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Doch war er in Kriege verwickelt, die seine Kräfte woanders banden. Er hatte also weder die Zeit noch die Mittel, gegen die Evangelischen vorzugehen. Daher wurde beschlossen, dass die Fürsten das »Wormser Edikt« (Luthers Auslieferung und Vernichtung der Reformation) von 1521 so erfüllen sollten, wie sie es vor Kaiser und Papst verantworten könnten. Was für ein Freibrief! Evangelische Fürsten gründeten evangelische Landeskirchen und verbanden geschickt Religion und Geografie miteinander nach dem Prinzip »cuius regio, eius religio«, zu Deutsch »wessen Land, dessen Religion«. Die Fürsten bestimmten also, was bei ihnen im Land geglaubt wurde. Daher kann man auch heute noch in Deutschland die Bundesländer und einzelnen Regionen leicht der katholischen oder der evangelischen Kirche zuordnen.

      Gegen die Schweizer

      Recht unabhängig von Martin Luther hatte sich in Zürich unter Huldrych Zwingli (und später in Genf unter Johannes Calvin) eine eigene Reformationsbewegung entwickelt. Aber man respektierte einander und wollte nun sehen, ob man sich nicht zusammentun könnte. Luther, Zwingli und einige ihrer Begleiter trafen sich vom 1. bis 4. Oktober 1529 in Marburg (das sogenannte Marburger Religionsgespräch). Man wollte sich über 15 Punkte, die Glauben und Theologie betrafen, einig werden. 14 dieser Punkte konnte man auch lösen. Aber dann kam es zum Thema Abendmahl. Und darüber erzielte man tatsächlich keine Einigung und trennte sich. Die Reformation blieb und ist bis heute gespalten: In einen lutherischen und einen reformierten Zweig (mehr zum Streit um das Abendmahl dann in Kapitel 17).

      Die Evangelischen werden »Protestanten«

      Im Jahre 1529 wurde der zweite Reichstag in Speyer einberufen. Kaiser Karl war zwar nicht anwesend, aber da er gerade einige Kriege gewonnen hatte, konnte er sich die Reformation wieder vornehmen. Die Freiheiten des ersten Speyrer Reichstags wurden zurückgenommen, die Reformation durfte nicht weiter ausgebreitet werden. Da die Katholiken im Reichstag die Mehrheit bildeten, wurden die Beschlüsse angenommen. Für die evangelischen Fürsten waren diese Beschlüsse untragbar. Am 19. oder 20. April gaben sie ihren Protest dagegen bekannt. Diese »Protestation von Speyer« verlieh bald den »Protestanten« ihren Namen.

      Für die Ehe: Katharina von Bora

      Melanchthons großer Wurf: Das Augsburger Bekenntnis

      Wieder ein Reichstag: diesmal im Jahr 1530 in Augsburg. Vier Jahre zuvor hatten die Türken bei der Schlacht von Mohacz die Ungarn besiegt, Ende 1529 belagerte Sultan Suleiman Wien (wenn auch erfolglos). Gegen diese Bedrohung brauchte Kaiser Karl V. Einheit im Reich. Für den Reichstag hatte Philipp Melanchthon ein Papier ausgearbeitet, auf dessen Grundlage sich evangelische und katholische Vertreter einigen könnten. Doch hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch nach Einheit und seiner Rolle als Beschützer der katholischen Kirche, entschied Karl sich für Letzteres und eine Einigung kam nicht zustande. Melanchthons Diskussionspapier wurde als »Confessio Augustana / Augsburger Bekenntnis« zur Grundlage des evangelischen Glaubens. (Mehr dazu finden Sie in Kapitel 15.)

      Für die Lust am Leben

      Luther genoss das Zusammensein mit seiner Frau und seinen Kindern, hatte viele Gäste und pflegte neben dem Wort und der Gnade Gottes ganz weltliche Leidenschaften, die er dankbar aus Gottes Hand nahm: Musik, Bier und Sex. Wobei man Letzteres in den Jahrhunderten nach Luther lieber unter den Teppich gekehrt hätte.

      Luthers Leidenschaft für Musik prägte die evangelischen Kirchen, seine Leidenschaft für die Familie das evangelische Pfarrhaus. (Mehr dazu lesen Sie in den Kapiteln 10 und 11.)

      Ein Held ohne Fehl und Tadel war Luther sicher nicht. Einige seiner Ansichten und Entscheidungen sorgen bis heute für Diskussionen und verhindern es, Martin Luther unkritisch zu bewundern. So ist uns sein Wüten gegen die aufständischen Bauern heute unverständlich. Recht und Ordnung ja – aber Aufforderung zu Mord und Totschlag? Diese und andere Ansichten und Entscheidungen Luthers sahen schon seine Zeitgenossen kritisch bis entsetzt und im Rückblick wird da auch nichts besser.

      Ein fauler Kompromiss: Scheidung und Doppelehe des Landgrafen Philipp

      Landgraf Philipp von Hessen hatte sich als starker Mann bei der Ausbreitung der Reformation erwiesen. Seit 1524 verheiratet, kam 1540 heraus, dass Philipp gerade eine zweite Ehe geschlossen hatte – und zwar mit der Zustimmung der Reformatoren Luther, Melanchthon und Martin Bucer. Philipp von Hessen brachte das in ernste Schwierigkeiten, denn Bigamie (Doppelehe) war sowohl nach Kirchen- als auch nach Reichsrecht verboten, im Reich stand darauf sogar die Todesstrafe.

      Wie aber konnte Luther dieser wahnwitzigen Idee zustimmen? Die seltsame Begründung der Theologen war, dass Bigamie immer noch besser sei als Ehebruch oder Scheidung.

      Luther hoffte sogar, dass die Öffentlichkeit Philipps zweite Frau als eine der üblichen Konkubinen ansehen würde und sich so Ärger und Klatsch in Grenzen halten würden. Jedenfalls wünschte Luther, dass die ganze Sache geheim bleiben sollte. Aber das blieb sie nicht und der Skandal war groß. Denn natürlich fragte sich jetzt die protestantische Christenheit, ob denn nach Luthers Meinung für Fürsten Ausnahmen vom Wort Gottes gelten. Was hätte Luther einem Bauern geantwortet, der mit dem gleichen Wunsch zu ihm gekommen wäre?

      Außerdem hatte Kaiser Karl jetzt Philipp in der Hand. Schadenfroh verlangte Kaiser Karl für einen Gnadenerlass von Landgraf Philipp die weitreichende Unterstützung gegen seine Feinde.

      Klar ist, dass Luther in der Doppelehe des Landgrafen eine Notlösung sah, die keine Nachahmer finden sollte – deshalb ja die Heimlichtuerei. Der gesunde Menschenverstand sagt einem aber auch, dass Luther hier einem seiner größten Unterstützer und Förderer nachgab. »Freunderlwirtschaft«, wie die Österreicher sagen würden, ist eben keine moderne Erfindung. Der politische und moralische Schaden für die Reformation war jedenfalls groß. Philipp Melanchthon legte sich nach dieser Blamage erst mal eine Weile schwer krank ins Bett.

      Gegen die Juden

      Noch dramatischer und für heutige Menschen verstörender ist allerdings der Hass auf die Juden, dem Luther im Alter Raum gibt. Zu Beginn der Reformation hatte Luther die Hoffnung, dass die Juden nun, da sie das wahre Evangelium hören konnten, auch zu Christus finden würden. Denn natürlich hätten sie das nach Luthers Meinung in der alten Kirche nur schwer gekonnt. Aber im Laufe der Jahrzehnte musste Luther erkennen, dass er sich getäuscht hatte und seine einstige Freundlichkeit

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