Скачать книгу

Böhmen lief daraufhin ein Sturm der Empörung und in den nächsten zwanzig Jahren lieferten sich die Anhänger von Jan Hus erbitterte Kriege mit den böhmischen Herrschern, die sogenannten Hussitenkriege. Bis in Luthers Zeit fast hundert Jahre später brodelte es in Böhmen – und im Jahre 1618 brach dort auch der Dreißigjährige Krieg aus.

      Jan Hus und Martin Luther und viele ihrer Zeit- und Weggenossen haben es vorgemacht und bis heute berufen sich evangelische Gläubige auf ihr Gewissen, wenn sie Entscheidungen treffen müssen. Und wer weiß – so mancher Protestant wünscht sich vielleicht gelegentlich insgeheim einen »Papst«, der ihm einfach sagt, was er tun und glauben soll, statt immer wieder selbst prüfen und entscheiden zu müssen – und dann auch noch Gott persönlich dafür verantwortlich zu sein.

      Das Gewissen – ein evangelisches Schlüsselwort

      Allerdings darf man nicht davon ausgehen, dass die Evangelischen eine fixe »Lehre vom Gewissen« haben. Bei Luther war das Gewissen noch an das gebunden, was man in der Bibel liest und wie man es versteht – danach war zu handeln, auch gegen Autoritäten. In Kapitel 2 erfahren Sie, wie Martin Luther seinem Gewissen folgte. Heute ist die Bibel auch für viele Evangelische nicht mehr so sehr maßgebend. Manchem scheint sie zu veraltet und zu wenig zeitgemäß, um das Gewissen noch daran binden zu können. Auch geht das Bibelwissen den Menschen (evangelischen ebenso wie katholischen) heute mehr und mehr verloren. Stattdessen folgt man vielleicht den Menschenrechten oder Aussagen wie dem Deutschen Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«. Oder einfach dem, von dem man denkt, dass es richtig ist.

      Wie gesagt: Es gibt in den evangelischen Kirchen keine Autorität, die festschreibt, was geglaubt werden muss. Es gibt »Bekenntnisse« (davon mehr in Kapitel 15), auf die sich Kirchen und Gemeindeglieder verpflichten – wenn ihr Gewissen es erlaubt.

      Natürlich spielt das Gewissen auch bei Katholiken, Muslimen, Atheisten und allen anderen Menschen eine Rolle. Nur gibt es bei den Evangelischen vielleicht eine stärkere und bewusstere Tradition des »Sich-auf-sein-Gewissen-Berufens«. Am Fall der Berliner Mauer und des DDR-Regimes waren wohl nicht zufällig so viele evangelische Pastoren beteiligt.

      Das Gewissen – ein fleißiger Gründer neuer Kirchen

      

In diesem Zusammenhang begegnen einem oft zwei Begriffe: »Konfession« und (seltener) »Denomination«. Beide Begriffe bezeichnen eine Untergruppe innerhalb einer Religion, die sich in Lehre und Praxis etwas von anderen unterscheidet. Christliche Konfessionen wären zum Beispiel die römisch-katholische Kirche und die evangelische Kirche. Diese teilt sich wieder in weitere Konfessionen, also zum Beispiel die lutherische, die reformierte, die methodistische oder die baptistische Kirche.

      Dass sich dann unter dem Deckmantel des Gewissens manchmal auch einfach nur Stolz, Dickköpfigkeit, Machtstreben oder auch Dummheit verbergen – nun, das ist wohl menschlich und umso weniger zu vermeiden, je mehr Freiheit die Menschen genießen.

      Noch ein weiteres Merkmal des evangelischen Glaubens wird Sie durch dieses Buch begleiten: der Glaube an die Bedeutung des »Wortes«. Das bedeutet zunächst einmal die Bibel, die nach evangelischer Sichtweise jeder Christ lesen, verstehen, auslegen und als Richtschnur für sein Leben gebrauchen können sollte. Doch der Respekt vor dem »Wort« gilt auch allen anderen Büchern, dem gesprochenen Wort (Kapitel 9 widmet sich der Predigt) und der Bildung. Schulen gründen, die Menschen lesen und schreiben lehren und Bücher drucken – das war von Anfang an eine evangelische Leidenschaft.

      Zum »Mann des Jahrtausends« wurde folgerichtig auch weder Luther noch Calvin gewählt. Es war Johannes Gutenberg (eigentlich Johannes Gensfleisch, circa 1400–1468). Er erfand den modernen Buchdruck und löste damit eine Medienrevolution aus. Vorher mussten Bücher und andere Schriften handschriftlich kopiert werden. Beim Kopieren von Handschriften kam es auf extreme Genauigkeit und Sorgfältigkeit an. Wer hatte dabei schon Zeit, über das Gelesene auch noch nachzudenken? Außerdem konnte man unbequeme Texte in wenigen Exemplaren viel besser unter Kontrolle halten.

      Und plötzlich die Druckerpresse: Das Kopieren besorgte eine Maschine, man brauchte nur noch zu lesen oder sich vorlesen zu lassen. Den Druck besorgte jemand anders und man hatte Zeit zum Nachdenken. Ausverkauft, verbrannt, verboten? Egal, man druckte eben nach! Martin Luthers Schriften wurden Bestseller – und er wusste, wie man schreibt und die Menschen bewegt. Der evangelische Glaube ruht auf dem »Wort« – dem der Bibel ebenso wie darauf, was Christen bis heute schreiben und lesen.

      

Ein auch handwerklich äußerst schön gemachtes Buch ist die Gutenberg-Biografie von Klaus-Rüdiger Mai Gutenberg:Der Mann, der die Welt veränderte (Berlin, 2016).

      In Evangelisch für Dummies werden Sie von mancher ernsthaften Gewissensentscheidung lesen, die viel Gutes gebracht hat. Aber auch manche evangelische Engstirnigkeit und Umwege werde ich Ihnen nicht verschweigen. Aber wie heißt es so schön: »In Gottes Garten blühen viele Blümchen …«

      Martin Luther, das Gewitter und die Gnade Gottes

      IN DIESEM KAPITEL

       Martin Luther sucht nach Gott

       Lebensgefährliche Kritik

       Einer gegen alle

       Erfolge und Krisen der Reformation

      Als die katholische Kirche die Krise mit dem Papstsitz in Avignon und den Doppel- und Dreifachpäpsten hinter sich hatte (siehe Kapitel 1), muss Rom ein ziemlich verwahrloster Ort gewesen sein. Die alte Pracht war dahin, die mittelalterliche Machtfülle der Päpste vorerst ebenso. Doch schon bald arbeiteten die Päpste daran, ihre alte Macht wiederherzustellen. Äußeres Zeichen für die neue Macht sollte der Petersdom in Rom werden.

      Um das Jahr 324 hatte Kaiser Konstantin über dem vermuteten Petrusgrab in Rom eine Kirche (Basilika) errichten lassen. Nach einer wechselhaften Geschichte wurde dieser erste »Petersdom« ab 1451 noch einmal gründlich renoviert. Papst Julius II. (Papst von 1503 bis 1513) schien die alte Kirche nicht groß und prächtig genug für sein eigenes Grabmal. So beschloss er den Abriss der alten Basilika und einen Neubau: den Petersdom, wie wir ihn heute kennen. Mit dem Bau dieses riesigen Doms wurde 1506 begonnen.

      Doch wie dieses gewaltige Projekt finanzieren? Damals wie heute explodierten die Kosten von solchen Mammutprojekten schnell. Doch mit etwas Geschick ließen sich vorhandene Einnahmequellen noch ein wenig ausbauen. Ein Glücksfall war der Fund von Alaun auf päpstlichem Gebiet.

Скачать книгу