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Meistbietenden und der Ablasshandel (siehe Kapitel 1) spülten Geld in die Kasse der Kirche.

      In der Theologie des 13. Jahrhunderts hatte sich die Lehre vom »Gnadenschatz« der Kirche ausgebildet. Man nahm an, dass Christus und die Heiligen so viele gute Taten getan hatten, dass es nun einen Überschuss an guten Werken gab. Dieser angesammelte »Schatz« der Verdienste wurde vom Papst verwaltet und konnte den gewöhnlichen Gläubigen zugutekommen, um sie von Strafen für ihre Sünden zu befreien. Zunächst galten Ablässe hauptsächlich für Kreuzfahrer. Wer also für die Befreiung Jerusalems ins Heilige Land zog, hatte sich das Fegefeuer schon so gut wie erspart, er konnte damit rechnen, gleich in den Himmel zu kommen.

      Der Ablass wurde zunächst nicht nur gegen Geld abgegeben. Grundsätzlich war es so, dass eine Geldspende der Dank für die erlassene Sündenstrafe sein sollte, die Armen sollten beten und fasten.

      Doch die »Theologie« des Ablasses und sein Wert als Einnahmequelle entwickelten sich. Ab dem Jahre 1476 konnten Ablassbriefe auch für Verstorbene erworben werden. Zu Martin Luthers Lebzeiten war es dann so weit, dass man sogar Ablässe für zukünftige Sünden erwerben konnte. Theologisch korrekt müsste man sagen, dass der Ablass nie die Vergebung der Sünden vermitteln sollte, sondern immer nur einen Erlass der Strafen für die Sünden bewirkte. Der einfache Gläubige aber verstand den Kauf eines Ablassbriefs mit der Zeit immer mehr als »Sündenvergebung« an sich und wurde von den päpstlichen Ablasshändlern auch gern in dem Glauben gelassen – auch wenn darauf hingewiesen wurde, dass die Beichte trotzdem noch abgelegt werden müsse.

      Das Ablasssystem rief auch schon vor Luther Kritiker auf den Plan. Bei ihm aber kam vieles zusammen: sein persönlicher Kampf um die Vergebung seiner Sünden, sein cholerisches Temperament und ein Gewissen, das sich nur Gott und keinem Menschen verpflichtet wusste.

      Wer war also dieser Martin Luther, der mit seinem Protest gegen den Ablasshandel eher unbeabsichtigt die Welt aus den Angeln hob?

      Geboren wurde Martin Luther am 10. November 1483 in Eisleben im heutigen Sachsen-Anhalt. Sein Vater Hans hatte es im Kupferbergbau zu einigem Wohlstand gebracht. Aus einfachen Verhältnissen stammend, waren seine Eltern Hans und Margarete mittlerweile angesehene Bürger. Und so galt es, ihrem ältesten Sohn Martin zunächst einmal eines zu verschaffen: Bildung. Vater Luther bezahlte das aus eigener Tasche mit dem hohen Ziel, seinen Sohn zum Juristen ausbilden zu lassen.

       Das Trivium bestand aus Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Wobei die »Grammatik« sich auf Latein bezog, denn alle Wissenschaft und jedes Studium geschah damals auf Lateinisch.

       Das Quadrivium bestand aus Arithmetik (also Rechnen), Geometrie, Astronomie und Musik.

      Besondere Probleme scheint Luther im Studium nicht gehabt zu haben. Seine Prüfungen legte er 1502 und 1505 erfolgreich ab. Ausgerüstet mit allem Wesentlichen, was man damals so wissen konnte, begann er sein Jurastudium am 19. Mai 1505. So weit, so gut, wenn nicht so vieles bei uns Menschen einfach nur vom Wetter abhängen würde …

      Martin Luthers Weg ins Kloster

      Natürlich waren die Menschen damals meistens zu Fuß unterwegs. So auch Martin Luther am 2. Juli 1505. Und da überraschte ihn in Stotternheim, kurz vor Erfurt, ein heftiges Sommergewitter. Als dann auch noch kurz vor ihm ein Blitz einschlug, betete er in Todesangst zur Heiligen Anna: »Hilfst du, Heilige Anna, so will ich ein Mönch werden!«

      Hier sieht man an Martin Luther ganz konkret die Angst der mittelalterlichen Menschen vor dem plötzlichen, unvorbereiteten Tod. Vielleicht war Luther bis dahin ein unbekümmerter junger Mann gewesen. Auf einmal aber hatte er die Möglichkeit des plötzlichen Todes vor Augen.

      Zurück in Erfurt bereute er zwar sein Gelübde (und fragte sich wahrscheinlich, wie er das seinem Vater beibringen sollte), doch er nahm es ernst und brach das Studium ab. Hans Luther war natürlich wenig begeistert. Aber die Heilige Anna war nun mal der Tradition zufolge die Mutter Marias, die Großmutter Jesu und die Schutzheilige der Bergleute – was konnte Luthers Vater schon dagegen ausrichten? Martin Luther blieb bei seinem Schwur und gegen den Willen seines Vaters trat er am 17. Juli 1505 dem Augustinerorden bei und wurde Mönch.

      

Auch nach damaliger Ansicht der Kirche war Luther nicht unbedingt an seinen Schwur gebunden. Er hatte sein Gelübde ja nicht wirklich freiwillig und bei klarem Verstand, sondern unter Todesangst abgegeben. Man kannte also schon damals so etwas wie kurzzeitige »geistige Unzurechnungsfähigkeit«. Doch wer weiß, was dem jungen Luther bis dahin schon alles durch den Kopf gegangen war. Vielleicht gab es ja in ihm schon eine tiefe Angst vor Gottes Zorn und Strafe, die ihn ins Kloster trieb – mit dem Gewitter als letztem »Schubs« und Ausrede für den Vater.

      Martin Luthers Leben spielte sich die nächsten Jahre zwischen Kloster und Universität ab:

       Im Jahre 1507 wurde er zum Priester geweiht.

       1508 und 1509 lehrte er schon als Aushilfe an der kleinen Universität in Wittenberg. Kurfürst Friedrich III. von Sachsen (auch »Friedrich der Weise« genannt) hatte sie erst 1502 gegründet.

       1511 zog Luther endgültig nach Wittenberg, wo er den Rest seines Lebens hauptsächlich leben und arbeiten würde. Zum »Doktor der Theologie« wurde er 1512 ernannt.

       Luther hielt als Professor der Theologie Vorlesungen über biblische Bücher, die hier und da durchscheinen ließen, dass er ein in Glaubensdingen kämpfender und zweifelnder Mann war: Die erste Psalmenvorlesung hielt er von 1513 bis 1515. Er lehrte über den Brief des Paulus an die Römer (1515 bis 1516), über den Galaterbrief (1516 bis 1517) und den Brief an die Hebräer (1517 bis 1518).

       Ab 1515 erhielt er die Aufsicht über zehn Augustinerklöster in Meißen und Thüringen.

      

Martin Luther gab seine frühen Vorlesungen auch später nie in den Druck. Das führte dazu, dass sie als verschollen galten und erst im 20. Jahrhundert (im Vatikan!) wieder aufgefunden wurden. Von Luthers Römerbriefvorlesung fand man sogar das Originalmanuskript, das ein paar Hundert Jahre lang fast unbemerkt in der Berliner Staatsbibliothek geschlummert hatte … Räumen die da so selten auf?

      Luthers Kloster- und Universitätskarriere zeigt, dass er ein gewissenhafter und ernsthafter Mönch war. Aber: Elf Klöster beaufsichtigen, als Klosterprediger arbeiten und dazu noch an der Universität lehren – ist das nicht ein bisschen viel? Tatsächlich war es ein bisschen viel – und zwar mit Absicht.

      Luther hatte einen Beichtvater namens Johann von Staupitz (1468–1524), der um dessen innere Kämpfe und Zweifel wusste. Staupitz fand wohl, dass Arbeit die beste Medizin gegen Grübeleien ist und hielt Luther beschäftigt. Sozusagen Psychotherapie am Ende des Mittelalters.

      Nur – was war mit diesem Martin Luther los? Was ging in seinem Kopf vor, machte ihn unzufrieden und sogar verzweifelt?

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