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alt=""/> Einige wirklich schwierige theologische Fragen – auch in Bezug auf Calvins Theologie – behandele ich in Kapitel 7. In meiner Jugend nannte man solche Themen »geistliches Schwarzbrot«. Es wird dann auch um die Probleme von Calvins Theologie gehen und um die Kritik daran.

      Die vier »soli«

      Zunächst galt auch bei Calvin viermal das »allein«:

       sola scriptura – allein das Wort Gottes (die Bibel) kann die Grundlage des christlichen Glaubens sein, keine Tradition, kein Papst, nicht sonst ein Mensch.

       solus Christus – nur Christus, keine Kirche und kein Priester, ist Herr über die Gläubigen. Und Christus allein ist der Vermittler zwischen Gott und Mensch, keine Heiligen und nicht Maria.

       sola gratia – allein durch die Gnade Gottes wird der Mensch errettet und bekommt das ewige Leben. Er kann nichts dazu beitragen.

       sola fide – allein durch den Glauben wird der Mensch »gerechtfertigt« (siehe Kapitel 2). Nur durch den Glauben werden einem Menschen die Sünden vergeben und nicht, weil er ein guter Mensch ist oder so viel Gutes tut.

      Darin sind sich Calvin und Luther, Melanchthon und Zwingli und die vielen anderen Reformatoren einig. Es ist ganz einfach, erlöst zu werden, wenn man nur Gott machen lässt, der schon alles dafür getan hat. Das ist schon mal ein Grund, warum sich nach und nach Hunderttausende zu Calvins Reformation bekannten.

      Im Rückblick sehen wir heute natürlich keine Freiheit im damaligen Genf. Aber vielleicht muss auch eine Theologie manchmal ein wenig durch die Zeit unterwegs sein, damit der Ballast abfällt und das übrig bleibt, was die Menschen besonders anspricht und bewegt (und das mag in jedem Jahrhundert, vielleicht sogar in jeder Generation etwas anderes sein).

      Bei Calvins Theologie verhielt es sich wohl so mit dem Begriff der Freiheit:

       Calvin sah (wie Luther) den Menschen als in zwei Bereichen lebend: einmal der äußere Mensch, der unter einer weltlichen Regierung lebt, und dann der innere Mensch, der unter Christus lebt.

       Der Mensch sollte die Autorität der äußeren Regierung achten.

       Die weltliche Regierung darf allerdings nicht versuchen, in die Köpfe der Menschen zu »sehen« und dort zu regieren.

       Das geistliche, innere Reich Christi und die äußere Welt sind eben zwei ganz verschiedene Dinge.

       Im Zweifelsfalle muss der Mensch dann auf Gott mehr hören als auf Menschen.

       Das Gewissen ist gebunden an Gottes Wort, der Gläubige will und kann nicht gegen Gottes Wort handeln.

       Aus diesem Gewissen, das an das »Wort Gottes«, die Bibel, gebunden war, entwickelte sich im 17. Jahrhundert immer mehr der Gedanke der »Gewissensfreiheit«. Sie ist die Freiheit von jeder Art religiöser, politischer oder sonst wie weltanschaulicher Bevormundung.

      Und schon sind wir bei einer Minderheit verfolgter Christen (und tatsächlich auch »Calvinisten«), die ihren Glauben nicht frei ausüben durften und sich deshalb nach Amerika aufmachten.

      Von Calvins Genf haben wir uns jetzt in Richtung USA schon ganz schön entfernt. Geblieben ist aber der Gedanke an die Freiheit und das freie Gewissen. Dass ein großer Teil der US-Amerikaner uns so übertrieben »sittenstreng« erscheint, mag ein »Stückchen Genf« sein, das Calvin über die ganze Welt verteilte. Was aber noch mehr zählt, ist die Freiheit.

      So mag man also Calvins Lehren kritisieren und anzweifeln. Aber viele seiner Gedanken haben sich durch die Jahrhunderte auch bewährt und die Zeit konnte ihnen nur wenig anhaben.

      Calvin hatte es außerdem geschafft, sich mit Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger (1504–1575) auch in der Sache des Abendmahls zu einigen. So konnten Zürich, Bern und Genf die Reformation gemeinsam auf festeren Boden stellen.

      Und noch etwas muss man Calvin (oder den »Calvinisten«?) lassen: Es gibt keine »calvinistische Kirche« wie es eine »lutherische Kirche« gibt. Die Kirchen aus Zwinglis, Bullingers und Calvins Tradition werden »reformierte Kirchen« genannt. Mit dem »Zweiten Helvetischen Bekenntnis – confessio helvetica posterior«, von Heinrich Bullinger verfasst, erschien 1566 eine wichtige Grundlage des evangelisch-reformierten Glaubens.

      Mit dem Zusammenschluss der Reformationen von Zwingli und Calvin in Zürich und Genf wurde leider gleichzeitig der Graben zwischen Lutheranern und Reformierten breiter. Die lutherischen Theologen verurteilten Zwingli weiterhin, wie es Luther getan hatte. Das hatte Folgen für die Reformation:

       Die lutherische Reformation breitete sich in Deutschland und Skandinavien aus. Sie wurde zur »Königsreformation«, denn es waren die Könige, die den neuen Glauben zuerst annahmen und ihre Länder »lutherisch« machten. Es entstanden die lutherischen Landes- beziehungsweise Staatskirchen.

       Die reformierte Bewegung breitete sich viel sprunghafter und wilder aus: von der Schweiz nach Frankreich, Schottland und Polen, in die Niederlande und nach Ungarn und in kleine Fürstentümer wie Ostfriesland.

      

Auch zur Geschichte der Reformationen in Zürich, Genf und anderen Schweizer Orten findet man viele Informationen in Diarmaid MacCullochs Die Reformation 1490 – 1700. Über Johannes Calvin sind besonders zwei Bücher zu empfehlen: Herman J. Selderhuis’ Johannes Calvin. Mensch zwischen Zuversicht und Zweifel (Gütersloh, 2009) ist eine gut lesbare Biografie. Besonders auf die Jahre in Genf konzentriert sich Volker Reinhardt in Die Tyrannei der Tugend: Calvin und die Reformation in Genf (München, 2016).

      Allerdings beschränkte sich die reformatorische Bewegung von Anfang an nicht auf diese beiden Wege von Luther und Zwingli/Calvin.

      Nachdem Martin Luther den Anstoß gegeben hatte, traten Menschen auf, die den Glauben noch radikaler leben wollten als die Wittenberger, die Zürcher oder die Genfer. Das Ergebnis war, dass sie letztlich von Katholiken, Lutheranern und Reformierten angefeindet und verfolgt wurden. Um diesen sogenannten radikalen oder linken Flügel der Reformation geht es in Kapitel 4.

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