weiß: Vielleicht hatten auch viele der einfachen Menschen schon langsam ein mulmiges Gefühl. Martin Luther aber geriet langsam in Schwierigkeiten.

      Der Fall wird untersucht

      Bis zum Reichstag in Worms im Jahre 1521 nahm der Druck auf Luther ständig zu. Um das hier nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen, hier die Jahre 1518 bis 1521 im Schnelldurchlauf:

       Natürlich war Erzbischof Albrecht von Mainz wütend darüber, dass da jemand Sand ins Getriebe streute. Er verklagte Luther in Rom.

       Im Mai 1518 verfasste Luther die »Resolutionen«, eine Erläuterung seiner 95 Thesen. Da er damit den Rahmen der gelehrten Diskussion

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