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von OS-Sätzen im Allgemeinen abgebildet wird. Alle vier Korpusstudien kommen zu dem Schluss, dass in nicht-kanonischen Bedingungen das topikalisierte Objekt deutlich häufiger akkusativ- als dativmarkiert ist. Bei Schlesewsky et al. (2002) machen innerhalb der OS-Sätze in allen drei Korpustypen dativmarkierte Objekte jeweils nur ca. 15 % der Vorkommen aus, wobei in absoluten Zahlen der Anteil mit zwei (nicht-fiktionale Texte), fünf (fiktionale Texte) und fünfzehn (gesprochene Sprache) Treffern fast verschwindend gering ist. Zu einem sehr ähnlichen Fazit kommen Bader/Häussler (2010). Auch in ihrer Korpusanalyse, die jedoch ausschließlich Zeitungstexte umfasst und nur Sätze berücksichtigt, die eine den-NP (Akkusativ Singular und Dativ Plural) enthalten, sind topikalisierte Objekte in gut 70 % akkusativmarkiert. Dativmarkierte Objekte, die vor dem Subjekt realisiert werden, finden sich hingegen vor allem im Mittelfeld, also zum Beispiel in Form von …, dass dem Opa der Witz gefallen hat oder …, dass dem Opa ein Malheur passiert (ebd.: 734). Die Beispiele illustrieren weiterhin einen zentralen Befund von Bader/Häussler: OS-Abfolgen im Mittelfeld sind gebunden an spezifische Verben und sind somit ein Resultat lexiko-semantischer und nicht syntaktischer Faktoren. Ebenso ist für genau diese verbgebundenen OdatS-Abfolgen im Mittelfeld das Vorhandensein eines belebten Objekts und eines unbelebten Subjekts typisch. Insbesondere in OakkS-Sätzen mit topikalisiertem Objekt im Vorfeld dominiert hingegen die Opposition S[+belebt] vs. O[-belebt] (vgl. ebd: 731)

      Es lässt sich also folgern, dass das Deutsche trotz der syntaktische Möglichkeit, OS-Sätze zu verwenden, nur selten davon Gebrauch macht. Problematisch bei dem Befund, dass OS-Sätze meist akkusativmarkierte Objekte enthalten, ist die Tatsache, dass im Deutschen der Akkusativ nur im Maskulinum lokal, das heißt auf Basis des einzelnen Markers identifizierbar ist. Lediglich das Maskulinum verfügt über ein maximal ausdifferenziertes Kasusparadigma; im Neutrum und Femininum finden sich diverse Synkretismen (s. Tabelle 2).

      Tabelle 2: Kasussystem des Deutschen (Singular)

      Aus Tabelle 2 geht zunächst hervor, dass Kasusmarker im Deutschen überwiegend am Artikel zu finden sind. Das Substantiv wird nur im Genitiv Maskulinum und Neutrum Singular (Mann-es, Kind-es) sowie im Dativ Plural in allen Genera (den Männer-n/Frau-en/Kinder-n) zusätzlich flektiert. Hinzu kommt im Deutschen eine schwache Deklinationsklasse, die Maskulina umfasst, die in beiden Numeri mit dem Flexionsmorphem -n markiert werden (zum Beispiel den/dem/des Junge-n). Insgesamt ist die formale Kasusinformation jedoch in der Regel ausgelagert und zeigt sich am Determinierer sowie in komplexen Nominalphrasen am Adjektiv, sofern dieses stark flektiert wird (zum Beispiel ein groß-esnom/akk Kind). Tabelle 2 zeigt weiterhin, dass der Artikel den der einzige transparente, das heißt nicht multifunktionale Marker im Singular ist. Alle übrigen Formen decken mehrere Funktionen ab. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Formen einen Kasus abdecken und in zwei Genera formidentisch sind, oder ob eine Form in verschiedenen Kasus auftritt. So ist dem ausschließlich Dativ- und damit Rezipiensmarker, wird jedoch sowohl im maskulinen als auch neutralen Paradigma verwendet. Selbiges gilt für des als Genitivmarker. Die Form das im Neutrum wird hingegen nicht nur im Nominativ, sondern auch im Akkusativ verwendet. Die zentralen semantischen Rollen Agens und Patiens sind folglich im Neutrum formal nicht differenzierbar. Selbiger Synkretismus findet sich im Femininum (die). Nur durch die Opposition zu einer zweiten NP können die intransparenten Marker das und die disambiguiert werden. Disambiguierung heißt wiederum, dass ihnen eine spezifische Funktion zugeordnet werden kann. Auch der ist eine multifunktionale Form. Sie kann entweder den Nominativ im Maskulinum oder den Dativ beziehungsweise Genitiv im Femininum kennzeichnen. Der Artikel allein kann also keinen eindeutigen Hinweis auf die semantische Rolle liefern, sodass bei der Satzverarbeitung nicht nur das Genus der NP, sondern weitere Merkmale (hier besonders die morphologische Opposition zur zweiten NP) mitberücksichtigt werden müssen, damit eine Rollenzuweisung vorgenommen werden kann. Es lässt sich damit zwischen funktional transparenten (den, dem), halb-transparenten (der) und intransparenten (das, die) Formen differenzieren. Bei ersteren verweist die Form eindeutig auf Nicht-Agentivität, letztere können sowohl auf eine agentivische als auch eine nicht-agentivische Rolle verweisen und sind damit maximal ambig. Die als halb-transparent klassifizierte Form der kann hinsichtlich ihrer Funktion nur unter Hinzunahme des lexemspezifischen Genus disambiguiert werden. Sofern dieses berücksichtigt wird, ist die Zuordnung zu agentivisch beziehungsweise nicht-agentivisch eindeutig. Wird das Genus (bei der Verarbeitung) außen vor gelassen, ist die Form ambig. Ebenso macht ein Blick auf Tabelle 2 deutlich, dass es im Deutschen zwar eindeutige nicht-agentivische Marker (den, dem), jedoch keine eindeutigen agentivischen Formen gibt. Jede Nominativmarkierung (der, das und die) kommt auch in den obliquen Kasuskontexten vor.

      Die Übersicht zeigt, dass das Deutsche zwar Kasusmarker enthält, diese jedoch nur selten auf eindeutige Form-Funktionsbeziehungen verweisen. Auf insgesamt zwölf Zellen im Singular kommen lediglich sechs unterschiedliche Formen, sodass die Zahl der Synkretismen vergleichsweise hoch ist.9 Für die Satzverarbeitung bedeutet dies konkret, dass Kasusmarker vor allem in Sätzen mit akkusativregierendem Verb nur bedingt valide sind. Kempe/MacWhinney (1998) errechnen für Kasusmarker im Deutschen einen Validitätswert von gut 50 %. Der niedrigere Wert geht darauf zurück, dass in Sätzen mit einem akkusativregierenden Verb und zwei Feminina, zwei Neutra oder einem Femininum und einem Neutrum disambiguierende Mittel nicht verfügbar sind und die Wortstellung als einzige Interpretationsgrundlage übrig bleibt (s. Bsp. 11 und 12 in Tabelle 3). Eine Disambiguierung kann nur bei Verfügbarkeit einer maskulinen NP erfolgen (Bsp. 9 und 10). Steht diese nicht zur Verfügung, muss die satzinitiale NP als agentivisch eingestuft werden (Bsp. 11 und 12).

      Tabelle 3: Akkusativ- und Dativformen in OVS-Sätzen

      Aufgrund des vollständigen Formenzusammenfalls zwischen NOM und AKK im Neutrum und Femininum fungieren das und die in den Beispielen 11 und 12 nur noch als Genus- und Numerusmarker, nicht mehr als Kasusformen. Das Deutsche verhält sich damit in entsprechenden Fällen wie das Niederländische und zeigt semantische Relationen nur noch mithilfe der Konstituentenabfolge an.

      Eine höhere formale Eindeutigkeit und damit die Möglichkeit, eine N>N-Struktur als O>S-Satz zu identifizieren, besteht in Sätzen mit dativregierenden Verben (Bsp. 13–16). Da sowohl im Neutrum als auch im Femininum die formale Abgrenzung zwischen Nominativ/Akkusativ versus Dativ besteht, können Sprecher in entsprechenden Fällen auf die Kasusinformation zurückgreifen. Eine potentielle Schwierigkeit für Lerner besteht lediglich bei der Einordnung des Markers derdat. Ist ihnen das Genus der NP nicht bekannt oder sind sie in der Genuszuweisung unsicher, kann die Form derdat in den Beispielen 14 und 16 auch als morphologisch unmarkierte maskuline NP und damit als Agensmarker verarbeitet werden.

      Die Gegenüberstellung des Niederländischen und Deutschen zeigt, dass Wortfolge und Kasusmarker als Indikatoren für semantische Relationen in unterschiedlichem Umfang verfügbar sind. Im Niederländischen verweist die Abfolge N>N immer auf S>O, morphologische Marker spielen keine Rolle. Das Deutsche verfügt zwar über Kasusmarker, jedoch sind sie je nach Genus häufig intransparent. Die Konstituentenabfolge gewinnt damit an funktionaler Validität. Im Vergleich zum Niederländischen ist die Wortstellung als Indikator für semantische Relationen im Deutschen zwar deutlich weniger valide, aber trotzdem relevant.

      Anders als das Deutsche, ist das Russische eine morphologisch ausdifferenzierte Sprache, die in nur geringem Ausmaß einen Formenabbau erfahren hat. Das Russische verfügt über insgesamt sechs Kasus, die sich am Substantiv sowie bei Verfügbarkeit auch am attributiven Adjektiv zeigen: Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv, Instrumental und Präpositional.10 Parallelen zum Deutschen gibt es im Bereich der Formenbildung. In beiden Sprachen ist die Kasusform jeweils vom Genus und Numerus des Substantivs abhängig, sodass die entsprechenden Funktionsträger (im Deutschen die Artikel, im Russischen das Flexionsmorphem am Substantiv) jeweils unterschiedliche grammatische und semantische Kategorien kennzeichnen. Einen Überblick über das russische Kasussystem (Singular) bietet Tabelle 4.11

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